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BGH - Entscheidung vom 04.07.2017

X ZR 137/15

Normen:
PatG § 121 Abs. 2 S. 2

BGH, Urteil vom 04.07.2017 - Aktenzeichen X ZR 137/15

DRsp Nr. 2017/13000

Patentstreit betreffend eine Küchenmaschine mit einem Rührgefäß und einem darin befindlichen, angetriebenen Rührwerk; Beurteilung der Patentfähigkeit eines Gegenstands; Erweiterung der Funktionen einer gattungsgemäßen Küchenmaschine in einfacher Weise; Prinzipien der Neuheitsprüfung

Wenn Merkmale eines in der Beschreibung dargestellten Ausführungsbeispiels den durch die Erfindung erstrebten Erfolg sowohl für sich, als auch zusammen fördern können, unterliegt es grundsätzlich der Dispositionsbefugnis des Patentinhabers, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränken will. Erforderlich ist insoweit lediglich, dass auch der auf diese Weise beschränkte Gegenstand aus fachmännischer Sicht den Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des 2. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 23. Juli 2015 abgeändert. Das europäische Patent 757 530 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig erklärt, soweit es über eine Fassung hinausgeht, in der in Patentanspruch 1 zwischen den Wörtern "ein" und "Aufsatz (22)" die Wörter "mittels eines Deckels (23) abgedeckter" eingefügt sind und sich die folgenden Ansprüche auf diese Fassung des Patentanspruchs 1 rückbeziehen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 3/4 und die Beklagte 1/4.

Normenkette:

PatG § 121 Abs. 2 S. 2;

Tatbestand

Die Beklagte war Inhaberin des am 28. April 1995 unter Inanspruchnahme einer deutschen Priorität vom 28. April 1994 international angemeldeten ( WO 95/29615 [NK3]), inzwischen wegen Ablaufs der Schutzdauer erloschenen europäischen Patents 757 530 (im Folgenden: Streitpatent), das 10 Ansprüche umfasst. Patentanspruch 1 lautet in der Verfahrenssprache:

"1. Küchenmaschine (1) mit einem Rührgefäß (6) und einem Antrieb (8) für ein Rührwerk (10) in dem Rührgefäß (6), wobei das Rührgefäß (6) in seinem unteren Bereich aufheizbar ist, wobei das Rührgefäß (6) durch einen Einsatzdeckel (14) abgedeckt ist, dadurch gekennzeichnet, dass auf dem Einsatzdeckel (14) ein Aufsatz (22) angeordnet ist, der einen durchbrochenen Boden (29) aufweist zum Zubereiten durch Dünsten von Lebensmitteln (38), wobei die Durchbrüche (31) in einer Gargut-Auflage des Aufsatzbodens (29) ausgebildet sind und Kondensat oder entstehende Feuchtigkeit in das Rührgefäß (6) zurückgeleitet wird."

Wegen der auf diesen Anspruch rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 9 und des nebengeordneten Verfahrensanspruchs 10 wird auf die Streitpatentschrift Bezug genommen.

Die Klägerin, deren Abnehmerin m. -S. GmbH & Co KG aus dem Streitpatent in Anspruch genommen wird, hat dieses mit ihrer Nichtigkeitsklage in vollem Umfang angegriffen und geltend gemacht, seine Gegenstände seien nicht patentfähig; zudem gehe der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 über den Inhalt der Anmeldungsunterlagen in ihrer ursprünglich eingereichten (NK3 entsprechenden) Fassung hinaus.

Das Patentgericht hat die Klage abgewiesen. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin ihr erstinstanzliches Begehren weiter. Die Beklagte verteidigt das Streitpatent nur noch in beschränkter Fassung und beantragt im Übrigen die Zurückweisung der Berufung.

Entscheidungsgründe

I. Das Streitpatent betrifft eine Küchenmaschine mit einem Rührgefäß und einem darin befindlichen, angetriebenen Rührwerk.

Der Beschreibung des Streitpatents zufolge waren im Stand der Technik Küchenmaschinen mit einem angetriebenen Rührwerk bekannt, mit dem die in das Rührgefäß gegebenen Zutaten verrührt oder zu einem Teig verknetet werden konnten. Aus der deutschen Offenlegungsschrift 35 07 276 sei überdies bekannt gewesen, solche Küchenmaschinen zur Herstellung beispielsweise von Suppen, Soßen oder Ähnlichem mit einer bevorzugt im unteren Bereich des Rührgefäßes wirkenden Heizung auszustatten. Darin befindliche Suppe oder Soßen würden während der Heizphase verrührt, was zu einer optimalen Vermengung und zu einer verbesserten Aromatisierung der Speise führe.

Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, die Funktionen einer gattungsgemäßen Küchenmaschine in einfacher Weise zu erweitern. Dazu stellt Patentanspruch 1, merkmalsmäßig gegliedert, in der zuletzt verteidigten Fassung, die die erteilte um Merkmal 5b ergänzt, unter Schutz:

1.

Eine Küchenmaschine 1 mit einem Rührgefäß 6

2.

und einem Antrieb 8 für ein Rührwerk 10 in dem Rührgefäß 6.

3.

Das Rührgefäß 6 ist in seinem unteren Bereich aufheizbar

4.

und durch einen Einsatzdeckel 14 abgedeckt.

5.

Auf dem Einsatzdeckel 14 ist ein Aufsatz 22 angeordnet, der

a)

zum Zubereiten durch Dünsten von Lebensmitteln 38 einen durchbrochenen Boden 29 aufweist und

b)

mittels eines Deckels 23 abgedeckt ist,

6.

wobei die Durchbrüche in einer Gargut-Auflage des Aufsatzbodens 29 ausgebildet sind und Kondensat oder entstehende Feuchtigkeit in das Rührgefäß 6 zurückgeleitet werden.

3. Die zusätzliche Funktion der streitpatentgemäßen Küchenmaschine, Speisen zu garen oder Aromastoffe aus Gewürzen zu extrahieren, kommt in der Weise zum Einsatz, dass die Dämpfe, die aus der im Rührgefäß erhitzten Flüssigkeit aufsteigen, durch die Durchbrüche im Boden des Aufsatzes 22 (Merkmal 5a) hindurchtreten können und das in den Aufsatz gegebene, zu dünstende Gargut oder die dort hineingelegten Gewürze umströmen.

Das Streitpatent sieht dabei einen zusätzlichen Einsatzdeckel 14 vor, der einerseits das Rührgefäß abdeckt (Merkmal 4) und auf dem andererseits der Aufsatz 22 angeordnet ist (Merkmal 5). Dieser Einsatzdeckel, der das Rührgefäß zur Ermöglichung der Zirkulation von Dämpfen und Kondensat nicht vollständig verschließen darf, und der nach der zuletzt verteidigten Fassung des Patentanspruchs 1 seinerseits mit einem Deckel 23 versehene Aufsatz (Merkmal 5b) wirken bei der patentgemäßen Lösung zusammen. Die beim Garen entstehenden Dämpfe kondensieren (auch) am Aufsatzdeckel 23 und fließen, gegebenenfalls mit Gewürzextrakten oder Saft des Garguts angereichert, über den Einsatzdeckel 14 zurück in das Rührgefäß (Merkmal 5).

Vorzugsweise ist der Einsatzdeckel mit einer im Wesentlichen zentralen Großöffnung ausgestattet, und in der Beschreibung wird mit Blick auf den Rückfluss des Kondensats empfohlen, den Einsatz mit einem Gefälle zur zentralen Großöffnung hin auszustatten (Spalte 3 Zeile 14 ff.). Die Konjunktion "auf" in Merkmal 5 wird aus fachmännischer Sicht vor diesem Hintergrund in räumlicher Hinsicht dahin verstanden, dass der Aufsatz oberhalb des Einsatzdeckels angeordnet ist (vgl. Beschreibung Spalte 3 Zeilen 8 f.) und jedenfalls in Teilbereichen auf dem Einsatzdeckel aufliegen kann (vgl. Beschreibung Spalte 13 Zeile 4 ff.). In einer Ausführungsform wird dies, wie aus der nachfolgend eingefügten Figur 2 des Streitpatents ersichtlich,

konstruktiv dadurch gewährleistet, dass die Auflagefläche 25 des Aufsatzbodens 29 horizontal ausgerichtet ist, während die Wandung des darunter befindlichen Einsatzdeckels 14 trichterförmig gestaltet ist (Beschreibung Spalte 12 Zeile 8 ff., Zeile 18 ff.).

II. Das Patentgericht hat zur Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage angenommen, die Klägerin habe mit Blick auf den gegen eine Abnehmerin geführten Verletzungsprozess auch nach Ablauf der Schutzdauer des Streitpatents ein eigenes rechtliches Interesse an der rückwirkenden Vernichtung des Streitpatents.

