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BGH - Entscheidung vom 14.06.2017

AK 26/17

Normen:
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - Aktenzeichen AK 26/17

DRsp Nr. 2017/9730

Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus; Unterstützung der ausländischen terroristischen Vereinigung "Ahrar al-Sham" durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Beschuldigte wurde am 22. November 2016 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 ( 5 BGs 367/16) festgenommen. Er befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Beschuldigte habe in der Zeit von 2011 bis Dezember 2014 die außereuropäische terroristische Vereinigung "Ahrar al-Sham" durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten, Ferngläsern und Zielfernrohren unterstützt.

Auf die mündliche Haftprüfung am 21. Februar 2017 hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs mit Beschluss vom 23. Februar 2017 ( 5 BGs 68/17) den Haftbefehl aufrechterhalten und den weiteren Vollzug angeordnet. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beschuldigten hat der Senat mit Beschluss vom 6. April 2017 ( StB 6/17) verworfen.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 ( 5 BGs 143/17) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs den Haftbefehl dahin abgeändert, dass der Beschuldigte im Tatkomplex 2 nicht der Lieferung von vier Zielfernrohren, sondern von vier Ferngläsern der Marke Carl Zeiss im Zeitraum von Juli bis September 2013 und im Tatkomplex 6 nicht der Lieferung von zwei Fernrohren und weiteren Gegenständen, sondern von zwei Ferngläsern und weiteren Gegenständen dringend verdächtig ist.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs in Verbindung mit dessen Beschluss vom 18. Mai 2017 vorgeworfenen Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Die Vereinigung Ahrar al-Sham

(1) Die Ahrar al-Sham ist aus den im Jahr 2011 gegründeten "Kata'ib Ahrar al-Sham" ("Brigaden der Freien von Großsyrien") hervorgegangen, die sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis "Al-Jabha al-Islamiya as-Suriya" ("Syrisch-Islamische Front") anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war Ziel der Organisation der Sturz des Assad-Regimes; mit militärischen und zivilen Mitteln sollte eine islamische Gesellschaft entstehen, die gemäß den Regeln der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde bezeichnet, in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont werden.

Ende Januar 2013 schlossen sich die "Kata'ib Ahrar al-Sham" mit drei anderen Gruppierungen zur Ahrar al-Sham zusammen. In dem dazu veröffentlichten Video mit dem Titel "Gründungserklärung der Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiya" wurde nunmehr eine streng islamische Ausrichtung der Organisation betont. Ende November 2013 löste sich die "Syrisch-Islamische Front" auf und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen Bündnisses mit dem Namen "Islamische Front" bekannt, als dessen Ziele der Sturz des Assad-Regimes und die Gründung eines "rechtgeleiteten islamischen Staates" unter der Geltung der Sharia in ihrer radikal-islamistischen Ausrichtung benannt wurden. Die Ahrar al-Sham wurde in der Erklärung als Gründungsmitglied bezeichnet; sie blieb als eigenständige Vereinigung innerhalb des Bündnisses gleichwohl bestehen.

(2) Ziel der Ahrar al-Sham ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des Assad-Regimes. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nunmehr eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem Gesetz der Sharia als weitere Ziele definiert. Korrespondierend mit den teilweise engen Bindungen der Ahrar al-Sham zu etwa der Jabhat al-Nusra und zum Teil auch dem Al-Qaida-Netzwerk sind die Ziele der Ahrar al-Sham von denen dieser jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzeptiert die Ahrar al-Sham die derzeitigen Grenzen des syrischen Staates nicht und beabsichtigt dementsprechend, den islamischen Staat, dessen Errichtung sie anstrebt, über die Grenzen des heutigen Syriens hinaus auszudehnen. Eine politische Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab, der bewaffnete Kampf wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaffenden Staates soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein, Säkularismus und Demokratie sieht die Ahrar al-Sham als Übel an, die in ihrem Staat keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der Al-Qaida, einen transnationalen islamischen Staat zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die Auffassung vertritt, dass bei der Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von Nöten seien.

(3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die Ahrar al-Sham mit 10.000 bis 20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des syrischen Aufstands. Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel und Einsatztaktiken ein. Selbstmordattentate lehnt sie zwar ab, arbeitete aber bei Operationen mit der Jabhat al-Nusra zusammen, deren Kämpfer dabei Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem Jahr 2012 war sie bzw. ihre Vorgängerorganisation - häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen der späteren Islamischen Front - an fast allen wichtigen Operationen der syrischen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der Stadt Aleppo im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt Raqqa im März 2013, in Zusammenarbeit mit der Jabhat al-Nusra, dem "Islamischen Staat im Irak und Syrien" und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013 an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der Provinz Latakia, bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo, an dem wiederum auch die Jabhat al-Nusra und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 2015 besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der Jabhat al-Nusra.

