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BGH - Entscheidung vom 25.01.2017

IV ZR 409/15

Normen:
ATV § 33 Abs. 1a
BetrAVG § 2 Abs. 1 S. 1
BetrAVG § 18 Abs. 2
VBLS § 78 Abs. 1
VBLS § 79 Abs. 2

BGH, Urteil vom 25.01.2017 - Aktenzeichen IV ZR 409/15

DRsp Nr. 2017/1934

Unverbindlichkeit der Startgutschriftenermittlung für rentenferne Versicherte wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Übergangsregelung

Die Startgutschriftenermittlung für rentenferne Versicherte ist wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Übergangsregelung lediglich unverbindlich. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebieten es nicht, dem Versicherten im Rahmen des Eigentumsgrundrechts eine Versorgungsrente nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungswerk zu gewähren. Der eigentumsrechtliche Schutz von Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung reicht nur so weit, wie die Ansprüche bereits bestehen, er verschafft diese selbst nicht.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 11. August 2015 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten ihrer Revision.

Der Streitwert für die Revision der Klägerin wird auf 6.000 € festgesetzt.

Normenkette:

ATV § 33 Abs. 1a; BetrAVG § 2 Abs. 1 S. 1; BetrAVG § 18 Abs. 2 ; VBLS § 78 Abs. 1; VBLS § 79 Abs. 2;

Tatbestand

Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder hat die Aufgabe, Angestellten und Arbeitern der an ihr beteiligten Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes auf der Grundlage entsprechender Versorgungstarifverträge im Wege privatrechtlicher Versicherung eine zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung zu gewähren. Mit Neufassung ihrer Satzung (im Weiteren: VBLS) vom 22. November 2002 stellte die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem rückwirkend zum 31. Dezember 2001 (Umstellungsstichtag) von einem an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgungssystem auf ein auf dem Punktemodell beruhendes, beitragsorientiertes Betriebsrentensystem um. Den Systemwechsel hatten die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1. März 2002 (ATV) vereinbart.

Die neugefasste Satzung enthält Übergangsregelungen zum Erhalt von bis zur Systemumstellung erworbenen Rentenanwartschaften. Diese werden ihrem Wert nach festgestellt, in Versorgungspunkte umgerechnet und als Startgutschriften den Versorgungskonten der Versicherten gutgeschrieben. Dabei werden Versicherte, deren Versorgungsfall noch nicht eingetreten ist, in rentennahe und rentenferne Versicherte unterschieden. Rentennah ist nur, wer am 1. Januar 2002 das 55. Lebens jahr vollendet hatte und im Tarifgebiet West beschäftigt war beziehungsweise dem Umlagesatz des Abrechnungsverbandes West unterfiel oder Pflichtversicherungszeiten in der Zusatzversorgung vor dem 1. Januar 1997 vorweisen kann. Die Anwartschaften der etwa 200.000 rentennahen Versicherten werden gemäß § 79 Abs. 2 VBLS vorwiegend nach dem alten, auf dem Gesamtversorgungssystem beruhenden Satzungsrecht der Beklagten ermittelt. Die Anwartschaften der übrigen, etwa 1,7 Mio. rentenfernen Versicherten berechneten sich demgegenüber nach den §§ 78 Abs. 1 und 2, 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS i.V.m. § 18 Abs. 2 BetrAVG .

Mit Urteil vom 14. November 2007 ( IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 122 ff.) erklärte der Senat die Startgutschriftenermittlung für rentenferne Versicherte wegen Verstoßes der zugrunde liegenden Übergangsregelung gegen Art. 3 Abs. 1 GG für unverbindlich. Daraufhin einigten sich die Tarifvertragsparteien mit Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 30. Mai 2011 zum Tarifvertrag Altersversorgung (im Weiteren ATVÄndV5), die bisherige Ermittlung der Startgutschriften beizubehalten, aber - vgl. § 1 Nr. 5 Buchst. a ATVÄndV5, § 33 Abs. 1a ATV - durch ein auf § 2 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG zurückgreifendes Vergleichsmodell zu ergänzen. Mit der 17. Satzungsänderung vom Januar 2012 übernahm die Beklagte die tarifvertraglichen Vorgaben in § 79 Abs. 1a ihrer Satzung. Die Berechnungsweise der Startgutschriften rentenferner Versicherter nach der neu gefassten Übergangsvorschrift hat der Senat im Urteil vom 9. März 2016 ( IV ZR 9/15, r+s 2016, 250 = VersR 2016, 583 Rn. 4) im Einzelnen dargelegt.

