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BSG - Entscheidung vom 13.12.2017

B 12 KR 32/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13

BSG, Beschluss vom 13.12.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 32/17 B

DRsp Nr. 2018/2558

Beiträge zur Krankenversicherung Grundsatzrüge Klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage Bereits geklärte Rechtsfrage Vorliegen einer Drittbetroffenheit

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist. 2. Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll. 3. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann. 4. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben. 5. Nach der Rechtsprechung des BSG bestimmt sich eine Drittbetroffenheit nach dem jeweiligen Rechtsgebiet; sie liegt vor, wenn der maßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den Individualinteressen des Dritten zu dienen bestimmt ist, während eine Reflexwirkung einer im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm auf Dritte nicht ausreichend ist.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit ist zwischen den Beteiligten die Berücksichtigung des Einkommens des Klägers bei der Bemessung der Beiträge seiner nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V pflichtversicherten Ehefrau (Versicherte) zur gesetzlichen Krankenversicherung streitig.

Die Beklagte setzte entsprechend ihrer Satzung die Beitrage der Versicherten nach der Hälfte der von ihr und dem Kläger insgesamt erzielten Einnahmen fest. Klage, Berufung und Nichtzulassungsbeschwerde der Versicherten hatten keinen Erfolg (Urteil SG Würzburg vom 15.3.2011 [S 6 KR 481/10], Urteil Bayerisches LSG vom 25.9.2012 [L 5 KR 191/11] und Beschluss BSG vom 25.7.2013 [B 12 KR 96/12 B]). Die im Mai 2012 vom Kläger erhobene, auf Erstattung von ab 1.4.2007 zu Unrecht gezahlten Beiträgen gerichtete Klage hat das SG mangels Klagebefugnis abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 2.9.2014). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen. Für die nunmehr erhobene Klage auf Feststellung, dass die Heranziehung des Einkommens des Klägers bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge zu unterbleiben hat, fehle es mangels drittschützender Wirkung des § 240 SGB V am Feststellungsinteresse. Im Übrigen sei die Beitragsfestsetzung nicht zu beanstanden (Urteil vom 7.2.2017). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat der Kläger Beschwerde eingelegt.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ). Der Kläger hat entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG den allein geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) nicht hinreichend dargelegt.

Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger misst der "Rechtsfrage einer Zulässigkeit dieser Klage" eine grundsätzliche Bedeutung bei. Damit ist keine Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert worden. Die Bezeichnung einer hinreichend bestimmten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN). Selbst wenn die Frage nach den Voraussetzungen einer "Klagebefugnis" oder eines "Feststellungsinteresses" als aufgeworfen unterstellt und als zulässige Rechtsfrage angesehen würde, wäre jedenfalls die Klärungsbedürftigkeit dieser Frage nicht dargelegt. Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits höchstrichterlich entschieden ist. Eine Auseinandersetzung mit der umfangreichen Rechtsprechung des BSG zur "Klagebefugnis" (vgl nur BSG Urteil vom 8.3.2016 - B 1 KR 19/15 R - BSGE 121, 32 = SozR 4-3250 § 17 Nr 4, RdNr 14 mwN) und zum "Feststellungsinteresse" (vgl nur BSG Urteil vom 2.8.2001 - B 7 AL 18/00 R - SozR 3-1500 § 55 Nr 34 S 55 f = Juris RdNr 11 mwN) fehlt indes.

Auch soweit der Kläger der Frage eine grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob "§ 240 SGB V eine drittschützende Wirkung entfalten soll", ist - unabhängig davon, ob sie lediglich auf einen Subsumtionsvorgang abzielt - die Klärungsbedürftigkeit nicht aufgezeigt worden. Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Nach der Rechtsprechung des BSG bestimmt sich eine Drittbetroffenheit nach dem jeweiligen Rechtsgebiet. Sie liegt vor, wenn der maßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den Individualinteressen des Dritten zu dienen bestimmt ist, während eine Reflexwirkung einer im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm auf Dritte nicht ausreichend ist (vgl BSG Urteil vom 19.12.2001 - B 11 AL 57/01 R - BSGE 89, 119 , 121 = SozR 3-3870 § 2 Nr 2 S 10 f mwN; BSG Urteil vom 14.11.2002 - B 13 RJ 19/01 R - BSGE 90, 127 , 131 = SozR 3-5795 § 10d Nr 1 S 5 mwN). Eine rein wirtschaftliche oder sonstige Betroffenheit genügt nicht ( BSG Urteil vom 12.3.2013 - B 1 A 2/12 R - BSGE 113, 114 = SozR 4-1500 § 54 Nr 33, RdNr 16). Weshalb diese Rechtsprechung keine ausreichenden Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage enthalten soll (vgl BSG Beschluss vom 30.8.2016 -B2U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN), ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen.

Schließlich ist für den Fall, dass aufgrund der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der Beitragsbemessung unter Berücksichtigung des Einkommens des Klägers eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit von Bundesrecht mit höherrangigem Recht unterstellt würde, deren notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt worden. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll ( BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen ( BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN).

Der Kläger macht zwar einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG geltend, setzt sich aber nicht mit dem Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seiner Ausprägung durch das BVerfG auseinander. Soweit er der von der Versicherten repräsentierten Gruppe der Rentenbezieher die Gruppe der erwerbstätigen Versicherten gegenüberstellt, wird nicht dargelegt, inwieweit es sich hierbei um berücksichtigungsfähige Vergleichsgruppen handelt und - wenn ja - worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung sprechenden wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45 S 62).

Unabhängig davon fehlt es auch insoweit an einer Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des BSG , wonach eine Beitragsbemessung nach der Hälfte der Einnahmen des Ehegatten nicht gegen höherrangiges Recht verstößt ( BSG Urteil vom 28.9.2011 - B 12 KR 9/10 R - Juris RdNr 16 ff mwN; vgl auch BSG Urteil vom 24.4.2002 - B 7/1 A 1/00 R - BSGE 89, 213 = SozR 3-2500 § 240 Nr 42).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 07.02.2017 - Vorinstanzaktenzeichen L 20 KR 416/14
Vorinstanz: SG Würzburg, vom 02.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 11 KR 228/12