In der Sache hat das Patentgericht eine unzulässige Erweiterung des Gegenstands von Patentanspruch 1 mit der Begründung verneint, der Einsatzdeckel müsse nach dem Inhalt der Anmeldung nicht zwingend eine zentrale Großöffnung aufweisen.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei auch patentfähig. Er werde durch die Küchenmaschine Thermomix TM 3300 nicht vorweggenommen, weil die Zweck- oder Funktionsbestimmung des auf diese Maschine aufsetzbaren Saftsiebs als Auflage zum Garen nicht offenbart sei, und beruhe auf erfinderischer Tätigkeit, weil der entgegengehaltene Stand der Technik keine Anregungen vermittelt habe, den erfindungsgemäßen Lösungsweg zu beschreiten.

III. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Berufung haben nur im Umfang der in der Berufungsverhandlung vorgenommenen Beschränkung des Gegenstands des Streitpatents Erfolg.

1. Die Annahme des Patentgerichts, für die Nichtigkeitsklage sei ein fortbestehendes Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin anzuerkennen, wird von der Berufungserwiderung nicht beanstandet und begegnet auch keinen rechtlichen Bedenken.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist, wie das Patentgericht zu Recht angenommen hat, nicht dadurch unzulässig erweitert, dass die Küchenmaschine in Merkmal 4 nur als allgemein mit einem Einsatzdeckel 14 versehen beansprucht ist und dieser nicht zusätzlich eine im Wesentlichen zentrale Großöffnung aufweisen muss, wie die in den Anmeldungsunterlagen beschriebenen Ausführungsbeispiele dies vorsehen und wie dies in den dort entworfenen Patentanspruch 3 Eingang gefunden hat.

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt es, wenn Merkmale eines in der Beschreibung dargestellten Ausführungsbeispiels den durch die Erfindung erstrebten Erfolg sowohl für sich, als auch zusammen fördern können, grundsätzlich der Dispositionsbefugnis des Patentinhabers, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner oder sämtlicher dieser Merkmale beschränken will (BGH, Beschluss vom 23. Januar 1990 - X ZB 9/89, BGHZ 110, 123 - Spleißkammer und ständig). Erforderlich ist insoweit lediglich, dass auch der auf diese Weise beschränkte Gegenstand aus fachmännischer Sicht den Anmeldungsunterlagen als zur Erfindung gehörend zu entnehmen ist.

Für die Beurteilung der hierauf zu untersuchenden Ursprungsoffenbarung gelten die Prinzipien der Neuheitsprüfung. Daher muss der Fachmann die im Anspruch bezeichnete technische Lehre den Ursprungsunterlagen "unmittelbar und eindeutig" als mögliche Ausführungsform der Erfindung entnehmen können (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 , Rn. 21 mwN - Kommunikationskanal).

Im Streitfall sieht das einschlägige Ausführungsbeispiel in Übereinstimmung mit dem hierzu formulierten Patentanspruch 3 der Anmeldung als fakultative Ergänzung der Küchenmaschine zwischen Rührgefäß und Aufsatz einen Einsatzdeckel vor, der das Rührgefäß abdeckt und mit einer im Wesentlichen zentralen Großöffnung versehen ist. Für den Fachmann ist offensichtlich, dass ein solcher Einsatzdeckel das Rührgefäß nicht vollständig oder nahezu vollständig verschließen darf, weil sonst weder der im Rührgefäß erzeugte Dampf in den Aufsatz aufsteigen noch Kondensat in das Rührgefäß zurückfließen könnte. Er muss daher notwendig Öffnungen oder zumindest eine (größere) Öffnung aufweisen. Für den Fachmann ist damit aber auch offensichtlich, dass mit der Entscheidung für einen solchen Einsatzdeckel weder Anzahl noch Ort der Öffnungen vorgegeben sind und der Einsatzdeckel weder zwingend eine Großöffnung aufweisen noch eine solche Großöffnung zwingend (im Wesentlichen) zentral angeordnet sein muss. Ebenso wie bei der in der Beschreibung unmittelbar anschließend empfohlenen trichterförmigen Ausgestaltung handelt es sich vielmehr lediglich um vorteilhafte, aber nicht zwingende Ausführungsformen eines für Dampf und Kondensat durchlässigen Einsatzdeckels.

