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BGH - Entscheidung vom 06.04.2017

I ZB 69/16

Normen:
ZPO § 1031 Abs. 1
ZPO § 1031 Abs. 1
ZPO § 1027 Abs. 2
ZPO § 1031 Abs. 1

Fundstellen:
DB 2017, 2225
MDR 2017, 1193
NJW 2018, 76
NJW-RR 2017, 1531
ZIP 2017, 1570

BGH, Beschluss vom 06.04.2017 - Aktenzeichen I ZB 69/16

DRsp Nr. 2017/10365

Unzulässiger Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch im Linienschifffahrtsdienst

Nach Aufhebung von § 1027 Abs. 2 ZPO aF kommt der Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch nicht mehr in Betracht.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg - 6. Zivilsenat - vom 16. Juni 2016 wird auf Kosten der Antragstellerin als unzulässig verworfen.

Gegenstandswert: 10.200 €

Normenkette:

ZPO § 1027 Abs. 2 ; ZPO § 1031 Abs. 1 ;

Gründe

I. Die Antragstellerin bietet einen Linienschifffahrtsdienst zwischen dem Nordwestkontinent und Nordafrika an. Die Antragsgegnerin handelt mit Holz.

Im März 2013 verständigten sich die O. M. T. N.V. (im Weiteren: OMT) und die Antragsgegnerin über die Verschiffung einer Partie Holz nach Algerien mit Ankunft zwischen dem 13. und 15. April 2013. Streitig ist, ob die OMT im eigenen Namen mit der Antragsgegnerin einen Vertrag geschlossen oder als Agentin der Antragstellerin gehandelt hat. Aus zwischen den Parteien ebenfalls streitigen Gründen wurde der Transport nicht durchgeführt. Da keine Ladung aufgenommen wurde, stellte die Antragstellerin kein Konnossement aus. Sie macht nun Fehlfracht gegenüber der Antragsgegnerin geltend.

Klausel 3 c der Konnossement-Bedingungen der Antragstellerin lautet:

Any dispute arising under, or in connection with, the contract evidenced by the Bill of Lading regarding a cargo carried or intended to be carried, or originally agreed for so being carried, to or from Algerian ports to be referred to arbitration in HAMBURG. ...

Die E-Mail-Signatur der OMT enthält folgende Gerichtsstandklausel:

In case of disputes the Antwerp courts are exclusively competent and the Belgian jurisdiction will be applicable.

In einer E-Mail vom 20. März 2013, mit der der Geschäftsführer der Antragsgegnerin der OMT den ausgehandelten Preis bestätigte, heißt es:

As I mention earlier I need the BL with the date of 30th March ....

Die Antragstellerin meint, die Schiedsklausel der Konnossementbedingungen sei bereits mit der Buchung wirksam in den Vertrag einbezogen worden. Aufgrund einer nur wenige Wochen zuvor erfolgten anderen Buchung habe die Antragsgegnerin konkrete Kenntnis der Konnossementbedingungen gehabt.

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einer Buchung vom 20. März 2013 eine Schiedsvereinbarung besteht und durchführbar ist,

hilfsweise,

festzustellen, dass zwischen den Parteien im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus einer Buchung vom 20. März 2013 - ein wirksamer Frachtvertrag zwischen den Parteien unterstellt - eine Schiedsvereinbarung besteht und durchführbar ist.

Das Oberlandesgericht hat den Antrag und den Hilfsantrag zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihre Anträge weiterverfolgt.

II. Das Oberlandesgericht hat angenommen, selbst im Falle eines direkten Vertragsschlusses zwischen den Parteien bestehe zwischen ihnen keine wirksame Schiedsvereinbarung. Dazu hat es ausgeführt:

Die Anforderungen an eine formwirksame Schiedsvereinbarung gemäß § 1031 ZPO seien nicht erfüllt. Die Voraussetzungen des § 1031 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO lägen unstreitig nicht vor. Die Schiedsvereinbarung in den Konnossementbedingungen der Antragstellerin sei auch nicht gemäß § 1031 Abs. 3 ZPO durch Bezugnahme Bestandteil des - unterstellten - Vertrags geworden. Ein bloßer Handelsbrauch reiche hierfür nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine unmissverständliche Bezugnahme. Dafür genüge nicht die von der Antragsgegnerin in der E-Mail vom 20. März 2013 gebrauchte Formulierung "... I need the BL ...". Der Hilfsantrag sei unbegründet, weil er ebenfalls eine Schiedsabrede voraussetze.

III. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 1065 Abs. 1 Satz 1, § 1062 Abs. 1 Nr. 2 Fall 1 ZPO ). Sie ist aber unzulässig, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO ).

1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zulässig, weil es das Oberlandesgericht versäumt hat, anhand von § 1031 Abs. 4 ZPO aF zu prüfen, ob eine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien abgeschlossen worden ist. Zwar ist § 1031 Abs. 4 ZPO aF auf den Streitfall anwendbar. Die Beurteilung des Oberlandesgerichts, es fehle an einer formwirksamen Schiedsvereinbarung, erweist sich aber auch nach dieser Bestimmung als rechtsfehlerfrei.

a) Auf den im März 2013 abgeschlossenen Frachtvertrag ist § 1031 ZPO in der bis zum 24. April 2013 geltenden Fassung anzuwenden. Nach § 1031 Abs. 4 ZPO aF konnte eine Schiedsvereinbarung auch durch die Begebung eines Konnossements begründet werden, wenn darin ausdrücklich auf die in einem Chartervertrag enthaltene Schiedsklausel Bezug genommen wurde.

b) Auf § 1031 Abs. 4 ZPO aF kommt es im Streitfall jedoch nicht an. Die Begründung einer Schiedsvereinbarung nach dieser Bestimmung kommt nicht in Betracht, weil nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts kein Konnossement begeben worden ist.