Die am 1. Januar 1949 geborene Klägerin trat am 1. März 1972 in den öffentlichen Dienst ein. Die Beklagte erteilte ihr eine Startgutschrift nach § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS. Ein Zuschlag zur Startgutschrift nach § 79 Abs. 1a VBLS ergab sich nicht. Seit Januar 2009 bezieht die Klägerin eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Mit ihren zuletzt gestellten Anträgen greift die Klägerin die Wirksamkeit der Systemumstellung an und macht geltend, dass ihr eine Versorgungsrente auf der Grundlage des vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrechts zustehe. Hilfsweise sei ihr eine Rente unter Berücksichtigung von Ausbildungs- und Vordienstzeiten zu gewähren, ihre Startgutschrift nach § 79 Abs. 1a Satz 1 VBLS ohne einen Abzug vom Unverfallbarkeitsfaktor festzustellen, zu dynamisieren oder bei deren Ermittlung nur der tatsächlich erreichte Betrag der Bruttorente der gesetzlichen Rentenversicherung anzurechnen. Jedenfalls lege ihre von der Beklagten gemäß ihrer Satzung in der Fassung der 17. Satzungsänderung überprüfte Startgutschrift den Wert der erlangten Anwartschaft auf die zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich fest.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen festgestellt, dass die von der Beklagten neu berechnete Startgutschrift den Wert der von der Klägerin erlangten Anwartschaft auf die zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt.

Dagegen haben sich, soweit jeweils zu ihrem Nachteil erkannt worden ist, Klägerin und Beklagte mit ihren Revisionen gewandt. Nachdem der Senat im Urteil vom 9. März 2016 ( IV ZR 9/15 aaO) die dortige Revision der Beklagten zurückgewiesen und entschieden hat, die Übergangsregelung für rentenferne Versicherte führe auch unter Berücksichtigung der mit der 17. Satzungsänderung ergänzten Bestimmung des § 79 Abs. 1a VBLS weiterhin zu einer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßenden Ungleichbehandlung innerhalb der Gruppe der rentenfernen Versicherten und damit zur Unwirksamkeit der sie betreffenden Übergangs bzw. Besitzstandsregelung, hat die Beklagte ihre Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Auch die Revision der Klägerin bleibt ohne Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat - soweit hier noch von Interesse - ausgeführt:

Die Satzung der Beklagten habe auch ohne Zustimmung der Versicherten im Wege einer umfassenden Systemumstellung geändert werden können. Den Tarifvertragsparteien stünden bei der inhaltlichen Gestaltung tarifvertraglicher Regelungen, zumal für ihre Grundentscheidungen, besondere Beurteilungs- und Ermessensspielräume sowie eine Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen zu. Dieser Kontrollmaßstab werde durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 13. September 2011 in der Rechtssache "Prigge" (C-447/09, Slg. 2011, I-8003) nicht in Frage gestellt. Für den Systemwechsel habe ein ausreichender Anlass bestanden und die Tarifvertragsparteien hätten ihre Einschätzung insoweit auf tragfähige Grundlagen stützen können. Der von der Klägerin beantragten Beweiserhebung zur Berechtigung der von den Tarif vertragsparteien beim Systemwechsel getroffenen Annahmen habe es daher nicht bedurft. Die Entscheidung der Tarifvertragsparteien könne auch nicht mit der Erwägung in Frage gestellt werden, sie seien bei ihrer Entscheidung von einer unzutreffenden Tatsachengrundlage ausgegangen.