3. Im Ergebnis zu Recht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 für patentfähig erachtet.

a) Die Neuheit von Patentanspruch 1 steht nach Aufnahme von Merkmal 5b in Patentanspruch 1 zwischen den Parteien zu Recht nicht mehr in Streit.

b) Ohne Erfolg greift die Berufung die Wertung des Patentgerichts an, der Gegenstand von Patentanspruch 1 gelte als auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.

aa) Die Annahme des Patentgerichts, der Fachmann verfüge über einen Abschluss als (Fach-)Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder eine vergleichbare Qualifikation und mehrjährige Erfahrung in der Konstruktion und Entwicklung von Küchengeräten, begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Soweit die Klägerin meint, als Fachmann müsse ein Team angesehen werden, zu dem auch ein Koch gehöre, kann dem jedenfalls für die hier interessierende Weiterentwicklung von Küchenmaschinen nicht beigetreten werden. Die mehrjährige praktische Erfahrung des Fachmanns schließt den Erwerb grundlegender Kenntnisse über die Modalitäten der Zubereitung von Speisen zum Verzehr ein; die Hinzuziehung eines Kochs in das Team von Fachleuten mag für Geräte in Betracht kommen, die für den Einsatz durch professionelle Köche - etwa in Großküchen oder in Bereichen der Gastronomie - konzipiert werden sollen. Dass Küchenmaschinen der hier interessierenden Art dazu gehören, ist weder dargelegt noch ersichtlich.

bb) Das Patentgericht hat zu Recht angenommen, dass die Überlegungen des Fachmanns zur Weiterentwicklung einer Küchenmaschine ihren Ausgangspunkt bei dem Gerät Thermomix TM 3300 und den diesbezüglich zugänglichen Handbüchern und Bedienungsanleitungen sowie bei dem Gegenstand des deutschen Gebrauchsmusters 75 31 236 (D1) nehmen konnten. Daraus ergibt sich indes keine hinreichende Anregung zur Auffindung des Gegenstands von Patentanspruch 1.

(1) Auf Seite 11 des als D5b eingereichten Anleitungsbuchs für den TM 3300 wird zwar als eine Einsatzmöglichkeit des Saftsiebs gezeigt, dieses erforderlichenfalls anstelle des dafür in erster Linie gedachten Messbechers als eine Art Diffusor auf die - dem Einsatzdeckel des Streitpatents entsprechende - mit einer zentralen Großöffnung versehene Abdeckung des Mixbechers zu setzen, damit durch die darin erhitzte Flüssigkeit erzeugter Dampf an dessen Oberseite, aber auch durch die Schlitze im Siebkörper austreten kann. Die Demonstration dieser "Verteilerfunktion" des Saftsiebs beim Thermomix TM 3300 gab dem Fachmann aber nicht deshalb Anlass, bei einem Kombinationsgerät wie einer Küchenmaschine mit Heizfunktion einen Aufsatz zum Garen über dem dabei als Kochgefäß fungierenden Mixbecher vorzusehen, weil zum fachmännischen Wissen gehörte, dass Speisen mittels Wasserdampf gegart (gedünstet) werden können. Dieser Umstand rechtfertigt ohne rückschauende Betrachtung nicht die Annahme, dass es für den Fachmann nahegelegen hätte, eine gedankliche Verknüpfung zwischen der demonstrierten Benutzung des Saftsiebs als - für Wasserdampf durchlässige - Abdeckung der Küchenmaschine und der Möglichkeit herzustellen, diese Abdeckung zu einem weiteren Kochgefäß für das Dünsten von Speisen umzufunktionieren.

(2) D1 gibt eine entsprechende Anregung ebenfalls nicht. Mit dem dort gezeigten Metalleinsatz 2 für den Metallbecher 1 des Küchenmixgeräts soll in Weiterentwicklung des Standes der Technik ermöglicht werden, Lebensmittel wie Kartoffeln oder Teigwaren oberhalb der Reichweite der Schlagmesser und damit unzerkleinert zuzubereiten. Das Dokument zeigt und beschreibt die Zubereitung des Garguts aber durchweg durch Kochen, also in der im Mixbecher erhitzten Flüssigkeit schwimmend, wobei als zusätzlicher Vorteil herausgestellt wird, dass ständig bewegte Flüssigkeiten in kürzerer Zeit kochten als stehende.

(3) Der Klägerin kann auch nicht in der Einschätzung gefolgt werden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann in der Zusammenschau mit dem weiteren in das Verfahren eingeführten Stand der Technik nahegelegt gewesen wäre.

