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BSG - Entscheidung vom 21.03.2017

B 11 AL 1/17 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1
SGB III a.F. § 120 Abs. 2 S. 1

BSG, Beschluss vom 21.03.2017 - Aktenzeichen B 11 AL 1/17 B

DRsp Nr. 2017/10761

Arbeitslosengeld Grundsatzrüge Genügen der Darlegungspflicht Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F.

1. Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. 2. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. 3. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung. 4. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist die Rechtsfrage nach den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung nach § 120 Abs. 2 S. 1 SGB III a.F. schon geklärt.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 2. November 2016 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und ihm Rechtsanwalt E, D, beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ; SGB III a.F. § 120 Abs. 2 S. 1;

Gründe:

I

Streitig ist, ob der Kläger als Student der Zahnmedizin Anspruch auf Alg ab 1.3.2012 hat.

Der Kläger war seit dem Wintersemester 2008 als Student der Zahnmedizin immatrikuliert und während seines Studiums vom 1.3.2010 bis 29.2.2012 als Behindertenassistent/Pflegehelfer beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete zum 29.2.2012. Ein sich anschließendes Arbeitsgerichtsverfahren endete mit einem Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis zum 30.4.2012 geendet habe.

Der Kläger meldete sich bei der Beklagten zum 1.3.2012 arbeitslos und beantragte Alg. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Vermutung gelte, dass er neben dem Studium der Zahnmedizin keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausüben könne (Bescheid vom 26.3.2012, Widerspruchsbescheid vom 3.4.2012). Nach einer Reha-Maßnahme ab 19.7.2012 in der Strandklinik P beantragte der Kläger erneut Alg, was die Beklagte wiederum ablehnte (Bescheid vom 5.11.2012, Widerspruchsbescheid vom 15.11.2012).

Gegen beide Entscheidungen hat der Kläger beim SG Darmstadt Klage erhoben. Das SG hat die beiden Verfahren verbunden und die Klagen abgewiesen (Urteil vom 5.11.2015). Die dagegen eingelegte Berufung hat das Hessische LSG zurückgewiesen (Beschluss vom 2.11.2016).

Mit der Beschwerde macht der Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend. Ohne eine konkrete Rechtsfrage zu formulieren weist er darauf hin, die Kriterien zur Widerlegung der Vermutung in § 120 Abs 2 S 2 SGB III aF (jetzt: § 139 Abs 2 S 2 SGB III ), die das BSG entwickelt habe, seien - auch in Anbetracht der Beitragspflicht einer dauerhaft neben dem Studium ausgeübten Beschäftigung - nicht mehr zeitgemäß. Die Mehrheit der Studenten sei neben dem Studium erwerbstätig und führe für die Erwerbstätigkeit teilweise auch Beiträge zur Sozialversicherung ab. Insoweit sei der Verweis, der Kläger könne mitten im Studium nicht versicherungspflichtig beschäftigt sein, durch die tatsächlichen Gegebenheiten im Einzelfall - aber auch generell - widerlegt. Der Kläger stellt zugleich den Antrag, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde PKH unter Beiordnung von Rechtsanwalt E zu bewilligen.

II

1. Der Antrag auf Bewilligung von PKH und Beiordnung von Rechtsanwalt E ist abzulehnen.

Der Antrag auf PKH ist nicht form- und fristgerecht gestellt, denn der Kläger hat innerhalb der Beschwerdefrist zwar PKH beantragt, er hat aber nicht die nach § 117 Abs 2 bis 4 ZPO auf einem Formvordruck abzugebende Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Da es an der Vorlage der Erklärung fehlt, ist der Antrag auf Bewilligung von PKH abzulehnen (§ 118 Abs 2 S 4 ZPO ). Damit erledigt sich zugleich der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, da der geltend gemachte Zulassungsgrund nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Ein Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts sowie unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung und des Schrifttums angeben, welche Rechtsfragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss der Beschwerdeführer mithin Folgendes aufzeigen: (1) eine konkrete Rechtsfrage, (2) ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, (3) ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie (4) die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung, also eine Breitenwirkung ( BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 59, 65). Diesen Anforderungen genügt die vorliegende Beschwerdebegründung nicht.

Der Kläger deutet zwar Rechtsprobleme bei der Auslegung und Anwendung des § 120 Abs 2 S 2 SGB III aF an und zeigt auch auf, dass die angesprochenen Probleme über den Einzelfall hinaus Bedeutung erlangen können. Er legt aber die Klärungsbedürftigkeit nicht in der gebotenen Weise dar. Insoweit setzt er sich zwar mit Rechtsprechung des Beitragssenats und teilweise auch derjenigen der für Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG auseinander. Er macht aber nicht hinreichend deutlich, dass die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung schon geklärte Rechtsfrage nach den Voraussetzungen für die Widerlegung der Vermutung nach § 120 Abs 2 S 1 SGB III aF erneut klärungsbedürftig geworden sein könnte. Um dies aufzuzeigen hätte er nicht nur zwei Entscheidungen des BSG herausgreifen dürfen, sondern er hätte sich umfassend, auch mit der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl auch BSG 15.1.2009 - B 11 AL 111/08 B) auseinandersetzen müssen. Hieran fehlt es.

Auch die Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Problematik wird nicht näher dargelegt. Es wird nicht dargetan, dass beim Kläger die weiteren Voraussetzungen für die Bewilligung von Alg erfüllt gewesen sind (§§ 117 f SGB III aF).

Die nicht formgerecht begründete Beschwerde war daher nach § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter als unzulässig zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 02.11.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 7 AL 31/16
Vorinstanz: SG Darmstadt, - Vorinstanzaktenzeichen S 11 AL 143/12