Das Grundrecht der Klägerin auf Eigentum schütze unverfallbare Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung, allerdings nicht in einer konkreten Höhe. Folglich hätten die klägerischen Anwartschaften im Wege der Systemumstellung geändert werden können, auch wenn damit regelmäßig eine Verringerung einhergehen sollte. Eine darüber hinausgehende, eigentumsrechtlich bedenkliche Entwertung des Beschäftigtenanteils an den geleisteten Beiträgen und Umlagen sei mit der Systemumstellung nicht verbunden. Nichts anderes ergebe sich aus europarechtlichen Vorgaben. Art. 1 des Ersten Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten schütze Anwartschaften auf Ruhegehälter im öffentlichen Dienst ebenfalls nicht der Höhe nach.

Eine an beamtenähnlichen Verhältnissen orientierte Gesamtversorgung sei nicht mehr Gegenstand des zulässigerweise umgestellten Versorgungssystems der Beklagten. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Dynamisierung ihrer Anwartschaft bestehe nicht. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehene Dynamisierung der Startgutschrift durch Zuteilung von Bonuspunkten sei zumindest vertretbar und schon deshalb verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ein Verstoß gegen die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit liege nicht vor, weil das Aufrechterhalten der Dynamisierung nach den bisherigen Grundsätzen dem Ziel der Systemumstellung widersprochen hätte, die Zusatzversorgung von den bisherigen externen Faktoren abzukoppeln, eine langjährige Parallelführung zweier unterschiedlicher Versorgungssysteme zu vermeiden und für den Übergang auf das kapitalgedeckte Verfahren eine überschaubare, frühzeitig kalkulierbare Finanzierungsgrundlage zu schaffen. Die Tarifvertragsparteien hätten hierbei den ihnen eingeräumten weiten Handlungsspielraum nicht überschritten.

Die vom Berufungsgericht im Einzelnen dargelegte (und im Ergebnis mit Senatsurteil vom 9. März 2016 - IV ZR 9/15, r+s 2016, 250 = VersR 2016, 583 - bestätigte) Unwirksamkeit der Übergangsregelung habe nicht zur Folge, dass der frühere Tarifvertrag und die darauf aufbauenden Satzungsbestimmungen der Beklagten weiterhin anzuwenden seien. Zwar sei ein Grund für die Unwirksamkeit der neuen Übergangsregelung darin zu sehen, dass vom in entsprechender Anwendung des § 2 Abs. 1 BetrAVG ermittelten Faktor 7,5 Prozentpunkte abgezogen würden, dies rechtfertige es aber nicht, die Übergangsregelung unter Wegfall dieses Abzugs aufrechtzuerhalten. Vielmehr sei den Tarifvertragsparteien Gelegenheit zu geben, eine Lösung zu suchen, die den vom Bundesgerichtshof festgestellten strukturellen Mangel beseitige. Der verfassungsrechtlich geschützte Anspruch auf Justizgewährung, der im Sinne praktischer Konkordanz mit der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie zum Ausgleich zu bringen sei, gebiete eine gerichtlich gestaltende Regelung des Übergangsrechts - noch - nicht. Die Tarifvertragsparteien hätten weiterhin verschiedene Möglichkeiten, die Ungleichbehandlung von Versicherten mit längeren Ausbildungszeiten bei der Berechnung der Startgutschriften auszugleichen. Angesichts der Komplexität der Materie, der finanziellen Auswirkungen der Neuregelung und der Anzahl möglicher Neuregelungen könne eine gestaltende gerichtliche Neuregelung nicht vorgenommen werden. Zwar vermöge die Überlegung, dass das Interesse an alsbaldiger Klärung bei den rentenfernen Versicherten weniger stark zu gewichten sei als bei rentennahen Versicherten, angesichts der seit dem Umstellungsstichtag vergangenen Zeit mittlerweile nur noch eingeschränkt Geltung zu beanspruchen. Gleichwohl habe aber ein beträchtlicher Teil der Versicherten, die zum Zeitpunkt der Systemumstellung bei der Beklagten versichert waren, das Rentenalter noch nicht erreicht. Ferner blieben für die von der Übergangsregelung Betroffenen nicht das "ob" einer Rentenzahlung, sondern nur einzelne die Höhe des Anspruchs betreffende Fragen offen.