(4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politischer Führer Hassan Abboud, der im Juni 2013 in einem Interview mit dem Nachrichtensender Al-Jazeera an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur Ahrar al-Sham und ihren Zielen äußerte. Nachdem Abboud mit anderen Führungspersönlichkeiten der Vereinigung am 9. September 2014 getötet worden war, setzte der Shura-Rat der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod mit Hashim al Sheikh (Kampfname: Abu Dschabir) einen Nachfolger für ihn ein und mit Abu Salih Tahhan den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisherigen Militärverantwortlichen Abu Talha. Seit September 2015 führt Abu Yahia alHamawi (alias Mohannad al-Masri) die Ahrar al-Sham. Die zentrale Führung der Ahrar al-Sham besteht aus einem Shura-Rat sowie Büros für Militär, Religion, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie Bekenner- und Propagandavideos werden sowohl über soziale Netzwerke, als auch über die eigene Internetpräsenz verbreitet. Als weitere Führungsebene fungieren die Anführer in den einzelnen syrischen Provinzen. Die Mitglieder der Vereinigung stammen überwiegend aus Syrien, in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampfeinheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der syrischen Armee bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Befehlsstrukturen; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch die nachgeordneten Teile umgesetzt.

bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten

Der Beschuldigte unterstützte die Ahrar al-Sham in Kenntnis der Ziele und Methoden der Organisation in der Zeit von 2011 bis Dezember 2014 durch mindestens sieben Lieferungen von technischen Geräten und Ferngläsern wie folgt:

(1) Zwischen dem Jahr 2011 und dem 21. Mai 2013 erwarb der Beschuldigte bei der Firma T. zwei Funkscanner des Typs IC-R20 ICOM im Wert von 800 €, die er an Vertreter der Ahrar al-Sham in Syrien lieferte.

(2) Im Zeitraum von Juli bis September 2013 lieferte der Beschuldigte vier Ferngäser der Marke Carl Zeiss nach Syrien zur Ahrar al-Sham.

(3) Zwischen dem 28. Juli 2013 und dem 7. August 2013 transportierte der gesondert verfolgte S. zwei Ferngläser und ein nicht näher bezeichnetes optisches Gerät des Unternehmens C. sowie 1.000 € Bargeld nach Syrien zu " O. " als Vertreter der Ahrar al-Sham, nachdem der Beschuldigte die erforderlichen Kontakte zu Mitgliedern dieser Vereinigung hergestellt hatte.

(4) Am 12. Dezember 2013 übergab der Beschuldigte dem gesondert Verfolgten S. zwei Ferngläser, eine quadratische Antenne mit Kabel, zwei Router, einen Laptop sowie Antennen, die dieser nach den Vorgaben des Beschuldigten mit einem Krankenwagen zum Büro der Ahrar al-Sham an einem türkisch-syrischen Grenzübergang transportieren ließ, wo die Geräte am 20. Dezember 2013 eintrafen.

(5) Im Januar und Februar 2014 finanzierte der Beschuldigte im Zusammenwirken mit dem gesondert verfolgten H. den Ankauf von fünf Funkscannern im Gesamtwert von 2.000 € bei der Firma T. , die im Frühjahr 2014 unter Beteiligung des S. nach Syrien zur Ahrar al-Sham transportiert wurden.

(6) Im April 2014 veranlasste der Beschuldigte die Lieferung von zwei Ferngläsern nebst Trägern, weiteren zwei Ferngläsern, mehreren Routern und weiteren technischen Geräten u.a. für den Aufbau einer SatellitenInternetverbindung an drei Führungspersonen der Ahrar al-Sham.

(7) Im November 2014 beschaffte der Beschuldigte zehn Ferngläser und bewirkte gemeinsam mit den gesondert verfolgten Sa. und S. deren Lieferung sowie eines Leistungsmessers nach Syrien zur Ahrar al-Sham, wo die Geräte im Dezember 2014 eintrafen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 31. Oktober 2016 und seinen Beschluss vom 18. Mai 2017 Bezug genommen.

b) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung Ahrar al-Sham betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation. Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vom 19. Februar 2015 und vom 21. März 2016 (vorläufige SA Bd. 1, Fach "Struktur der Ahrar al-Sham") und den Auswertebericht des Bundeskriminalamts vom 1. November 2015 (vorläufige SA Bd. 1, Fach "Struktur der Ahrar al-Sham").

Betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten ergibt sich der dringende Tatverdacht aus der Auswertung der durch das Bundesamt für Verfassungsschutz zur Verfügung gestellten Audio-Files aus vorangegangenen Maßnahmen nach dem Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (vorläufige SA Bde. 3 bis 5, Inhalte aus G-10-Maßnahmen; Zusammenfassender Bericht des Bayerischen Landeskriminalamts vom 18. Juni 2015, vorläufige SA Bd. 1 Fach Verfahrensgang) sowie den bei dem Beschuldigten und bei Mitbeschuldigten sichergestellten Datenträgern und Notizen, deren Auswertung andauert. Weitere belastende Hinweise ergeben sich aus den Angaben der Mitbeschuldigten H. (Vernehmung vom 22. November 2016, vorläufige SA Bd. 2 Fach Vernehmungen), der lediglich Hilfslieferungen nach Syrien organisiert haben will, und S. (richterliche Vernehmung vom 23. November 2016, vorläufige SA Bd. 2 Fach Vernehmungen), der sich zum Vorwurf der Lieferung von Funkscannern dahin eingelassen hat, dass der Beschuldigte A. damit die Kommunikation von Krankenwagen untereinander ermöglichen wollte. Dieser Verwendungszweck liegt indes schon deshalb fern, weil die Geräte nach Angaben des Zeugen Th. (Vernehmung vom 10. März 2017, vorläufige SA Bd. 6, Bl. 73-74) allein zum Empfang, nicht aber zum Senden geeignet sind. Der Mitbeschuldigte Ha. hat in seiner richterlichen Vernehmung am 22. November 2016 (vorläufige SA Bd. 2, Bl. 207-209) eingeräumt, vier von ihm zunächst über das Internet bezogene Ferngläser an den Beschuldigten A. verkauft zu haben, will aber über den Zielort Syrien hinaus nicht gewusst haben, wer der Empfänger habe sein sollen; er habe geglaubt, die Ferngläser seien für die Krankenversorgung bestimmt.

Aus den Auswertungen der beim Beschuldigten sichergestellten Gegenstände ergeben sich weitere belastende Hinweise: So wurden auf seinem Mobiltelefon Verbindungen mit weiteren Beschuldigten erkennbar; auf handschriftlichen Notizen wurden Auflistungen der Ausgaben für Tages- und Nachtferngläser sowie Zahlungen der mutmaßlichen Empfänger festgestellt und neben dem Namen eines Empfängers bei der Ahrar al-Sham fand sich das Wort "Scharfschützenfernglas". Hinsichtlich der weiteren Beschuldigten S. und H. ergaben sich aus der Asservatenauswertung Hinweise auf zahlreiche Transporte von Ausrüstungsgegenständen nach Syrien, die teilweise unter falschem Namen beschafft wurden.

2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der Beschuldigte in sieben Fällen wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 5 Satz 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht hat.

a) Die Gruppierung Ahrar al-Sham stellt sich nach den vorliegenden Erkenntnissen dar als auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen, mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB (st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54, 216 , 221 mwN). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und Totschlag (§§ 211 , 212 StGB ) zu begehen, wobei die Opfer nicht nur Soldaten des von ihr bekämpften Assad-Regimes sind, sondern - wie etwa die Massaker in alawitischen Dörfern zeigen - auch Zivilisten zu ihren Zielen gehören.

Selbst eine angenommene Ausrichtung allein auf die Bekämpfung der syrischen Regierungstruppen würde nichts an dieser Einordnung ändern, da weder völkervertragsrechtliche noch völkergewohnheitsrechtliche Grundsätze Kampfhandlungen gegen deren Soldaten zu rechtfertigen vermögen.

b) Der Beschuldigte hat diese Vereinigung durch die Lieferung von Ausrüstungsgegenständen unterstützt.

c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, [...] Rn. 33 ff.).

d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der Ahrar al-Sham, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 25. Juli 2014 erteilt (Aktenzeichen II B 1 4030 E [1027] 21 1158/2013).

3. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ). Durch weniger einschneidende Maßnahmen als den Haftvollzug kann der Zweck der Untersuchungshaft nach wie vor nicht erreicht werden (§ 116 Abs. 1 StPO ).

Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrscheinlicher, dass sich der Beschuldigte - würde er aus der Haft entlassen - dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich ihm zur Verfügung halten werde. Der Beschuldigte ist aufgrund der bisherigen Ermittlungen als eine zentrale Figur bei der Beschaffung von Ausrüstungsgegenständen für die Ahrar al-Sham anzusehen und hat daher mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen hohen Fluchtanreiz bietet. Fluchthemmende Umstände, die geeignet sind, dem von der zu erwartenden Freiheitsstrafe ausgehenden Fluchtanreiz hinreichend entgegenzuwirken, liegen nicht vor: Seine Anstellung als Ingenieur bei der HU. Deutschland GmbH in N. wurde seitens des Arbeitgebers gekündigt; nach Auskunft seines ehemaligen Vorgesetzten erscheint eine Wiedereinstellung ausgeschlossen (Bericht Hü. , vorläufige SA Bd. 6, Bl. 91). Auf eine Berufstätigkeit in Deutschland ist er ohnehin nicht angewiesen; seine beruflichen Fähigkeiten und Fremdsprachenkenntnisse dürften ihm ohne weiteres erlauben, im Ausland eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Die familiären Bindungen des Beschuldigten in Deutschland sind einer Flucht nicht hinderlich, weil seine Ehefrau ohnehin in die Türkei auswandern möchte (Protokoll der mündlichen Haftprüfung vom 21. Februar 2017, Haftsachakte A. , Bl. 401; Aktenvermerk des KOK Sch. , vorläufige SA Bd. 1 Bl. 213) und die Versorgung seiner erst kurze Zeit in Deutschland lebenden Eltern durch die Einreise seines Bruders sichergestellt ist (Meldebestätigung des K. A. , Haftsachakte A. , Bl. 416). Die angebotene Kaution sowie die Bereitschaft, Reisedokumente bei der Polizei zu hinterlegen, reichen vor diesem Hintergrund auch in der Zusammenschau aller fluchthemmenden Umstände nicht aus, zumal der Beschuldigte enge Verwandte in Saudi-Arabien bzw. in den Vereinigten Arabischen Emiraten und der Türkei hat und Kontakte zu Mitgliedern und Unterstützern der Ahrar al-Sham pflegt, die bei einer Flucht behilflich sein könnten. Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die alsbaldige Aufklärung und Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Beschuldigten vereitelt werden könnte.

Unter den gegebenen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO nicht die Erwartung zu begründen, dass auch durch sie der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann.

4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Der Umfang der Ermittlungen und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:

Das komplexe Ermittlungsverfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Beschuldigte; der Tatzeitraum erstreckt sich über mehrere Jahre und umfasst zahlreiche Lieferungen der Beschuldigten nach Syrien, die auf ihren Bezug zur Ahrar al-Sham zu überprüfen sind. Die Auswertung der bei der Durchsuchung von zehn Objekten am 22. November 2016 sichergestellten umfangreichen Beweismittel dauert an. Neben zahlreichen CDs sind neun Tablet-Computer, 26 Laptops, 35 USB-Speichergeräte, 33 Mobiltelefone und 108 Festplatten auszuwerten; allein die dem Beschuldigten A. zugeordneten Speichermedien umfassen etwa zwei Terabyte Daten, die auch in gelöschten Speicherbereichen ausgewertet werden müssen. Die Speichermedien wurden zwischenzeitlich trotz teilweise von den Beschuldigten nicht zutreffend angegebener Passwörter nahezu vollständig gesichert. Die inhaltliche Auswertung dauert indes noch an. Sie wird dadurch erschwert, dass zahlreiche Inhalte in arabischer Sprache abgefasst sind, und konnte deshalb trotz des Einsatzes von regelmäßig zwei Dolmetschern bisher nicht abgeschlossen werden. Die Auswertung der mobilen Endgeräte ist weitgehend beendet; bislang wurden 35 Geräte entschlüsselt, technisch gesichert und inhaltlich gesichtet. Bei der Auswertung der Mobiltelefone, die mit Ausnahme eines Gerätes durchgeführt ist, wurden bisher 690.000 Mediendateien (unter anderem Bilder, Videos und Audiodateien) gesichtet (Sachstandsbericht des Bayerischen Landeskriminalamtes vom 12. Mai 2017, Bl. 28). Bei 12 Geräten sind noch weitere Dolmetschertätigkeiten erforderlich; bei 16 Geräten noch abschließende Ermittlungen und Bewertungen.

5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StGB ; vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - StB 6/17, [...] Rn. 34-36).