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BGH - Entscheidung vom 21.02.2017

1 StR 632/16

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 4

BGH, Beschluss vom 21.02.2017 - Aktenzeichen 1 StR 632/16

DRsp Nr. 2017/3835

Tateinheitliche Begehung der versuchten Strafvereitelung; Rechtsfehler bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung; Vortäuschung eines Strafmilderungsgrunds in Form einer "nachvollziehbaren Racheaktion"

Erfolgen sowohl der wahrheitswidrige Vortrag des Angeklagten im Haftprüfungstermin im Strafverfahren gegen seinen Mandanten als auch die Einwirkungen auf drei Zeugen aufgrund eines einheitlichen Verteidigungskonzeptes, so sind sie als eine Tat im Rechtssinne anzusehen. Denn sie sind sämtlich darauf gerichtet, einen Strafmilderungsgrund in Form einer "nachvollziehbaren Racheaktion" vorzutäuschen, um eine mildere Bestrafung des Mandanten des Angeklagten zu erreichen. Somit stellen sie bei deliktsbezogener nach den Grenzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitlichen Versuch der Strafvereitelung dar.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 31. August 2016

a)

dahingehend abgeändert, dass der Angeklagte wegen versuchter Strafvereitelung in Tateinheit mit Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage in zwei Fällen und mit versuchter Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage verurteilt ist,

b)

im Strafausspruch aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 4 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Strafvereitelung in vier Fällen, davon in zwei Fällen jeweils in Tateinheit mit Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage und in einem Fall in Tateinheit mit dem Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die allgemeine Sachrüge gestützten Revision, die nur in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg hat.

1. Wie der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, zeigt die revisionsrechtliche Prüfung einen Rechtsfehler nur bei der konkurrenzrechtlichen Bewertung auf. Die Annahme des Landgerichts, es handele sich um vier selbständige, tatmehrheitlich begangene Taten der versuchten Strafvereitelung, trifft nicht zu. Vielmehr liegt nur eine einheitliche Tat vor.

Der wahrheitswidrige Vortrag des Angeklagten im Haftprüfungstermin im Strafverfahren gegen seinen Mandanten und die Einwirkungen auf die drei Zeugen erfolgten aufgrund eines einheitlichen Verteidigungskonzeptes und sind somit als eine Tat im Rechtssinne anzusehen. Denn sie sind sämtlich darauf gerichtet, einen Strafmilderungsgrund in Form einer "nachvollziehbaren Racheaktion" vorzutäuschen, um eine mildere Bestrafung des Mandanten des Angeklagten zu erreichen. Somit stellen sie bei deliktsbezogener Betrachtung (BGH, Beschluss vom 3. Mai 1994 - GSSt 2/93, GSSt 3/93, BGHSt 40, 138 , 163 f.) nach den Grenzen der tatbestandlichen Handlungseinheit nur einen einheitlichen Versuch der Strafvereitelung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Dezember 2008 - 3 StR 203/08, BGHR StGB § 258 Abs. 1 Konkurrenzen 1 mwN). Eine rechtlich bedeutsame Zäsur ist innerhalb des Tatzeitraums nicht eingetreten.

Die Bewertung des Verhaltens als einheitlicher Versuch der Strafvereitelung führt zur Annahme von Tateinheit auch bezüglich der im Zuge dieses Handelns begangenen Anstiftungen zur uneidlichen Falschaussage bzw. dem Versuch der Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage durch Verklammerung. Die hierfür erforderliche annähernde Wertgleichheit (vgl. BGH aaO mwN) ist mit Blick auf die konkreten Umstände der Tat trotz der versuchsbedingten Milderung des Strafrahmens der Strafvereitelung gegeben.

2. Der Senat konnte den Schuldspruch selbst umstellen; es ist auszuschließen, dass der Angeklagte sich hiergegen anders hätte verteidigen können. Mit der Annahme von Tateinheit entfallen die festgesetzten Einzelstrafen und damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Der Aufhebung von Feststellungen bedurfte es nicht, da es sich um einen reinen Wertungsfehler handelt.

Vorinstanz: LG Ulm, vom 31.08.2016