Die Frage, ob bei der Ermittlung der Startgutschrift nur der in der gesetzlichen Rentenversicherung tatsächlich erreichte Bruttorentenbetrag auf die Gesamtversorgung anzurechnen sei, stelle sich angesichts der Unverbindlichkeit der Neuregelung derzeit nicht. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf hälftige Berücksichtigung ihrer Ausbildungs und Vordienstzeiten, da dies von Verfassung wegen nicht gebo ten sei.

II. Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung stand.

1. Auf den absoluten Revisionsgrund des § 547 Nr. 6 ZPO kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg stützen. Nicht mit Gründen versehen ist eine Entscheidung, wenn sie nicht erkennen lässt, welche tatsächlichen Feststellungen und welche rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren (BGH, Beschluss vom 21. Dezember 1962 - I ZB 27/62, BGHZ 39, 333, 337 m.w.N.). Entgegen der Rüge der Revision hat das Berufungsgericht indes im Einzelnen dargelegt, mit welchen Erwägungen es die klägerischen Begehren zurückgewiesen hat.

2. Auch im Übrigen lässt die Zurückweisung der Berufung durch das Berufungsgericht keine Rechtsfehler erkennen.

a) Zu Recht hat es das Berufungsgericht abgelehnt, der Klägerin einen Anspruch auf eine bei Fortgeltung des vor der Systemumstellung geltenden Satzungsrechts der Beklagten bestehende Versorgungsrente zuzusprechen oder festzustellen, dass sich das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien nach diesem Satzungsrecht richtet .

aa) Ohne die von der Klägerin angebotenen Beweise erheben zu müssen, hat das Berufungsgericht davon ausgehen dürfen, dass für den Systemwechsel ein ausreichender Anlass bestand.

Die Einschätzung der voraussichtlichen Entwicklung der Zusatzversorgung war Sache der Tarifvertragsparteien. Deren Beurteilung ist, wie der Senat wiederholt entschieden und näher begründet hat (Senatsurteile vom 3. April 2013 - IV ZR 411/12, [...] Rn. 17; vom 4. November 2009 - IV ZR 118/07, [...] Rn. 12; vom 15. Oktober 2008 - IV ZR 164/07, [...] Rn. 18; vom 15. Oktober 2008 - IV ZR 237/07, [...] Rn. 18; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07, BGHZ 178, 101 Rn. 27; vgl. auch BVerfG ZTR 2013, 668 Rn. 29), von ihrer Einschätzungsprärogative gedeckt.

Das Vorbringen der Revision vermag dies nicht in Zweifel zu ziehen. Ob die absehbare demographische Entwicklung im Zusammenhang mit der Heraufsetzung der Altersgrenzen den angenommenen Finanzierungsbedarf hat entfallen lassen, ist Gegenstand der den Tarifvertragsparteien zustehenden Prognoseentscheidung. Gleiches gilt für die Frage, ob und auf welche Weise die Defizite in der Finanzierung der Beklagten zu beheben sind. Ungeachtet der von der Revision behaupteten Defizitursachen ist die Einschätzung zu erwartender Finanzierungslasten und ihrer Auswirkungen ebenso wie die Lösung entstehender Verteilungsprobleme Sache der Tarifvertragsparteien (Senatsurteile vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 27; vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06, BGHZ 174, 127 Rn. 35; vgl. auch BAG, NZA-RR 2008, 82 Rn. 58). Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht keinen Beweis darüber erhoben, ob die Tarifvertragsparteien bei der Prognose der weiteren finanziellen Entwicklung von unrichtigen oder unvollständigen Zahlen ausgegangen sind (vgl. Senatsurteile vom 3. April 2013 - IV ZR 411/12 aaO Rn. 17; vom 4. November 2009 - IV ZR 118/07 aaO Rn. 12).

