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BSG - Entscheidung vom 25.01.2017

B 6 KA 44/16 B

Normen:
SGB V § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGB V § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9
ÄBedarfsplRL vom 15.02.2007 § 23f S. 6
SGB V § 101 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
SGB V § 92 Abs. 1 S. 2 Nr. 9
ÄBedarfsplRL v. 15.02.2007 § 23f S. 6
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
SGB X § 31
BPL-RL § 23f

BSG, Beschluss vom 25.01.2017 - Aktenzeichen B 6 KA 44/16 B

DRsp Nr. 2017/4932

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Verwaltungsaktsqualität einer Mitteilung der Kassenärztlichen Vereinigung

1. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist. 2. Nur wenn es auf die Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall ankommt, kann von der angestrebten Revisionsentscheidung erwartet werden, dass sie die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern bzw. die Fortbildung des Rechts zu fördern vermag. 3. Deshalb fehlt die Klärungsfähigkeit, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (hier verneint für die Frage, ob es sich bei der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen schriftlichen Mitteilung der für den Vertragsarzt verbindlichen Anpassungsfaktoren durch die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber dem Vertragsarzt auf der Grundlage von § 23f S. 6 BPL-RL um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handelt).

Die Beschwerde der Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 16. März 2016 wird zurückgewiesen.

Die Kläger tragen auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 38 057 Euro festgesetzt.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; SGB X § 31 ; BPL-RL § 23f;

Gründe:

I

Die Kläger waren im Jahr 2004 eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Sie wenden sich gegen eine das Jahr 2004 betreffende Honorarrückforderung wegen Überschreitung der im Zusammenhang mit sog Job-Sharing-Anstellungen festgelegten Abrechnungsobergrenze. Das SG hat den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen mit der Begründung aufgehoben, die Beklagte habe den Klägern mit Schreiben vom 13.4.2004 zu hohe Anpassungsfaktoren für die Ermittlung der Abrechnungsobergrenze verbindlich mitgeteilt. Bei der Mitteilung habe es sich um einen Verwaltungsakt gehandelt. Unter Beachtung der Bindung an die mitgeteilten Anpassungsfaktoren hätten die Kläger die Abrechnungsobergrenze nicht überschritten. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG das Urteil des SG aufgehoben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 13.4.2004 nicht um einen Verwaltungsakt handele.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) geltend.

II

Die Beschwerde der Kläger ist nicht begründet.

1. Die Revisionszulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) setzt eine Rechtsfrage voraus, die in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl BSG SozR 4-1500 § 153 Nr 3 RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 5 RdNr 3). Nur wenn es auf die Rechtsfrage in dem konkreten Rechtsfall ankommt, kann von der angestrebten Revisionsentscheidung erwartet werden, dass sie die Rechtseinheit zu wahren oder zu sichern bzw die Fortbildung des Rechts zu fördern vermag. Deshalb fehlt die Klärungsfähigkeit, wenn eine klärungsbedürftige Rechtsfrage im konkreten Rechtsstreit nicht notwendigerweise beantwortet werden muss, weil die Entscheidung der Vorinstanz mit anderer rechtlicher Begründung bestätigt werden kann (vgl BSG Beschluss vom 3.12.2008 - B 12 R 30/07 B - Juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 9g, mwN).

Die Kläger fragen:

"ob es sich bei der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen schriftlichen Mitteilung der für den Vertragsarzt verbindlichen Anpassungsfaktoren durch die Kassenärztliche Vereinigung gegenüber dem Vertragsarzt auf der Grundlage von § 23f Satz 6 BPL-RL um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handelt."

Diese von den Klägern formulierte Rechtsfrage wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu entscheiden. Damit fehlt es an der erforderlichen Klärungsfähigkeit. Das Schreiben vom 13.4.2004 (Bl 105 SG -Akte), von dessen Qualifizierung als Verwaltungsakt das Ergebnis des Verfahrens nach Auffassung der Kläger abhängen soll, kann nicht - wie in der formulierten Rechtsfrage unterstellt wird - als eine "schriftliche Mitteilung der für den Vertragsarzt verbindlichen Anpassungsfaktoren" auf der Grundlage von § 23f Satz 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie (BedarfsplRL) qualifiziert werden. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Mitteilung als Verwaltungsakt zu qualifizieren wäre. Mit dem Schreiben vom 13.4.2004 wurde den Klägern in erster Linie die Punktzahlobergrenze ihrer Praxis für die vier Quartale des Jahres 2002 mitgeteilt.

