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BGH - Entscheidung vom 04.04.2017

X ZR 61/15

Normen:
PatG § 121 Abs. 2

BGH, Urteil vom 04.04.2017 - Aktenzeichen X ZR 61/15

DRsp Nr. 2017/6864

Patentfähigkeit eines Verfahrens sowie einer Vorrichtung zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen; Messungen an einem realen Fahrzeug zur Gewinnung von Messgrößen über das Fahrverhalten; Laufende Überprüfung der Erfüllung von vorbestimmten Triggerbedingungen

Ein Streitpatent, das das technische Problem betrifft, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine zuverlässige und reproduzierbare Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ermöglichen, ist insoweit für nichtig zu erklären, als zwar Messungen an einem realen Fahrzeug vorgesehen sind, der Patentanspruch aber keine Festlegungen dazu enthält, wie dieses Fahrzeug betrieben wird.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 6. Mai 2015 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 121 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 846 925 (Streitpatents), das am 27. November 1997 unter Inanspruchnahme zweier Prioritäten vom 3. Dezember 1996 und 3. Juli 1997 angemeldet wurde und ein Verfahren sowie eine Vorrichtung zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen betrifft. Die Patentansprüche 1 und 11 lauten in der Verfahrenssprache:

1.

Verfahren zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen, mit folgenden Schritten:

-

Durchführen von Messungen an einem realen Fahrzeug zur Gewinnung von Messgrößen über das Fahrverhalten;

-

laufende Überprüfung, ob vorbestimmte Triggerbedingungen (4a), d. h. Konstellationen von Messgrößen (2, 3), erfüllt sind, die vorbestimmten Fahrzuständen des Kraftfahrzeugs entsprechen;

-

nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen (4a) erfüllt ist, Berechnen mindestens einer Bewertungsgröße (Dr), die die Fahrbarkeit des Fahrzeugs ausdrückt, aus einer oder mehrerer Messgrößen (2, 3) aufgrund einer vorbestimmten, von der Triggerbedingung abhängigen Funktion;

-

Ausgeben der Bewertungsgröße (Dr).

11.

Vorrichtung zur Beurteilung der Fahrbarkeit von Kraftfahrzeugen, welche folgende Elemente aufweist:

-

ein Messsystem mit Messwertaufnehmern zur Erfassung zumindest einer für die Fahrbarkeit relevanten Messgröße (2, 3) aus der Gruppe Motordrehzahl (N), Drosselklappenstellung (DK), Gaspedalstellung, Fahrzeuggeschwindigkeit, Fahrzeuglängsbeschleunigung (a), Saugrohrunterdruck, Kühlmitteltemperatur, Zündzeitpunkt, Einspritzmenge, Lambda-Wert, Abgasrückführrate und Abgastemperatur samt Aufnahmeelektronik;

-

ein Datenablagesystem (4) mit Triggerbedingungen (4a), das sind Konstellationen mehrerer Messgrößen (2, 3) sowie über mit Daten korrelierende Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit;

-

ein Zuordnungssystem (6) zum Zuordnen von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit des Fahrzeuges (B) zu den Daten (2, 3) über den Betriebszustand des Motors (A) und/oder des Fahrzeuges (B);

-

eine Auswerteeinheit (5) zum Vergleichen der gemessenen mit den abgelegten Daten sowie zur Bestimmung von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit unter Verwendung des Zuordnungssystems (6), unter der Voraussetzung, dass eine der Triggerbedingungen (4a) vorliegt, in Abhängigkeit von der Triggerbedingung.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand dieser beiden Ansprüche sowie der Patentansprüche 3 und 9 in deren Rückbezug auf Anspruch 1 sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent mit einem Hauptantrag und drei Hilfsanträgen in geänderter Fassung verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die in erster Linie die Abweisung der Klage anstrebt und hilfsweise ihre vier erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen.

1. Nach den Ausführungen in der Patentschrift sind für die Entwicklung und Optimierung eines Antriebssystems für Kraftfahrzeuge nicht nur objektive Größen wie Abgasemission, Verbrauch oder Leistung von Bedeutung, sondern auch die als Fahrbarkeit oder Driveability bezeichnete subjektive Einschätzung des Fahrverhaltens in transienten Betriebszuständen, etwa beim schnellen Niederdrücken des Gaspedals. Eine objektive und reproduzierbare Beurteilung dieses Parameters habe sich im Stand der Technik als schwierig erwiesen, unter anderem auch deshalb, weil in frühen Phasen der Entwicklung Versuchsfahrzeuge üblicherweise nicht zur Verfügung stünden und der Antriebsstrang auf einem Prüfstand nicht hinreichend genau simuliert werden könne.

Das Streitpatent betrifft vor diesem Hintergrund das technische Problem, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Verfügung zu stellen, die eine zuverlässige und reproduzierbare Analyse des Fahrverhaltens zu einem möglichst frühen Zeitpunkt ermöglichen.

2. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in den Patentansprüchen 1 und 11 ein Verfahren und eine Vorrichtung vor, deren Merkmale sich wie folgt gliedern lassen:

a) Das Verfahren gemäß Patentanspruch 1 dient der Analyse des Fahrverhaltens von Kraftfahrzeugen und umfasst folgende Schritte:

1.1

An einem realen Fahrzeug werden Messungen zur Gewinnung von Messgrößen über das Fahrverhalten durchgeführt.