bb) Anders als die Revision meint, wird die Handhabung der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien durch die Ausführungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in seinem Urteil vom 13. September 2011 (C-447/09, Slg. 2011, I-8003) nicht in Frage gestellt. Diese betreffen die Auslegung von Vorschriften der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Abl. EG L 303 S. 16). Über den Geltungsbereich dieser Richtlinie hinausgehende Aussagen betreffend die Abwägung zwischen nationalen Grundrechten der Versicherten und der Tarifautonomie sowie die daraus abzuleitende Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien lassen sich, wie das Berufungsgericht zutreffend sieht, der Entscheidung nicht entnehmen.

cc) Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit gebieten es nicht, der Klägerin im Rahmen des Eigentumsgrundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG eine Versorgungsrente nach dem vor der Systemumstellung geltenden Satzungswerk der Beklagten zu gewähren. Der eigentumsrechtliche Schutz von Anwartschaften auf eine betriebliche Altersversorgung reicht nur so weit, wie die Ansprüche bereits bestehen; er verschafft diese selbst nicht (Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 41 ff.; BVerfG ZTR 2015, 442 Rn. 8; ZTR 2013, 668 Rn. 22; BVerfGE 131, 66 unter B III 2). Eine eigentumsrechtlich bedenkliche Entwertung der anteilig von den Versicherten geleisteten Beiträge und Umlagen ist mit der Systemumstellung, anders als die Revision meint, nicht verbunden (BVerfG ZTR 2013, 668 Rn. 23). Die der Klägerin im Einzelfall entstandenen Einbußen begründen für sich genommen, auch unter Härtefallgesichtspunkten (vgl. dazu Senatsbeschlüsse vom 27. September 2012 - IV ZR 176/10, [...] Rn. 20; vom 10. März 2010 - IV ZR 333/07, NVwZ-RR 2010, 572 Rn. 16), keine andere Entscheidung.

b) Wie das Berufungsgericht weiter richtig sieht, besteht keine Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin bei Eintritt des Versicherungsfalls eine Rente zu gewähren, bei der die Ausbildungs- und Vordienstzeiten mindestens zur Hälfte als gesamtversorgungsfähige Zeit berücksichtigt werden. Dieser Antrag unterliegt nach § 557 Abs. 1 ZPO der Prüfung des Revisionsgerichts, obwohl er, worauf die Revision zu Recht hinweist, im Tatbestand des Berufungsurteils nicht wiedergegeben ist. Der gemäß § 314 Satz 1 ZPO durch die tatbestandlichen Feststellungen geführte Beweis ist hier indes nach § 314 Satz 2 ZPO durch das den Antrag zutreffend wiedergebende Sitzungsprotokoll, das seinerseits Beweiswirkung entfaltet (§ 165 Satz 1 ZPO ), entkräftet (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juli 2013 - III ZR 208/12, NJW-RR 2013, 1334 Rn. 8). Dass die Beklagte weder mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG noch unter Vertrauensschutzgesichtspunkten verpflichtet ist, Ausbildungs- oder Vordienstzeiten bei der Rentenermittlung minde stens zur Hälfte als gesamtversorgungsfähige Zeit zu berücksichti gen, hat der Senat bereits mehrfach entschieden und näher begründet (Senatsurteile vom 15. Oktober 2008 - IV ZR 164/07 aaO Rn. 24 ff. und IV ZR 237/07 aaO Rn. 24 ff.; vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 96 ff.).

c) Ebenfalls zu Recht hat das Berufungsgericht die Beklagte nicht als verpflichtet angesehen, der Klägerin auf der Grundlage einer Vergleichsberechnung ohne Minderung um 7,5 Prozentpunkte eine erhöhte Startgutschrift festzustellen und der Rentenberechtigung zugrunde zu legen oder auf Antrag bei der Berechnung der Startgutschrift nur die bis zur Verrentung insgesamt erworbene gesetzliche Rente unter Rückrechnung auf den Umstellungsstichtag zu berücksichtigen. Diesen Begehren , die darauf gerichtet sind, die durch den Wegfall der unwirksamen Übergangsregelung verursachte Lücke durch eine gerichtliche Neuregelung zu schließen oder bestimmte verbindliche Vorgaben für die Neuberechnung der Startgutschrift festzuschreiben, kann mit Rücksicht auf die in Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie nicht entsprochen werden.