(a) Die europäische Patentanmeldung 326 105 (D3) zeigt ein rohrförmiges Kochgerät zum Dampfgaren von Lebensmitteln in etagenförmig übereinander gestapelten Einsätzen mit perforierten Böden, um mit einer geringeren Zahl an Kochplatten auszukommen oder Energie einzusparen. Verschiedene Lebensmittel mit unterschiedlichen Garzeiten sollen zu unterschiedlichen Zeitpunkten in die Einsätze gegeben werden können; außerdem wird die zusätzliche Möglichkeit erwähnt, den als Basisteil fungierenden Topf selbst zum Kochen etwa von Reis zu benutzen.

Es liegt ebenso wenig nahe, den in D3 gezeigten zylindrischen Rohrabschnitt für die Dünsteinsätze konstruktiv vom Basisteil abzutrennen und mit dem Mixbecher des Thermomix 3300 oder von D1 zu kombinieren, wie umgekehrt das Kochen von Reis im Rührbecher einer Küchenmaschine, in dem ein Rührwerk rotiert. Die abstrakte Übertragung des in D3 vorgestellten Konzepts eines Kochgeräts mit mehreren übereinander gestapelten Einsätzen zum Dünsten verschiedener Speisen mit unterschiedlichen Garzeiten und gegebenenfalls gleichzeitigem Kochen eines anderen Lebensmittels im Basisbereich auf eine Küchenmaschine ist mit so erheblichem konstruktivem Anpassungsaufwand verbunden, dass dies ebenfalls nicht als dem Fachmann nahegelegt bewertet werden kann. Der Stand der Technik hat zwar die Kochfunktion für primär zur Teigherstellung oder zum Verkleinern und Mischen von Zutaten konzipierte Küchenmaschinen erschlossen, jedoch gehen die bekannten Lösungen nicht über die Nutzung der im Mixbecher erhitzten Flüssigkeit zum Garen hinaus.

(b) Die schweizerische Patentschrift 17 12 98 (D8) aus dem Jahr 1934 zeigt einen Aufsatz für Töpfe oder Pfannen, bei dem der aus Letzteren aufsteigende Dampf durch Perforierungen in der Unterseite des Aufsatzes zum Garen von darin befindlichen Lebensmitteln verwendet werden kann. Die gleichzeitige Zubereitung von Lebensmitteln ist zwar angesprochen; dass der sich Fachmann aus diesem sehr altem Stand der Technik Aufschluss für eine Fortentwicklung versprochen hätte, ist aber nicht zu erwarten, weil er keine hinreichende sachliche Nähe zur erfindungsgemäßen Lösung aufweist (vgl. BGH, Urteil vom 31. Januar 2017 - X ZR 119/14, GRUR 2017, 498 - Gestricktes Schuhoberteil). Für das wesentliche Element der Erfindung, Lebensmittel unter Einsatz einer Küchenmaschine durch Dünsten zu garen, bietet er keine Anregung.

Entsprechendes gilt für die US-Patentschrift 345 307 aus dem Jahr 1886(D7).

(c) Der übrige Stand der Technik liegt noch weiter vom Gegenstand von Patentanspruch 1 ab. Die schweizerische Patentschrift 36 76 03 (D4) etwa zeigt eine Zusatzvorrichtung für Kochtöpfe, die im Wesentlichen aus einem mittels Henkelgriffen in Töpfe einzusetzenden Behälter mit Siebboden und einem mittig angeordneten Steigrohr sowie einem als Stufenring bezeichneten Aufsatz besteht. Sinn der Erfindung ist, dass kochendes Wasser im Steigrohr aufsteigt und das Kochgut, namentliche Reis, zirkulierend benetzt und so gleichmäßig gegart wird. Die Übereinstimmungen mit dem Streitpatent reduzieren sich darauf, dass der Behälter nach dem Garvorgang auf dem auf dem Rand des verwendeten Kochtopfes aufgesetzten Stufenring abgestellt werden kann.

IV. Die Unteransprüche haben in Rückbezug auf den beschränkten Patentanspruch 1 Bestand; für die Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 10 gelten die Ausführungen zu Anspruch 1 sinngemäß.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 Satz 2 PatG i.V.m. § 92 Abs. 1 , § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 4. Juli 2017

Vorinstanz: BPatG, vom 23.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Ni 20/13 (EP)