Die Antragsgegnerin hat zwar mit E-Mail vom 20. März 2013 ein Konnossement von der OMT erbeten. Die Antragstellerin hat aber kein Konnossement ausgestellt, weil keine Ladung aufgenommen wurde. Die Begebung eines nicht ausgestellten Konnossements ist begrifflich ausgeschlossen. Die Ausstellung durch den Verfrachter ist notwendige Bedingung für die Entstehung des Konnossements als Wertpapier. Es handelt sich um eine Empfangsbescheinigung des Verfrachters über die zur Beförderung übernommenen Güter, die erst bei Begebung einen selbständigen schuldrechtlichen Auslieferungsanspruch des legitimierten Inhabers dieses Papiers begründet (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 37). Die Begebung setzt eine Besitzübergabe voraus (vgl. Rabe, Seehandelsrecht, 4. Aufl., § 650 HGB Rn. 9), die nur bei einem ausgestellten Dokument in Betracht kommt.

2. Das Oberlandesgericht hat den Anspruch der Antragstellerin auf rechtliches Gehör gemäß Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt.

a) Das Oberlandesgericht hat angenommen, ein bloßer Handelsbrauch genüge nicht für den Abschluss einer Schiedsvereinbarung. Auf der Grundlage dieser Beurteilung hatte es keinen Anlass, Beweis zu dem Sachvortrag der Antragstellerin zu erheben, wonach es in der Linienschifffahrt Handelsbrauch sei, dass die Konnossementbedingungen eines Linienreeders Schiedsklauseln enthalten.

b) Das Oberlandesgericht hat ferner im tatbestandlichen Teil seines Beschlusses den Vortrag der Antragsgegnerin wiedergegeben, wonach die Parteien schon früher in Geschäftsverbindung gestanden hatten und der Antragsgegnerin aufgrund einer Buchung vom Dezember 2012 das Konnossement Nr. 102 bekannt war, das eine Schiedsklausel enthielt. Das Oberlandesgericht hatte keinen Anlass, sich auch im Rahmen der rechtlichen Ausführungen ausdrücklich mit diesem Vortrag auseinanderzusetzen. Eine im Zusammenhang mit früheren Frachtverträgen erfolgte Übersendung von Konnossementen mit Schiedsvereinbarungen war nicht geeignet, den Abschluss einer Schiedsvereinbarung im Streitfall zu begründen. Im Zusammenhang mit dem Streitfall fehlt es an einer Bezugnahme auf Konnossementbedingungen mit einer Schiedsklausel.

3. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts steht auch nicht in Widerspruch zu Entscheidungen der Oberlandesgerichte Hamburg und Bremen.

a) Aus dem Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg vom 30. Juni 1992 ( TranspR 1993, 25 f.) ergeben sich schon deshalb keine Aufschlüsse für den Streitfall, weil nach der bis zum 31. Dezember 1997 geltenden Bestimmung des § 1027 Abs. 2 ZPO eine Schiedsvereinbarung auch stillschweigend nach Handelsbrauch abgeschlossen werden konnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - III ZR 30/91, NJW 1993, 1798 ). § 1027 Abs. 2 ZPO aF begründete für Handelsgeschäfte eine Ausnahme von § 1027 Abs. 1 ZPO aF, wonach ein Schiedsvertrag ausdrücklich geschlossen werden musste. Mit der Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts zum 1. Januar 1998 wurde die Vorschrift des § 1027 Abs. 2 ZPO aF gestrichen und klargestellt, dass Schiedsvereinbarungen immer ungültig sind, wenn sie die Erfordernisse des § 1031 ZPO nicht erfüllen (vgl. Begründung der Bundesregierung zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des Schiedsverfahrensrechts, BT-Drucks. 13/5274, S. 36).

Nach Aufhebung von § 1027 Abs. 2 ZPO aF kommt der Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch nicht mehr in Betracht (vgl. Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO , 75. Aufl., § 1031 Rn. 7; Schütze in Wieczorek/Schütze, ZPO , 4. Aufl., § 1031 Rn. 34). Die Gegenansicht (Schlosser in Stein/Jonas, ZPO , 22. Aufl., § 1031 Rn. 4) ist mit dem Wortlaut des § 1031 ZPO und dem vom Gesetzgeber mit der Aufhebung des § 1027 Abs. 2 ZPO aF verfolgten Ziel unvereinbar.

b) Im Fall des Oberlandesgerichts Bremen ( TranspR 2002, 405 , 407) war dem Befrachter anders als im Streitfall ein Konnossement ausgehändigt worden, das eine Schiedsklausel enthielt. Das Oberlandesgericht Bremen hat die Voraussetzungen des § 1031 Abs. 2 ZPO als erfüllt angesehen, weil der Inhalt des Konnossements nach der Verkehrssitte als Vertragsinhalt angesehen wird. Im Streitfall fehlt es unstreitig an der Aushändigung eines Konnossements.

IV. Danach ist die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts auf Kosten der Antragstellerin zurückzuweisen (§ 97 Abs. 1 ZPO ).

Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 16.06.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Sch 6/14
Fundstellen
DB 2017, 2225
MDR 2017, 1193
NJW 2018, 76
NJW-RR 2017, 1531
ZIP 2017, 1570