aa) Das Rechtsstaatsprinzip erfordert eine gerichtliche Bestimmung der Übergangsregelung derzeit noch nicht. Zwar verbietet der aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG in Verbindung mit den Grundrechten abzuleitende Justizgewährungsanspruch auch bei der gerichtlichen Kontrolle privatrechtlicher Regelungen, dass die gerichtliche Durchsetzung des materiellen Rechts unzumutbar verkürzt wird (Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 143; vgl. BVerfGK 6, 79 unter II 1 a). Der insoweit gebotene Ausgleich zwischen dem Justizgewährungsanspruch und der Tarifautonomie im Sinne praktischer Konkordanz ergibt indes, dass den Beurteilungs- und Gestaltungsspielräumen der Tarifvertragsparteien derzeit noch ein höheres Gewicht beizumessen ist.

bb) Bei bewussten Regelungslücken ist eine ergänzende richterliche Auslegung des Tarifvertrags in der Regel ausgeschlossen. Bei unbewussten Regelungslücken ist sie zulässig, wenn hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung der Ersatzregelung hinreichende Anhaltspunkte für den Regelungswillen der Tarifvertragsparteien bestehen (Senatsurteil vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 144 m.w.N.). Unwirksame Regelungen in tarifvertraglichen Vorschriften schaffen zwar ungewollte Regelungslücken. Das bedeutet aber nicht ohne weiteres, dass sich die Tarifvertragsparteien einer rechtlichen Problematik nicht bewusst gewesen sind. Sie haben die § 79 Abs. 1a VBLS zugrunde liegende Regelung in den ATV eingefügt, um dem durch das Senatsurteil vom 14. November 2007 festgestellten Gleichheitsverstoß der bisherigen Übergangsvorschrift für rentennahe Versicherte abzuhelfen.

cc) Bei Abwägung der geschützten Interessen der Tarifvertragsparteien einerseits und der Versicherten andererseits gebietet der Anspruch der Klägerin auf effektiven Rechtsschutz jedenfalls derzeit noch keine gerichtliche Übergangsregelung. Stehen den Tarifvertragsparteien mehrere Möglichkeiten für eine verfassungskonforme Neugestaltung der Übergangsregelungen offen, lassen sich gerichtliche Vorgaben für die Neuregelung mit der Tarifautonomie grundsätzlich nicht vereinbaren. Im Betätigungsfeld der Tarifvertragsparteien hat sich der Staat grundsätzlich einer Einflussnahme zu enthalten. Er überlässt die erforderlichen Regelungen der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zum großen Teil den Koalitionen, die sie autonom durch Vereinbarungen treffen (BVerfG VersR 2010, 1166 Rn. 25; ZTR 2010, 309 Rn. 29; vgl. auch BAGE 110, 277 unter 4 a). Danach ist eine gerichtliche Regelung nicht schon deswegen geboten, weil auch die neu gefasste Übergangsregelung für die rentenfernen Versicherten wegen Verstoßes gegen den allgemeinen Gleichheitssatz unwirksam ist.

