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BSG - Entscheidung vom 21.12.2017

B 10 EG 17/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2

BSG, Beschluss vom 21.12.2017 - Aktenzeichen B 10 EG 17/17 B

DRsp Nr. 2018/2930

Elterngeld Divergenzrüge Einander widersprechende abstrakte Rechtssätze Entwickeln eigener rechtlicher Maßstäbe

1. Divergenz i.S. von § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. 2. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. 3. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen. 4. Erforderlich ist zudem, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 12. Mai 2017 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 2 ;

Gründe:

I

Mit Urteil vom 12.5.2017 hat das LSG einen Anspruch des Klägers auf höheres Elterngeld für seine am 3.1.2007 geborene Tochter verneint und die Rückforderung überzahlten Elterngeldes in Höhe von 14 000,40 Euro durch den Beklagten bestätigt. Der Kläger habe jedenfalls keinen Anspruch auf Elterngeld über die Festsetzung mit Bescheid vom 12.5.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17.1.2014 in Höhe von 579,96 Euro hinaus und somit vorläufig überzahltes Elterngeld in Höhe von 14 000,40 Euro zu erstatten. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt, die er mit dem Vorliegen einer Abweichung von der Rspr des BSG160 Abs 2 Nr 2 SGG ) sowie einer grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) begründet.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil weder die behauptete Divergenz (1.) noch die grundsätzliche Bedeutung (2.) ordnungsgemäß dargetan worden sind (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rspr-Divergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist zudem, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

Diese Voraussetzungen hat die Beschwerde nicht substantiiert dargelegt. Sie hat bereits keine entscheidungstragenden, widersprechenden Rechtssätze der von ihr zitierten Entscheidungen des BSG (Senatsurteil vom 3.12.2009 - B 10 EG 2/09 R - SozR 4-7837 § 2 Nr 5 und Urteil vom 17.2.2011 - B 10 EG 1/10 R - Juris) und des angegriffenen LSG-Urteils herausgearbeitet. Die von ihr zitierten Passagen der genannten Senatsurteile betreffen die Anwendung von § 2 Abs 9 BEEG (idF vom 5.12.2006 [BGBl I 2748]) hinsichtlich der Bestimmung des Bemessungszeitraums vor der Geburt des Kindes im Falle der Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit. Die angefochtene Entscheidung des LSG betrifft allerdings auch die Frage, wie Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit im Bezugszeitraum nach § 2 Abs 3 BEEG elterngeldrechtlich zu behandeln sind und ob es insoweit auf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ankommt. Insoweit fehlt es auch an einer ausreichenden Darlegung der Entscheidungserheblichkeit. Denn der Kläger äußert sich nicht, ob und inwieweit ihm bei Zugrundelegung der zitierten Härtefall-Rspr des erkennenden Senats zu § 2 Abs 9 BEEG die Berechnung nach § 2 Abs 8 BEEG Vorteile gebracht hätte. Die festgestellte Tatsachengrundlage ist nicht mit einer zulässigen Verfahrensrüge angegriffen. Der Kläger zeigt nicht auf, dass er einen auf Feststellung abweichender Einkünfte gerichteten Beweisantrag gestellt hatte, wie es § 103 SGG für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vorsieht. Die Beschwerde legt insgesamt nicht hinreichend substantiiert dar, warum der vermeintliche Rechtssatz in den Senatsentscheidungen zu § 2 Abs 9 S 1 BEEG dem angefochtenen LSG-Urteil widersprechen könnte. Darüber hinaus behauptet die Beschwerde lediglich, dass das LSG in seiner angefochtenen Entscheidung die Rspr des BSG missverstanden und falsch ausgelegt habe. Damit hat die Beschwerde auch keinen bewusst abweichenden Rechtssatz aus der LSG-Entscheidung bezeichnet, mit dem dieses von der Rspr des BSG abweichen wollte. Die Beschwerde wirft dem LSG allenfalls eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall vor, die indes nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde ist (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

2. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache auf. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rspr angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl zum Ganzen BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

Der Kläger hält folgende Fragen für Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung:

"Ist ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt im Sinn des § 33 Abs. 1 SGB X , wenn der Verfügungssatz des Bescheids die beabsichtigte Regelung gar nicht enthält, sondern sich diese nur aus zuvor ergangenen anderen Bescheiden herleiten lassen oder der Begründung des Verwaltungsakts ergeben kann?"

"Gestatten die §§ 45 ff SGB X , einen bindenden Bescheid durch einen vorläufigen Bescheid zu ersetzen?"

"Wird eine Nebenbestimmung - hier der Vorbehalt des Widerrufs - mit einer Bedingung - hier Beschäftigungsaufnahme - versehen, darf dann von dem Widerruf oder einer anderen Form der Beseitigung des Bescheids auch dann Gebrauch gemacht werden, wenn diese Bedingung nicht eingetreten ist?".

Ungeachtet der Frage, ob der Kläger damit den Darlegungserfordernissen entsprechende bestimmte Rechtsfragen aufgeworfen hat, hat er indes deren höchstrichterliche Klärungsbedürftigkeit nur behauptet, nicht jedoch schlüssig dargelegt. Hierzu hätte er im Einzelnen darstellen müssen, nicht nur inwiefern die Rechtsfragen vom BSG noch nicht entschieden sind (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65), sondern auch warum sich für die Beantwortung der Fragen nicht bereits ausreichende Anhaltspunkte in vorliegenden Entscheidungen finden lassen (vgl BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). Darüber hinaus fehlt es bereits an einer Auseinandersetzung mit den in den aufgeworfenen Fragen benannten Vorschriften der §§ 33 Abs 1 und 45 ff SGB X .

Unabhängig davon zeigt die Beschwerde die Klärungsfähigkeit nicht auf. Weder befasst sich die Beschwerde damit, dass nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG die Rückforderung im Bescheid vom 12.5.2009 beziffert war, noch damit, dass die vorläufige Festsetzung des Mindestelterngeldes im Bescheid vom 17.1.2014 vom SG rechtskräftig aufgehoben wurde. Schließlich setzt die Beschwerde sich auch nicht damit auseinander, wieso hier ein Widerruf erfolgt sein könnte (§ 8 Abs 2 BEEG ), obwohl vorläufig bewilligtes Elterngeld endgültig festgesetzt wurde (§ 8 Abs 3 BEEG ).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

5. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 12.05.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 13 EG 4/16
Vorinstanz: SG Münster, vom 14.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 2 EG 4/14