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BSG - Entscheidung vom 25.04.2017

B 3 P 11/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB IX § 14
SGB IX a.F. § 13 Abs. 4
SGB X §§ 102 ff.

BSG, Beschluss vom 25.04.2017 - Aktenzeichen B 3 P 11/17 B

DRsp Nr. 2017/13552

Erstattung für Leistungen der stationären Kurzzeitbetreuung Klärungsbedürftige Rechtsfrage Vereinbarung zwischen Pflegekasse und dem Träger der Sozialhilfe

1. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage bereits dann nicht mehr, wenn sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. 2. Existiert noch keine höchstrichterliche Entscheidung, so darf dies nicht darauf beruhen, dass die Rechtsfrage ohne Weiteres anhand des klaren Wortlauts und Sinngehalts des Gesetzes oder offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das LSG getan hat, die Rechtslage also von vornherein praktisch außer Zweifel steht. 3. Die Rechtsproblematik muss dann vielmehr umstritten sein; daher reicht es nicht aus vorzutragen, das BSG habe zu der Problematik noch nicht entschieden. 4. Anders als nach der Regelung zur raschen Zuständigkeitsklärung zwischen Rehabilitationsträgern (§ 14 SGB IX ) setzt die "Leistung aus einer Hand" nach § 13 Abs. 4 SGB XI a.F. voraus, dass die Pflegekasse und der Träger der Sozialhilfe hierüber eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben. 5. Fehlt es an einer Vereinbarung nach § 13 Abs. 4 SGB XI , die die Leistungsträger abschließen sollen, verbleibt es bei den Regelungen über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 ff. SGB X ; diese Normen sind nach der Rechtsprechung des Senats abschließend und in ihrem Anwendungsbereich erschöpfend.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 19. Januar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1470 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB IX § 14 ; SGB IX a.F. § 13 Abs. 4 ; SGB X §§ 102 ff.;

Gründe:

I

Das LSG Nordrhein-Westfalen hat mit Urteil vom 19.1.2017 einen Anspruch des klagenden überörtlichen Sozialhilfeträgers gegen die beklagte Pflegekasse auf Erstattung für Leistungen der stationären Kurzzeitbetreuung zugunsten des Versicherten T. S. J. in 2008 in Höhe von 1470 Euro verneint. Das LSG hat im Wesentlichen ausgeführt, es bestehe kein Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 bis 105 SGB X . Der Erstattungsanspruch aus § 13 Abs 4 SGB XI scheitere daran, dass es an einer Vereinbarung zwischen den Leistungsträgern gefehlt habe, die Grundlage eines Erstattungsbegehrens sein könnte.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht formgerecht dargelegt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 1 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Der Kläger hält grundsätzlich für bedeutsam die Rechtsfragen:

"Ist § 13 Abs. 4 SGB XI eine eigenständige Erstattungslage und ist ein Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 4 SGB XI auch dann zu bejahen, wenn es an einer Vereinbarung zwischen den Leistungsträgern fehlt?"

Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert daran, dass der Kläger die Klärungsbedürftigkeit der Fragen nicht hinreichend dargelegt hat. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage bereits dann nicht mehr, wenn sich die Beantwortung der Frage unmittelbar aus dem Gesetz ergibt ( BSG SozR 1300 § 13 Nr 1; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8) oder bereits höchstrichterlich geklärt ist ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13, 65 ). Existiert noch keine höchstrichterliche Entscheidung, so darf dies nicht darauf beruhen, dass die Rechtsfrage ohne Weiteres anhand des klaren Wortlauts und Sinngehalts des Gesetzes oder offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das LSG getan hat, die Rechtslage also von vornherein praktisch außer Zweifel steht (vgl BSGE 40, 42 = SozR 1500 § 160a Nr 4; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 7 RdNr 8). Die Rechtsproblematik muss dann vielmehr umstritten sein (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17). Daher reicht es nicht aus vorzutragen, das BSG habe zu der Problematik noch nicht entschieden. Überdies scheint der Kläger der Lösung des LSG, dass § 13 Abs 4 SGB XI aF ein auf einer Vereinbarung beruhender eigenständiger Erstattungsanspruch sei, auch gar nicht ausdrücklich zu widersprechen, weil er sich auf die dieser Ansicht entsprechende, vorherrschende Meinung im Schrifttum bezieht (Beschwerdebegründung S 7).

Nach dem Wortlaut von § 13 Abs 4 SGB XI (in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung - aF) sollen für den Fall, dass Pflegeleistungen mit Leistungen der Eingliederungshilfe oder mit weitergehenden Pflegeleistungen nach dem SGB XII zusammentreffen, die Pflegekassen und der Träger der Sozialhilfe vereinbaren, dass im Verhältnis zum Pflegebedürftigen nur eine Stelle die Leistungen übernimmt und die andere Stelle die Kosten der von ihr zu tragenden Leistungen erstattet. Bereits nach dem klaren Wortlaut der Norm ist unzweifelhaft, dass sich die zwischen den Leistungsträgern zu schließende Vereinbarung sowohl auf die Bestimmung des einen Leistungsträgers bezieht, der die Leistungen im Verhältnis zum Pflegebedürftigen aus einer Hand erbringt, als auch auf eine Regelung zur Kostenerstattung für die vom einheitlich leistenden Träger nicht zu erbringenden Leistungen. Dass nimmt der Kläger bei seinen Ausführungen nicht hinreichend in den Blick; er geht auch auf vorliegende Rechtsprechung des Senats nicht ein. Nach der oa Vorschrift sollen die Leistungsträger den zuständigen Leistungsträger bestimmen und die Kostenteilung vereinbaren (vgl BSG Urteil vom 10.11.2005 - B 3 P 10/04 R - SozR 4-3300 § 40 Nr 2 RdNr 18). Im Fall von Überschneidungen zwischen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung und der Eingliederungshilfe oder von weitergehenden Pflegeleistungen erleichtert eine solche Vereinbarung die Leistung an den Pflegebedürftigen von einer Stelle aus und ermöglicht eine interessengerechte Kostenaufteilung zwischen den Leistungsträgern. Denn anders als nach der Regelung zur raschen Zuständigkeitsklärung zwischen Rehabilitationsträgern (§ 14 SGB IX ) setzt die "Leistung aus einer Hand" nach § 13 Abs 4 SGB XI aF voraus, dass die Pflegekasse und der Träger der Sozialhilfe hierüber eine entsprechende Vereinbarung getroffen haben (vgl BSG Urteil vom 25.1.2017 - B 3 P 2/15 R - RdNr 19, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen). Die Pflegekasse ist nach dem abschließenden Katalog von §6 Abs 1 SGB IX kein Rehabilitationsträger (vgl BSGE 112, 67 = SozR 4-3500 § 92 Nr 1 RdNr 9).

Fehlt es an einer Vereinbarung nach § 13 Abs 4 SGB XI , die die Leistungsträger abschließen sollen, verbleibt es bei den Regelungen über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 ff SGB X . Diese Normen sind nach der Rechtsprechung des Senats abschließend und in ihrem Anwendungsbereich erschöpfend. Sie erlauben auch keinen Rückgriff auf andere allgemeine Rechtsinstitute (vgl bereits BSG Urteile vom 18.11.2014 - B 1 KR 20/13 R - Juris RdNr 26 mwN und vom 25.1.2017 - B 3 P 2/15 R - RdNr 16, für BSGE und SozR 4 vorgesehen).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO , diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 S 1, § 52 Abs 1 und 3 , § 47 Abs 1 und 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 19.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 P 32/16
Vorinstanz: SG Münster, vom 19.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen S 6 P 175/12