Anders als die Revision meint, lässt sich den Ausführungen der Beklagten zur vermeintlichen Wirksamkeit der neu gefassten Startgutschriftenermittlung nicht entnehmen, dass sie nicht ernsthaft eine den grundgesetzlichen Anforderungen entsprechende Regelung verfolgen möchte. Maßgebend ist stattdessen, dass die zu regelnde Materie komplex ist und die zu treffende Neuregelung schon mit Blick auf die Anzahl der betroffenen rentenfernen Versicherten erhebliche finanzielle Auswirkungen haben kann. Angesichts dessen muss es, trotz des absehbar damit verbundenen Zeitaufwands, den Tarifvertragsparteien zunächst noch weiter vorbehalten bleiben, auf welche Weise sie die Startgutschrift für rentenferne Versicherte ermitteln wollen. Das Interesse der Versicherten hat dahinter zurückzustehen, auch wenn sich mittlerweile die ersten Jahrgänge zum Umstellungsstichtag rentenferner Versicherte r nicht mehr in der Anwartschaftsphase befinden (vgl. auch BVerfG VersR 2010, 1166 Rn. 26-28; ZTR 2010, 309 Rn. 30-32), sondern bereits eine Betriebsrente bei der Beklagten beziehen. Das erscheint aber, wovon auch das Berufungsgericht ausgeht, derzeit noch hinnehmbar, weil weiterhin ein beträchtlicher Teil der betroffenen Versicherten noch keine Rente bezieht und ihnen aufgrund der Unwirksamkeit der Übergangsregelung nicht ihre vollständige Betriebsrente, sondern allein eine gleichheitsgemäße Ermittlung der der Rente anteilig zugrunde liegenden Startgutschrift vorübergehend vorenthalten wird.

dd) Auf die von der Revision zusätzlich gegen das so genannte Näherungsverfahren erhobenen Einwendungen kommt es vor diesem Hintergrund nicht mehr an.

d) Schließlich hat das Berufungsgericht ebenfalls rechtsfehlerfrei die begehrte Dynamisierung der Startgutschrift der Klägerin abgelehnt. Die von den Tarifvertragsparteien und - ihnen folgend - der Beklagten getroffene Entscheidung, die Startgutschriften nach § 33 Abs. 7 ATV in Verbindung mit § 19 ATV, § 79 Abs. 7 VBLS in Verbindung mit § 68 VBLS allein dadurch zu dynamisieren, dass diese Bonuspunkte auslösen können, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Senatsurteile vom 24. März 2010 - IV ZR 296/07, BGHZ 185, 83 Rn. 24; IV ZR 168/08, [...] Rn. 22 und IV ZR 69/08, VersR 2010, 801 Rn. 22; vom 24. September 2008 - IV ZR 134/07 aaO Rn. 50; vom 14. November 2007 - IV ZR 74/06 aaO Rn. 81; BVerfG ZTR 2013, 668 Rn. 35).

Entgegen dem Vorwurf der Revision ist die unterbliebene Dynamisierung der Startgutschrift nicht gleichheitswidrig. Die Revision zeigt bereits keine Ungleichbehandlung wesentlich gleicher Sachverhalte auf. Sämtliche Versicherten erhalten unterschiedslos entsprechend ihrem Dienstalter ihre aufgrund ab dem Jahr 2002 geleisteter Umlagen oder Beiträge erworbenen Anwartschaften anhand des jeweiligen Altersfaktors nach § 36 Abs. 3 VBLS dynamisiert. Aufgrund von vor dem Jahr 2002 geleisteter Umlagen erworbene Anwartschaften werden, ebenfalls unterschiedslos für alle Versicherten, dadurch dynamisiert, dass sie Bonuspunkte auslösen können. Ein Vergleich der Startgutschrift mit dem Beamtenrecht, wie ihn die Revision vornimmt, scheidet bereits deswegen aus, weil die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes nach der Systemumstellung zulässigerweise (vgl. BVerfG ZTR 2008, 374 Rn. 71) nicht mehr auf eine Annäherung an die Beamtenversorgung abzielt.

Ein geschütztes Vertrauen der Versicherten lässt sich entgegen der Ansicht der Revision nicht aus Art. 1 des Zusatzprotokolls zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten herleiten. Diese Bestimmung umfasst unter Umständen zwar auch den auf Beschäftigung beruhenden Pensionsanspruch, garantiert aber keine Rente in einer bestimmten Höhe. Zulässig sind Eingriffe im öffentlichen Interesse, wobei auch insoweit der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Diesen Anforderungen genügen die Dynamisierungsregeln in der Satzung der Beklagten (Senatsurteil vom 17. September 2008 - IV ZR 191/05, VersR 2008, 1524 Rn. 24 f. m.w.N.).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 25. Januar 2017

Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 19.09.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 6 O 13/14
Vorinstanz: OLG Karlsruhe, vom 11.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 424/14