Gegen die Annahme der Kläger, dass dem Schreiben eine isolierte Aussage zur Höhe des Anpassungsfaktors entnommen werden könne, spricht bereits die Betreffzeile, mit dem Wortlaut: "Job-Sharing, Hier: Mitteilung über die Anpassung des Gesamtpunktzahlvolumens an die Entwicklung des Fachgruppendurchschnitts". In dem Schreiben erläutert die Beklagte zunächst in allgemeiner Form die Berechnung der Weiterentwicklung des Gesamtpunktzahlvolumens, die Bedeutung des quartalsbezogenen Anpassungsfaktors für diese Berechnung und die Berechnung des Anpassungsfaktors. Weiter heißt es: "Die für Ihre Praxis aktuell ermittelten neuen Gesamtpunktzahlvolumina inklusive Erläuterung sind den beigefügten Anlagen zu entnehmen". Diese Formulierung spricht gegen einen Bindungswillen der Beklagte bezogen auf die Höhe des Anpassungsfaktors und für eine Festlegung allein zur Höhe der Gesamtpunktzahlvolumina für das Jahr 2002. In der dem Schreiben beigefügten "Anlage zum Job-Sharing" wird zunächst die Berechnung des Anpassungsfaktors und daran anschließend die daraus folgende Berechnung der Punktzahlobergrenze bezogen auf die klägerische Praxis dargestellt. Dabei wird - worüber zwischen den Beteiligten Einigkeit besteht - sowohl der Berechnung des Anpassungsfaktors als auch der Berechnung der Punktzahlobergrenze fehlerhaft der Fachgruppendurchschnitt von zwei Hausärzten zugrunde gelegt, obwohl der klägerischen BAG vor der Aufnahme der JobSharing-Partner ein hausärztlich und ein fachärztlich tätiger Internist angehörten. Auf der Grundlage des dadurch zu niedrig angesetzten Fachgruppendurchschnitts errechnet sich auf der einen Seite ein zu hoher Anpassungsfaktor und auf der anderen Seite führt derselbe Fehler zu einer zu niedrigen Angabe der Punktzahlobergrenze der Praxis. Eine isolierte, von der Punktzahlobergrenze der Praxis für das Jahr 2002 zu trennende Festlegung des Anpassungsfaktors ist dem Schreiben damit nicht zu entnehmen. Wenn unterstellt würde, dass es sich bei dem Schreiben um einen Bescheid handeln würde, würde für diesen das Gleiche gelten. Ein Vertrauen hätte sich unter diesen Umständen nur hinsichtlich der Höhe der Punktzahlobergrenze insgesamt bilden können, die jedoch rechtswidrig zu niedrig festgelegt wurde. Durch die spätere Korrektur dieses Fehlers bei der Festlegung der Punktzahlobergrenze der Praxis für das Jahr 2004 kann Vertrauen der Kläger nicht verletzt worden sein.

Da im bisherigen Verfahren die Frage im Mittelpunkt gestanden hatte, ob das Schreiben der Beklagten vom 13.4.2004 als Verwaltungsakt anzusehen ist, hat der Senat den Klägern dazu - zur Wahrung des rechtliche Gehörs (Art 103 Abs 1 GG , § 62 SGG ) - im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Auch unter Berücksichtigung ihres ergänzenden Vorbringens geht der Senat jedoch davon aus, dass es für die Entscheidung in dem von den Klägern angestrebten Revisionsverfahren aus den genannten Gründen nicht auf die Frage der Qualifizierung des Schreibens vom 13.4.2004 als Verwaltungsakt ankommt. Die Angabe der Kläger, dass § 23f BedarfsplRL (aF) nach seinem Wortlaut eine Mitteilung der für den Vertragsarzt verbindlichen Anpassungsfaktoren durch die KÄV und nicht die Mitteilung der Punktzahlobergrenze der Praxis fordere, trifft zu. Dass die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Klägern zu diesem Berechnungsfaktor einen gesonderten Bescheid zu erteilen, kann daraus indes nicht unmittelbar gefolgert werden und darauf kommt es hier auch nicht an. Wenn die Kläger sich auf ein durch das Schreiben vom 13.4.2004 begründetes Vertrauen berufen möchten, ist entscheidend, welche Aussage dem Schreiben nach seinem Inhalt tatsächlich zu entnehmen ist. Eine gesonderte Mitteilung zur Höhe des Anpassungsfaktors hat die Beklagte den Klägern mit diesem Schreiben danach gerade nicht zukommen lassen.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm §§ 154 ff VwGO . Danach haben die Kläger auch die Kosten des von ihnen ohne Erfolg durchgeführten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO ).

3. Die Festsetzung des Streitwerts entspricht der - gerundeten - streitgegenständlichen Honorarrückforderung der Beklagten (§ 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 und 3 Satz 1, § 47 Abs 1 und 3 GKG ). In dieser Höhe haben auch die Vorinstanzen den Streitwert festgesetzt, ohne dass dies von einem der Beteiligten in Frage gestellt worden wäre.

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 16.03.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KA 3957/12
Vorinstanz: SG Stuttgart, vom 09.08.2012 - Vorinstanzaktenzeichen S 5 KA 4834/09