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BGH - Entscheidung vom 08.02.2017

2 StR 375/16

Normen:
SGB IV § 14 Abs. 2 S. 2
StGB § 266a Abs. 1
StGB § 266a Abs. 2

Fundstellen:
StV 2018, 35
ZInsO 2018, 82

BGH, Beschluss vom 08.02.2017 - Aktenzeichen 2 StR 375/16

DRsp Nr. 2017/6226

Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt durch einen Taxiunternehmer aufgrund der Zahlung von Schwarzlöhnen an die Beschäftigten; Angabe der Höhe der zu zahlenden Arbeitsentgelte und des Beitragssatzes der jeweils zuständigen Krankenkasse für jeden Fälligkeitszeitpunkt

Bei Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt müssen für jeden Fälligkeitszeitpunkt die Höhe der zu zahlenden Arbeitsentgelte und des Beitragssatzes der jeweils zuständigen Krankenkasse angegeben werden, weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung errechnet.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Mai 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Wirtschaftsstrafkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

SGB IV § 14 Abs. 2 S. 2; StGB § 266a Abs. 1 ; StGB § 266a Abs. 2 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 82 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt und eine Kompensationsentscheidung wegen rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerung getroffen. Die gegen dieses Urteil gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat mit der Sachrüge Erfolg.

1. Die Verfahrensrüge entspricht aus den zutreffenden Gründen der Zuschrift des Generalbundesanwalts vom 16. September 2016 nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO .

2. Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Überprüfung des angefochtenen Urteils führt zur Aufhebung des Urteils.

a) Nach den Feststellungen des Landgerichts führte der Angeklagte in F. seit September 2000 einen Taxibetrieb als Einzelbetrieb mit drei Taxikonzessionen und ab Dezember 2002 ein weiteres Taxiunternehmen als GbR mit zwei Taxikonzessionen. 2011 gab der Angeklagte beide Taxibetriebe wegen drohender Zahlungsunfähigkeit auf.

In beiden Taxibetrieben beschäftigte der Angeklagte im Tatzeitraum zwischen April 2005 bis Juli 2010 mehrere Fahrer, "die täglich in zwei Schichten (Tag- bzw. Nachtschicht) sowie in einer Wochenendschicht fuhren und die Fahrzeuge damit nahezu vollständig ausnutzten." Den Einsatz der Fahrer koordinierte der Angeklagte mittels elektronisch geführter Schichtpläne. "Bei den Sozialversicherungsträgern und dem Finanzamt waren die Fahrer, wenn überhaupt, tatsächlich nur mit einem geringeren - fiktiven - monatlichen Pauschallohn gemeldet. Insofern führte der Angeklagte neben den Schichtplänen eine 'offizielle' Buchhaltung, die auch nur die gemeldeten Löhne wiederspiegelte. Tatsächlich wurden die Fahrer deutlich höher als gegenüber dem Finanzamt und den Sozialversicherungsträgern angegeben entlohnt und erhielten wesentliche Teile ihres Lohnes schwarz ausgezahlt."

Das Landgericht hat tabellarisch auf etwa zehn Seiten des 22-seitigen Urteils - geordnet nach den verschiedenen Krankenkassen - monatlich das "Bruttoentgelt" der jeweiligen Arbeitnehmer der beiden Taxiunternehmen des Angeklagten, das (geringere) gemeldete Entgelt, den nachberechneten Gesamtsozialversicherungsbeitrag und den davon abgeführten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil aufgeführt.

b) Das Urteil weist durchgreifende Rechtsfehler auf. Es enthält keine ausreichenden Feststellungen, die dem Revisionsgericht die Überprüfung der durch die Taten verursachten Schäden anhand einer - ggf. vorzunehmenden - Hochrechnung der Schwarzlöhne und der sich daran anschließenden Berechnung der vorenthaltenen Sozialversicherungsbeiträge nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV ermöglichen.

Bei Straftaten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt nach § 266a Abs. 1 und 2 StGB müssen für jeden Fälligkeitszeitpunkt die Höhe der zu zahlenden Arbeitsentgelte und des Beitragssatzes der jeweils zuständigen Krankenkasse angegeben werden, weil sich die Höhe der geschuldeten Beiträge auf der Grundlage des Arbeitsentgelts nach den Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse sowie den gesetzlich geregelten Beitragssätzen der Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung errechnet (vgl. BGH, Urteil vom 11. August 2010 - 1 StR 199/10, NStZ-RR 2010, 376 ).

Es fehlt bereits an Feststellungen zu den Beitragssätzen der verschiedenen Krankenkassen. Zudem kann der Senat nicht überprüfen, ob die vom Landgericht angegebenen - fiktiven - Bruttoarbeitsentgelte den Anforderungen des § 14 Abs. 2 SGB IV entsprechend berechnet worden sind. Denn es fehlt schon an der Angabe der nach Überzeugung der Strafkammer ausgezahlten Nettoentgelte.

Schließlich fehlt es auch an Angaben dazu, welche Lohnsteuerklassen die Strafkammer bei der Berechnung des fiktiven Bruttoarbeitsentgelts jeweils zugrunde gelegt hat (vgl. Senat, Urteil vom 5. August 2015 - 2 StR 172/15, wistra 2016, 153 , 154). Zu diesen Angaben hätte deshalb Anlass bestanden, weil nach den Feststellungen ein Teil der Arbeitnehmer mit einem geringeren als dem tatsächlich gezahlten Lohn gemeldet war und deshalb - anders als bei vollständig illegalen Beschäftigungsverhältnissen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008 - 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 , 79) - davon auszugehen ist, dass die Arbeitnehmer dem Angeklagten ihre Lohnsteuerkarte vorgelegt haben (vgl. Richtarsky in Wabnitz/Janovsky, Handbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, 4. Aufl., 19. Kap. Rn. 72). Der neue Tatrichter wird - auch mit Blick auf die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse - genauer darzulegen haben, ob der Angeklagte seine Pflichten als Arbeitgeber gegenüber unterschiedlich zuständigen Krankenkassen als Einzugsstellen verletzt hat.

3. Der Senat hebt auch die Kompensationsentscheidung auf, um dem neuen Tatrichter die Möglichkeit zu einer widerspruchsfreien Neubewertung zu geben. Denn das Landgericht hat "als Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer" einerseits in dem laut Hauptverhandlungsprotokoll verkündeten Urteilstenor zwei Monate, andererseits im schriftlichen Urteil sowie in dessen Begründung vier Monate bestimmt. Das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO ) wird zu beachten sein (vgl. Senat, Beschluss vom 12. September 2013 - 2 StR 226/13, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 39; BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 - 4 StR 502/13, wistra 2014, 180 ).

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 18.05.2016
Fundstellen
StV 2018, 35
ZInsO 2018, 82