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BSG - Entscheidung vom 21.09.2017

B 12 KR 40/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13

BSG, Beschluss vom 21.09.2017 - Aktenzeichen B 12 KR 40/16 B

DRsp Nr. 2018/2560

Befreiung von der Versicherungspflicht Grundsatzrüge Kein Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung von Mitteln aus dem Beitragsaufkommen Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen Risikostrukturausgleich auf der Grundlage eines Versichertenklassifikationsmodells nach Morbiditätsgruppen

1. Ein Beitragszahler in der Sozialversicherung kann aus seinen Grundrechten grundsätzlich keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung von Mitteln aus dem Beitragsaufkommen herleiten und allenfalls geltend machen, der Gesetzgeber habe insoweit äußerste verfassungsrechtliche Grenzen überschritten. 2. Im Übrigen hat das BVerfG bereits entschieden, dass die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das Leben den Gesetzgeber nicht hindert, Leistungen der sozialen Krankenversicherung bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft vorzusehen. 3. Darüber hinaus hat das BSG bereits mehrfach auf Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V erkannt, ohne Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem GG zu äußern. 4. Auch die gesetzlichen Regelungen über den Risikostrukturausgleich auf der Grundlage eines Versichertenklassifikationsmodells nach Morbiditätsgruppen hat das BSG bereits für verfassungsgemäß erklärt.

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 6. August 2015 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im vorbezeichneten Beschluss wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB V § 5 Abs. 1 Nr. 13 ;

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten in dem dem Antrag auf Prozesskostenhilfe (PKH) und der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg vom 6.8.2015 zu Grunde liegenden Rechtsstreit um die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V und die von der Beklagten festgesetzten Krankenversicherungsbeiträge. Sie streiten insbesondere darüber, ob die Klägerin von der Krankenversicherungspflicht aus Gewissensgründen zu befreien (freizustellen) ist.

II

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist abzulehnen. Nach § 73a SGG iVm §§ 114 ff ZPO kann einem Beteiligten für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Hieran fehlt es.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ), wenn das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Solche Gründe werden in der mit Schriftsätzen vom 14.4.2016 (nebst Anlagen), 10.7. und 11.7.2017 unterbreiteten Beschwerdebegründung nicht in der gebotenen Weise dargelegt bzw bezeichnet.

2. Die Beschwerde ist unzulässig. Sie genügt nicht den Begründungserfordernissen des § 160a Abs 2 S 3 SGG und ist deshalb in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen.

In ihrer Beschwerdebegründung mit Schriftsätzen vom 14.4.2016, 10.7. und 11.7.2017 stützt sich die Klägerin auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ; dazu a.) und das Vorliegen von Mängeln des Berufungsverfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ; dazu b.).

a. Die Klägerin wirft zunächst die Frage auf,

"ob Art. 4 Abs. 1 GG über den Katalog des § 8 SGB V hinaus eine Befreiung von der Versicherungspflicht erlaubt."

Zur Erläuterung verweist sie ua darauf, dass sie ihre Gewissensfreiheit durch den Zwang zur Beitragszahlung schwer verletzt sehe, weil mit ihren Beiträgen Schwangerschaftsabbrüche und im Zusammenhang mit künstlicher Befruchtung die Tötung unerwünschter Mehrlinge im Mutterleib durchgeführt werden könnten. Sie nimmt hierbei - ohne weitere (zusätzliche) Erläuterungen - Bezug auf eine Begründung, die sie einer früheren, als unzulässig beurteilten Nichtzulassungsbeschwerde (B 12 KR 95/15 B) seinerzeit - unter dem 8.10.2015 - beigefügt hatte.

Mit diesem Vortrag genügt die Klägerin den an die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) zu stellenden Anforderungen nicht. Hierbei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass ein Beitragszahler in der Sozialversicherung aus seinen Grundrechten grundsätzlich keinen Anspruch auf generelle Unterlassung einer bestimmten Verwendung von Mitteln aus dem Beitragsaufkommen herleiten und allenfalls geltend machen kann, der Gesetzgeber habe insoweit äußerste verfassungsrechtliche Grenzen überschritten (vgl BSGE 110, 130 = SozR 4-4200 § 46 Nr 2, Leitsatz 2 und RdNr 14 ff mwN). Im Übrigen hat das BVerfG bereits entschieden, dass die verfassungsrechtliche Schutzpflicht für das Leben den Gesetzgeber nicht hindert, Leistungen der sozialen Krankenversicherung bei einem nicht rechtswidrigen Abbruch der Schwangerschaft vorzusehen (BVerfG 88, 203, 325 ff). Darüber hinaus hat das BSG bereits mehrfach auf Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V erkannt, ohne Zweifel an deren Vereinbarkeit mit dem GG zu äußern (vgl BSGE 107, 177 = SozR 4-2500 § 5 Nr 13; auch BSGE 119, 257 = SozR 4-2500 § 240 Nr 27). Auch die gesetzlichen Regelungen über den Risikostrukturausgleich auf der Grundlage eines Versichertenklassifikationsmodells nach Morbiditätsgruppen hat das BSG bereits für verfassungsgemäß erklärt (BSGE 120, 289 = SozR 4-2500 § 268 Nr 1). Mit dem Prüfungsmaßstab des Art 4 Abs 1 GG setzt sich die Klägerin darüber hinaus nicht (hinreichend) auseinander.

b. Auch einen entscheidungserheblichen Mangel des Berufungsverfahrens (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) bezeichnet die Klägerin nicht in der gebotenen Weise. Soweit sie in ihrem Schreiben vom 14.4.2016 zur Begründung allein darauf verweist, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Gerichte verfahrensfehlerhaft die Reichweite der Art 4 GG und Art 2 Abs 1 GG nicht gesehen oder verkannt und ihren Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) verletzt hätten, werden Verfahrensmängel nicht hinreichend bezeichnet.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 06.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 21/15
Vorinstanz: SG Berlin, vom 26.11.2014 - Vorinstanzaktenzeichen S 143 KR 1377/14