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BGH - Entscheidung vom 30.05.2017

AnwZ (Brfg) 16/17

Normen:
BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7
BRAO § 112e S. 2
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 30.05.2017 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 16/17

DRsp Nr. 2017/8481

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls; Eintragungen in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis; Vermutungen des Vermögensverfalls; Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden

1. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten. Ist der Rechtsanwalt in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen, wird der Vermögensverfall vermutet. Die Vermutung gilt dann nicht, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war2. Entscheidend ist allein der Zeitpunkt des Widerrufsbescheids. Die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten.3. Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 2. Senats des Hessischen Anwaltsgerichtshofs vom 5. Dezember 2016 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7 ; BRAO § 112e S. 2; VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 1996 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 22. Juni 2016 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ). Die hiergegen gerichtete Klage des Klägers hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt nunmehr die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt in der Sache jedoch ohne Erfolg.

1. Ernsthafte Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) bestehen nicht. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, [...] Rn. 3 mwN). Daran fehlt es hier. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats.

a) Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind Schuldtitel und Vollstreckungsmaßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten (BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 2010 - AnwZ (B) 119/09, [...] Rn. 12; vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 4 und vom 20. Dezember 2013 - AnwZ (Brfg) 40/13, [...] Rn. 4). Ist der Rechtsanwalt in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis gemäß § 882b ZPO eingetragen, wird der Vermögensverfall vermutet. Maßgeblich ist allein der Zeitpunkt des Widerrufsbescheids, vorliegend also der 22. Juni 2016; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.).

b) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 22. Juni 2016 in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 882b ZPO ) vier den Kläger betreffende Eintragungen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ).

aa) Die Vermutung gilt zwar nicht, wenn der Rechtsanwalt nachweist, dass die der Eintragung zugrunde liegende Forderung im maßgeblichen Zeitpunkt bereits getilgt war (vgl. Senatsbeschluss vom 25. August 2016 - AnwZ (Brfg) 30/16, [...] Rn. 6 mwN).

bb) Diese Voraussetzung ist aber hier nicht gegeben. Der Kläger behauptet lediglich, dass die im Widerrufsbescheid genannten Schulden "bereinigt sind". Er führt weder ansatzweise den Nachweis, dass dies tatsächlich der Fall ist noch behauptet er, dass eine Schuldentilgung bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids erfolgt war. Der Anregung des Klägers, das Ruhen des Verfahrens bis zum 30. Juni 2017 entsprechend § 251 ZPO anzuordnen (vgl. BGH, Beschluss vom 15. September 2008 - AnwZ (B) 8/08, [...]), um durch Vorlage von Unterlagen den Wegfall des Vermögensverfalls dadurch belegen zu können, dass er die den Widerruf der Rechtsanwaltszulassung zugrunde liegenden Forderungen "tatsächlich zwischenzeitlich beglichen" habe, ist, weil es nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) hierbei auf den Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung ankommt, nicht nachzukommen.

cc) Mit dem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ist nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 AnwZ (Brfg) 53/16, [...] Rn. 15 f. mwN). Tragfähige Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Allein die Behauptung des Klägers, dass er 21 Jahre ohne konkrete Gefährdung von Fremdgeldern als Rechtsanwalt tätig gewesen ist, reicht hierfür nicht aus.

2. Der Kläger hat auch keinen Verfahrensfehler dargelegt, auf dem die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ).

Soweit er beanstandet, dass die Beklagte die Widerrufsentscheidung bereits am 22. Juni 2016 getroffen habe, obwohl er einen Antrag auf Fristverlängerung gestellt habe, um in der Sache weiter vortragen zu können, liegt ein Verstoß gegen die Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) nicht vor. Denn die Beklagte hat nach mehrfacher Fristverlängerung erst zu einem Zeitpunkt entschieden, nachdem die zuletzt bewilligte Frist abgelaufen war. Der erneute Antrag des Klägers auf Fristverlängerung wurde erst nach Erlass des Widerrufbescheids vom 22. Juni 2016 mit Schreiben vom 21. Juli 2016 gestellt.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Hessen, vom 05.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 2 AGH 5/16