Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BSG - Entscheidung vom 24.05.2017

B 10 ÜG 1/17 BH

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 24.05.2017 - Aktenzeichen B 10 ÜG 1/17 BH

DRsp Nr. 2017/13561

Entschädigung wegen einer überlangen Dauer eines Entschädigungsklageverfahrens Grundsatzrüge Keine Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 2. Weder Entscheidungsgericht noch Revisionsgericht sind weitergehend zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen des Ausgangsgerichts berufen. 3. Soweit Kläger eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall rügen wollten, so können sie hierauf ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen.

Der Antrag der Kläger, ihnen für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Januar 2017 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt M. aus B. beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In der Hauptsache begehren die Kläger Entschädigung wegen einer überlangen Dauer des Entschädigungsklageverfahrens - L 37 SF 116/14 EK AS - vor dem LSG Berlin-Brandenburg. In diesem Entschädigungsverfahren geht es um die überlange Dauer des beim LSG Berlin-Brandenburg von den Klägern zu 2. und 3. geführten Berufungsverfahrens - L 5 AS 1957/11 -, mit dem sie eine Entschädigung in Höhe von 3000 Euro pro Kläger begehren. Für diese Klage erhielten die Kläger zu 2. und 3. durch Beschluss vom 30.1.2015 PKH hinsichtlich einer voraussichtlichen Entschädigung in Höhe von jeweils 800 Euro. Den angeforderten Gerichtskostenvorschuss haben die Kläger bisher nicht entrichtet. Nach der am 27.9.2015 erhobenen Verzögerungsrüge haben die Kläger am 30.3.2016 beim LSG die zugrundeliegende Entschädigungsklage eingereicht und jeweils 100 Euro monatlich ab September 2015 als "Kompensationszahlungen" geltend gemacht. Mit Urteil vom 18.1.2017 hat das LSG Berlin-Brandenburg die Klage als unzulässig, jedenfalls als unbegründet abgewiesen, weil der Kläger zu 1. ohnehin nicht Beteiligter des im Ausgangsverfahrens gerügten Verfahrens (L 5 AS 1957/11) gewesen sei und im Übrigen die Zeiten der Inaktivität des Ausgangsgerichts allein den Klägern anzulasten seien, da diese den festgesetzten Gerichtskostenvorschuss bisher nicht gezahlt hätten. Damit bestehe weder ein Entschädigungs- noch ein Zinsanspruch.

Mit ihrem Antrag begehren die Kläger PKH für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. aus B.. Das Urteil sei bereits aufzuheben, weil der Beklagte bei der mündlichen Verhandlung vor dem LSG nicht vertreten gewesen sei. Dies sei in der mündlichen Verhandlung auch gerügt, jedoch nicht zu Protokoll genommen worden. Ferner sei das Protokoll nicht vorgelesen und genehmigt und ihnen hierzu auch keine Erklärungsfrist von 14 Tagen nach Erhalt des Protokolls gewährt worden.

II

Der Antrag auf PKH ist abzulehnen. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 ZPO ). Weder die Antragsbegründung noch die Aktenlage lassen bei der gebotenen summarischen Prüfung die erforderliche Erfolgsaussicht erkennen.

Hinreichende Erfolgsaussicht hat eine Nichtzulassungsbeschwerde nur, wenn einer der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Die Revision darf danach zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Von diesen Zulassungsgründen lässt sich nach Aktenlage unter Berücksichtigung der Entscheidungsgründe des LSG-Urteils und des Vortrags der Kläger keiner feststellen.

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall der Kläger hinausgehende, grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern die Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; siehe auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Insbesondere ergibt sich die Grundsätzlichkeit der Bedeutung danach entgegen der Auffassung der Kläger nicht aus dem Verstoß gegen Verfahrensrecht im konkreten Fall. Darüber hinaus ist kein Grund ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von der Rechtsprechung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ). Ungeachtet der Frage, ob das LSG in der angefochtenen Entscheidung die vermeintliche Unzulässigkeit der Klage aufgrund nicht form- und fristgerecht eingereichter Klage nach Erhebung der Verzögerungsrüge unter Anschluss an die Rechtsprechung des BGH mit Urteil vom 23.1.2014 ( III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 ) zutreffend angenommen hat, so hat es sich doch der Rechtsprechung des BGH angeschlossen. Entscheidungstragend hat das LSG jedoch auch die Unbegründetheit der Klage nach Prüfung der Umstände des Einzelfalles iS von § 198 Abs 2 S 2 GVG festgestellt, weil die Kläger zu 2. und 3. die für sie festgesetzten Gerichtskostenvorschüsse nicht geleistet haben (vgl zB zur Bedeutung der Umstände des Einzelfalles: BSG Urteil vom 12.2.2015 - B 10 ÜG 1/13 R - BSGE 118, 91 = SozR 4-1720 § 198 Nr 7). Weder Entscheidungsgericht noch Revisionsgericht sind weitergehend zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit der Entscheidungen des Ausgangsgerichts berufen. Soweit die Kläger eine fehlerhafte Rechtsanwendung des LSG im Einzelfall rügen wollten, so können sie hierauf ihre Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7 S 10).

Schließlich fehlt ein ausreichender Anhalt dafür, dass die Kläger einen die Revisionszulassung rechtfertigenden Verfahrensfehler des LSG bezeichnen könnten (Zulassungsgrund des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidungsrelevante Verfahrensmängel sind weder von den Klägern geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Soweit die Kläger rügen, dass es verfahrensfehlerhaft sei, dass das LSG ohne Anwesenheit eines Vertreters des Beklagten entschieden habe, so übersehen sie, dass das LSG bei ordnungsgemäßer Ladung auch ohne Erscheinen eines Beteiligten in der Sache entscheiden kann, sofern nicht dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist. In diesen Fällen kann das Gericht nach vorheriger Belehrung im Rahmen der Ladung bei Ausbleiben sogar nach Lage der Akten entscheiden (§ 110 Abs 1 S 2 SGG ). Anhaltspunkte für einen Vertagungsantrag durch den Beklagten liegen nicht vor. Ferner sieht die Verfahrensordnung des SGG kein Versäumnisurteil (§ 330 ZPO ) vor und sind weder Gründe von den Klägern vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass diese sich nicht auf die mündliche Verhandlung hätten vorbereiten können. Ferner existiert keine Vorschrift, dass das Protokoll der Sitzung insgesamt vorgelesen oder genehmigt werden müsste oder eine Erklärungsfrist zum Protokoll einzuräumen wäre. Einen Protokollberichtigungsantrag haben die Kläger weder geltend gemacht noch angekündigt.

Der Antrag auf PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich auch die Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 18.01.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 38 SF 56/16