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BSG - Entscheidung vom 15.05.2017

B 9 SB 52/16 B

Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGG § 160a Abs. 2 S. 3
VersMedV § 2
VersMedV Anlage Teil B Nr. 10.2.2

BSG, Beschluss vom 15.05.2017 - Aktenzeichen B 9 SB 52/16 B

DRsp Nr. 2017/13788

Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde im sozialgerichtlichen Verfahren Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache Verfassungsmäßigkeit der Versorgungsmedizinischen Grundsätze im Hinblick auf den gleichen GdB für Kinder und Erwachsene bei Zöliakie und Glutenunverträglichkeit

1. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Klärungsbedarf ist u.a. dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist oder wenn sich für die Antwort in höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben. 3. Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll. 4. Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 4. Juli 2016 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Normenkette:

GG Art. 3 Abs. 1 ; SGB IX § 69 Abs. 1 S. 1; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGG § 160a Abs. 2 S. 3; VersMedV § 2 ; VersMedV Anlage Teil B Nr. 10 .2.2;

Gründe:

I

In der Hauptsache begehrt die am 10.8.2009 geborene Klägerin wegen der bei ihr bestehenden Zöliakie die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von mehr als 20. Die beklagte Stadt lehnte die Höherbewertung ab (Bescheid vom 8.9.2014; Widerspruchsbescheid vom 16.12.2014). Das SG hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ua ausgeführt, nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Z. sei die Zöliakie unter diätetischer Therapie ohne wesentliche Folgeerscheinungen. Hierfür sähen die Versorgungsmedizinischen Grundsätze der Anlage zu § 2 VersMedV (AnlVersMedV) einheitlich einen GdB von 20 vor (Urteil vom 16.11.2015). Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen und ergänzend auf die gebotene Gleichbehandlung verwiesen (Urteil vom 4.7.2016).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und macht den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung geltend.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Die Klägerin hat keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) dargetan. Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).

Die Klägerin wirft zwar die Frage auf, inwieweit die Versorgungsmedizinischen Grundsätze Teil B Nr 10.2.2 mit dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art 3 GG ) vereinbar sind, insoweit sie anordnen, den GdB bei Zöliakie und Glutenunverträglichkeit von Kindern und Erwachsenen gleich zu behandeln. Die Beschwerdebegründung zeigt allerdings den Klärungsbedarf nicht auf. Dieser ist ua dann nicht gegeben, wenn die Rechtsfrage bereits höchstrichterlich beantwortet ist ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 51; BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 und 65 ) oder wenn sich für die Antwort in höchstrichterlichen Entscheidungen bereits ausreichende Anhaltspunkte ergeben ( BSG SozR 3-1500 § 146 Nr 2 und § 160 Nr 8). Wer sich auf die Verfassungswidrigkeit einer Regelung beruft, darf sich nicht auf die Benennung angeblich verletzter Rechtsgrundsätze beschränken, sondern muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG und des BSG darlegen, woraus sich im konkreten Fall die Verfassungswidrigkeit ergeben soll (vgl zB BSGE 40, 158 = SozR 1500 § 160a Nr 11; BSG Beschlüsse vom 4.4.2006 - B 12 RA 16/05 B - Juris und vom 16.2.2009 - B 1 KR 87/08 B - Juris). Hierzu müssen der Bedeutungsgehalt der in Frage stehenden einfachgesetzlichen Normen aufgezeigt, die Sachgründe ihrer jeweiligen Ausgestaltung erörtert und die Verletzung der konkreten Regelung des GG dargelegt werden. Diesen Anforderungen entspricht die Beschwerdebegründung nicht.

Sie berücksichtigt schon nicht, dass der Normgeber der AnlVersMedV Differenzierungen im Kontext der Hilflosigkeit (Teil A Nr 5 Buchst d Doppelbuchst ss) - worauf die Beklagte zu Recht hinweist - durchaus im Blickfeld hat. Hiervon ausgehend hätte sich die Beschwerdebegründung umso mehr damit beschäftigen müssen, dass die AnlVersMedV ua Grundsätze für die medizinische Bewertung des maßgeblich an den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ausgerichteten (vgl § 69 Abs 1 S 4 SGB IX ; vgl hierzu ua BSG Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - mwN - Juris) GdB regeln (jetzt § 70 Abs 2 SGB IX ). Hiervon ausgehend hätte sie schlüssig aufzeigen müssen, wieso die von ihr geltend gemachte Abhängigkeit eines (mindestens bis zum Abschluss der 2. Klasse) leseunkundigen Kindes von seinen Eltern bei der Wahl seiner Nahrungsmittel ein verfassungsrechtlich gebotenes Differenzierungskriterium gerade bei der Bewertung der Zöliakie darstellt, die einheitliche Bewertung nach den Folgeerscheinungen unter diätetischer Therapie gemessen am Regelungszweck also insoweit kein sachlicher Grund sein könnte. Die bloße Behauptung des Fehlens eines vernünftigen Grundes ersetzt die Darlegung des Klärungsbedarfs nicht. Dass die Klägerin die Vorgaben zur Bewertung des GdB bei Zöliakie für falsch hält, weil sie bei ihr nach den mit zulässigen Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG ) nicht vorliegen, begründet keinen Zulassungsgrund ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Nordrhein-Westfalen, vom 04.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 13 SB 442/15
Vorinstanz: SG Detmold, vom 16.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 10 SB 31/15