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BGH - Entscheidung vom 13.12.2017

5 StR 388/17

Normen:
StGB § 20
StGB § 21
StGB § 63

BGH, Urteil vom 13.12.2017 - Aktenzeichen 5 StR 388/17

DRsp Nr. 2018/757

Voraussetzungen für die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus im Sicherungsverfahren; Aufgehobene Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronisch-produktiven, auch negativ-symptomatischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie

Allein die Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronisch-produktiven, auch negativ-symptomatischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie rechtfertigt nicht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus.

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 28. April 2017 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschuldigten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.

Normenkette:

StGB § 20 ; StGB § 21 ; StGB § 63 ;

Gründe

Das Landgericht hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus abgelehnt. Die hiergegen gerichtete und mit der Sachrüge geführte Revision der Staatsanwaltschaft, die vom Generalbundesanwalt nicht vertreten wird, ist unbegründet.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts traf der bislang nur wegen einer Sachbeschädigung zu einer niedrigen Geldstrafe vorgeahndete Beschuldigte im August 2015 in den frühen Morgenstunden in Dresden auf die ihm bis dahin unbekannte Passantin Re. . Er näherte sich ihr von hinten, drehte sie herum und versuchte, ihren Rock zu zerreißen, um mit ihr den ungeschützten Geschlechtsverkehr durchführen zu können. Als sich die Geschädigte wehrte, stieß er sie zu Boden, um sein Vorhaben fortzusetzen, und berührte auch ihr bedecktes Geschlechtsteil, um hieraus Lustgewinn zu erzielen. Ein Passant zog den Beschuldigten von der jungen Frau weg, die Verletzungen am Kopf, dem Ellenbogen und einem Finger erlitt.

Zu einem zweiten Vorfall kam es im Dezember 2016. Der Beschuldigte rauchte in einem Einkaufszentrum trotz Rauchverbots. Als er daraufhin von Sicherheitsmitarbeitern und zwei Kunden festgehalten wurde, um seine Personalien wegen eines Hausverbots aufzunehmen, begann er, um sich zu schlagen. Deshalb zu Boden gedrückt warf er im Fallen zwei Getränkedosen in Richtung der Mitarbeiter, die niemanden trafen. Ob der Wurf gezielt gegen Personen gerichtet war, ließ sich nicht feststellen.

Im Januar 2017 riss der Beschuldigte schließlich den Telefonhörer eines öffentlichen Münzfernsprechers ab, wodurch ein Schaden von knapp 300 Euro entstand.

Bei allen drei Vorfällen war jedenfalls die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten aufgrund einer chronisch-produktiven, auch negativ-symptomatischen paranoid-halluzinatorischen Schizophrenie aufgehoben.

2. Nach den Feststellungen des insoweit sachverständig beratenen Landgerichts besteht keine Wahrscheinlichkeit höheren Grades, dass der Beschuldigte wieder eine vergleichbar schwere Tat wie die Sexualstraftat vom August 2015 begeht. Zu erwartende Taten im Ausmaß der übrigen Vorfälle seien nicht erheblich genug, um eine Unterbringung des Beschuldigten zu rechtfertigen.

3. Die Revision der Staatsanwaltschaft deckt keinen Rechtsfehler auf.

a) Das Landgericht ist von einem zutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unterzubringende bei der Begehung der Anlasstat auf Grund eines psychischen Defekts schuldunfähig (§ 20 StGB ) oder vermindert schuldfähig (§ 21 StGB ) war und die Tatbegehung hierauf beruht. Daneben muss eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades bestehen, der Täter werde infolge seines fortdauernden Zustands in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird; die zu erwartenden Taten müssen schwere Störungen des Rechtsfriedens besorgen lassen. Die notwendige Prognose ist auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Täters, seines Vorlebens und des von ihm begangenen Anlassdelikts zu entwickeln; sie muss sich auch darauf erstrecken, welche rechtswidrigen Taten von dem Beschuldigten drohen und wie ausgeprägt das Maß der Gefährdung ist. Neben der sorgfältigen Prüfung dieser Anordnungsvoraussetzungen ist das Tatgericht auch verpflichtet, die wesentlichen Gesichtspunkte in den Urteilsgründen so umfassend darzustellen, dass das Revisionsgericht in die Lage versetzt wird, die Entscheidung nachzuvollziehen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 22. August 2017 - 3 StR 249/17 mwN).

b) Diesen Anforderungen wird das Urteil gerecht. Das Landgericht hat bei seiner Gefährlichkeitsprognose die Besonderheiten der Erkrankung des Beschuldigten, seine bisherige Delinquenz seit Krankheitsausbruch und seine Lebensumstände in den Blick genommen. Zutreffend ist es davon ausgegangen, dass eine hohe Wahrscheinlichkeit der krankheitsbedingten Begehung von Straftaten geringeren Gewichts die schwerwiegende Maßregel des § 63 StGB nicht rechtfertigen kann. Dass es mit sachverständiger Hilfe nach umfassender Prüfung zu dem Schluss gekommen ist, erhebliche Straftaten wie diejenige vom August 2015 seien nicht höhergradig wahrscheinlich, lässt unabhängig von der rechtlichen Bewertung der dem Beschuldigten zur Last gelegten Taten Rechtsfehler nicht erkennen.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Dresden, vom 28.04.2017