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BSG - Entscheidung vom 27.03.2017

B 12 KR 104/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 27.03.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 104/16 B

DRsp Nr. 2017/13743

Beiträge zur Krankenversicherung Grundsatzrüge Darlegungsvoraussetzungen bei einem behaupteten Grundrechtsverstoß Auswertung der einschlägigen Rechtsprechung des BVerfG und des BSG

1. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. 2. Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. 3. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. September 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrundeliegenden Rechtsstreit wendet sich die Klägerin als freiwilliges Mitglied der Beklagten gegen die Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Zeit vom 1.11.2011 bis zum 30.6.2012. Sie bezieht neben ihrer gesetzlichen Rente monatliche Rentenzahlungen von der C. in Höhe von 425,35 Euro ab 1.11.2011 und von weiteren 359,79 Euro ab 1.12.2011. Diese Rentenzahlungen legte die Beklagte ihrer Beitragsbemessung zugrunde (Bescheide vom 30.11.2011, 1.12.2011, 6.6.2012 und 30.8.2012; Widerspruchsbescheid vom 5.12.2012). Das SG Mannheim hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 9.3.2016), das LSG Baden-Württemberg hat die Berufung zurückgewiesen. Die privaten Rentenleistungen seien als "Einnahme, die für den Lebensunterhalt verbraucht wird oder verbraucht werden kann" beitragspflichtig. Die Berücksichtigung von Einnahmen aufgrund privater Eigenvorsorge bei der Beitragsbemessung sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des BSG und des BVerfG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Urteil vom 20.9.2016). Gegen die Nichtzulassung der Revision hat die Klägerin Beschwerde eingelegt.

II

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in der angefochtenen Entscheidung des LSG ist als unzulässig zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ). Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1),

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG Beschluss vom 26.1.2005 - B 12 KR 62/04 B - SozR 4-1500 § 160a Nr 6 RdNr 18).

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist (stRspr, vgl nur BSG Beschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll (vgl BSG Beschluss vom 25.10.1978 - 8/3 RK 28/77 - SozR 1500 § 160a Nr 31 S 48). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Beschwerdebegründung erfüllt die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge (vgl hierzu exemplarisch BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN) schon deshalb nicht, weil die Klägerin keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (§ 162 SGG ) mit höherrangigem Recht ( BSG Beschluss vom 23.12.2015 - B 12 KR 51/15 B - Juris RdNr 11 mwN) formuliert hat. Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann ( BSG Beschluss vom 10.9.2014 - B 10 ÜG 3/14 B - Juris RdNr 11 mwN).

Selbst wenn aufgrund der geltend gemachten Verfassungswidrigkeit der Berücksichtigung der von der C. erbrachten Rentenzahlungen bei der Beitragsfestsetzung eine Rechtsfrage zur Vereinbarkeit von Bundesrecht mit höherrangigem Recht unterstellt würde, ist deren über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Bedeutung nicht aufgezeigt worden. Diese liegt dann vor, wenn das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt ist ( BSG Beschluss vom 19.1.1981 - 7 BAr 69/80 - SozR 1500 § 160a Nr 39 S 58), dh wenn sich die Rechtsfrage als solche in der Rechtspraxis in einer Vielzahl von Fällen stellt. Die danach erforderliche "Breitenwirkung" ist indes nicht dargetan.

Schließlich ist auch die notwendige Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend dargelegt worden. Wird die Beschwerde mit einem Grundrechtsverstoß begründet, hat sie unter Einbeziehung der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung - insbesondere des BVerfG, aber auch des BSG - im Einzelnen aufzuzeigen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll ( BSG Beschluss vom 22.8.1975 - 11 BA 8/75 - BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11 S 14; ferner zB BSG Beschluss vom 2.6.2009 - B 12 KR 65/08 B - Juris RdNr 9 mwN). Dazu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verfassungsverletzung dargelegt werden. Die Beschwerdebegründung darf sich im Fall einer aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Frage nicht darauf beschränken, die Verfassungswidrigkeit zu behaupten und die als verletzt angesehenen Normen des Grundgesetzes zu benennen ( BSG Beschluss vom 30.4.2015 - B 10 EG 17/14 B - Juris RdNr 5 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin macht zwar einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG geltend, setzt sich aber nicht mit dem Inhalt des Gleichbehandlungsgrundsatzes und seiner Ausprägung durch das BVerfG auseinander. Soweit sie der von ihr repräsentierten Gruppe der Bezieher von nicht gesetzlichen Rentenzahlungen die Gruppe sowohl der Inhaber von "anderen Anlagearten" als auch der Personen, "die sich die Versicherungen vor Renteneintritt auszahlen lassen", gegenüberstellt, wird nicht dargelegt, inwieweit es sich hierbei um berücksichtigungsfähige Vergleichsgruppen handelt und - wenn ja - worin die für eine Gleich- bzw Ungleichbehandlung sprechenden wesentlichen Sachverhaltsmerkmale bestehen sollen (vgl BVerfG Beschluss vom 8.6.1982 - 2 BvR 1037/81 - SozR 1500 § 160a Nr 45 S 62).

Unabhängig davon fehlt es an einer Auseinandersetzung mit dem Beschluss des BVerfG vom 3.2.1993 ( 1 BvR 1920/92 [Kammer] - SozR 3-2500 § 240 Nr 11). Eine Rechtsfrage ist auch dann als höchstrichterlich geklärt und damit als nicht (mehr) klärungsbedürftig anzusehen, wenn diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden ist, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beantwortung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben ( BSG Beschluss vom 30.8.2016 - B 2 U 40/16 B - SozR 4-1500 § 183 Nr 12 RdNr 7 mwN). Die genannte Entscheidung des BVerfG setzt sich entgegen dem Vorbringen der Klägerin nicht allein mit der "Verbeitragung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen" auseinander. Vielmehr ist es von Verfassungs wegen nicht beanstandet worden, dass bei freiwillig Versicherten wegen des die GKV beherrschenden Solidaritätsprinzips, die Versicherten nach Maßgabe ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu Beiträgen heranzuziehen, "auch Einnahmen aufgrund betriebsfremder privater Eigenvorsorge" im Rahmen der beitragsmäßigen Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden. Die Klägerin hätte daher unter Auswertung dieser Rechtsprechung vortragen müssen, weshalb das BVerfG noch keine einschlägigen Entscheidungen getroffen hat oder durch schon vorliegende Rechtsprechung die für klärungsbedürftig erachtete Frage gleichwohl nicht oder nicht umfassend beantwortet sein soll (vgl BSG Beschluss vom 19.4.2012 - B 2 U 348/11 B - Juris RdNr 29).

Soweit sich die Klägerin zudem auf eine "Verletzung des Eigentumsrechts nach Art 14 GG " beruft, ist schon nicht aufgezeigt worden, inwieweit der Schutzbereich dieses Grundrechts betroffen sein soll (vgl BSG Beschluss vom 9.8.2005 - B 4 RA 17/05 B - Juris RdNr 10).

2. Auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG hat die Klägerin nicht bezeichnet. Auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsprinzip) kann ein Verfahrensmangel gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Mit der Beschwerdebegründung wurde schon nicht aufgezeigt, im Verfahren vor dem LSG einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag gestellt zu haben (stRspr, vgl BSG Beschluss vom 29.3.2007 - B 9a VJ 5/06 B - SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 10 mwN).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 20.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 KR 1548/16
Vorinstanz: SG Mannheim, - Vorinstanzaktenzeichen S 7 KR 175/15