1.2

Hierbei wird laufend überprüft, ob vorbestimmte Triggerbedingungen (4a) erfüllt sind, d. h. Konstellationen von Messgrößen (2, 3) vorliegen, die vorbestimmten Fahrzuständen des Kraftfahrzeuges entsprechen.

1.3

Nur dann, wenn eine der Triggerbedingungen (4a) erfüllt ist, wird mindestens eine Bewertungsgröße (Dr) berechnet, die die Fahrbarkeit des Fahrzeugs ausdrückt, und zwar

1.3.1

aus einer oder mehreren Messgrößen (2, 3) und

1.3.2

aufgrund einer vorbestimmten, von der Triggerbedingung abhängigen Funktion.

1.4

Die Bewertungsgröße (Dr) wird ausgegeben.

b) Die Vorrichtung gemäß Patentanspruch 11 dient der Beurteilung der Fahrbarkeit von Kraftfahrzeugen und weist folgende Elemente auf:

11.1

ein Messsystem mit Messwertaufnehmern zur Erfassung zumindest einer für die Fahrbarkeit relevanten Messgrößen (2, 3) aus der Gruppe Motordrehzahl (N), Drosselklappenstellung (DK), Gaspedalstellung, Fahrzeuggeschwindigkeit, Fahrzeuglängsbeschleunigung (a), Saugrohrdruck, Kühlmitteltemperatur, Zündzeitpunkt, Einspritzmenge, Lambda-Wert, Abgasrückführrate und Abgastemperatur;

11.2

eine Aufnahmeelektronik;

11.3

ein Datenablagesystem (4)

11.3.1

mit Triggerbedingungen (4a), das sind Konstellationen mehrerer Messgrößen (2, 3),

11.3.2

mit Bewertungsgrößen (Dr) zur Fahrbarkeit, die mit Daten korrelieren;

11.4

ein Zuordnungssystem (6) zum Zuordnen von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit des Fahrzeuges (B) zu den Daten (2, 3) über den Betriebszustand des Motors (A) und/oder des Fahrzeugs (B);

11.5

eine Auswerteeinheit (5)

11.5.1

zum Vergleichen der gemessenen mit den abgelegten Daten,

11.5.2

zur Bestimmung von Bewertungsgrößen (Dr) über die Fahrbarkeit unter Verwendung des Zuordnungssystems (6),

11.5.2.1

unter der Voraussetzung, dass eine der Triggerbedingungen (4a) vorliegt,

11.5.2.2

in Abhängigkeit von der Triggerbedingung.

3. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 erfordert Messungen an einem realen Fahrzeug. Im Mittelpunkt steht eine automatisierte und objektivierte Bewertung, die weder einen Eingriff noch eine subjektive Beurteilung durch Testpersonen erfordert.

a) Gemäß Merkmal 1.2 wird laufend überprüft, ob bestimmte Triggerbedingungen erfüllt sind, d.h. ob eine oder mehrere der erfassten Messgrößen bestimmte vordefinierte Werte aufweisen.

aa) Diese Triggerbedingungen dienen als Indikatoren für bestimmte Fahrzustände, denen für die Bewertung der Fahrbarkeit besondere Bedeutung zukommt.

Als Beispiele für solche Fahrzeugzustände werden in der Beschreibung eine plötzliche Öffnung der Drosselklappe nach einem Zustand niedriger Drehzahl und geringer Last ("Tip-In"), ein Leerlauf des Motors und ein Schaltvorgang angeführt (Abs. 13 Z. 4-7). Wie die Triggerbedingungen, mit denen diese Fahrzustände indiziert werden, im Einzelnen zu definieren sind, überlässt das Streitpatent dem Fachmann.

bb) Eine laufende Überprüfung im Sinne von Merkmal 1.2 erfordert, dass die erfassten Messgrößen wiederholt überprüft werden, und zwar mit Zeitabständen, die hinreichend kurz sind, um das Auftreten einer vorbestimmten Triggerbedingung ermitteln zu können.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist hingegen nicht zwingend erforderlich, dass die Auswertung noch während der Fahrt oder gar in Echtzeit erfolgt. In der Beschreibung des Streitpatents wird zwar eine entsprechende Verfahrensweise als besonders vorteilhaft geschildert (Abs. 53). Zugleich wird aber ausgeführt, das System könne wahlweise im Online- oder im Offline-Betrieb eingesetzt werden (Abs. 42). Im Offline-Betrieb können die Auswerteergebnisse tabellarisch und grafisch dargestellt, auffällige Werte hervorgehoben und die Ergebnisse mehrerer Messungen miteinander verglichen werden (Abs. 51). Dies lässt es jedenfalls als Möglichkeit offen, die Erfassung der Messwerte und deren Auswertung zeitlich voneinander zu trennen.

b) Die bei Eintritt einer Triggerbedingung vorgenommene Bewertung erfolgt gemäß den Merkmalen 1.3.1 und 1.3.2 anhand einer vordefinierten Funktion, in die eine oder mehrere Messgrößen einfließen. Als Beispiel für eine relevante Messgröße wird in der Beschreibung die Schwingungsamplitude der Fahrzeuglängsbeschleunigung bei einer charakteristischen Ruckelfrequenz angeführt (Abs. 14).

Die Zuordnung eines bestimmten Messwerts oder einer bestimmten Konstellation von Messwerten zu einem Bewertungsergebnis hängt nach Merkmal 1.3.2 zusätzlich von der Triggerbedingung ab, deren Eintritt die Bewertung ausgelöst hat. Damit kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Fahrer einen bestimmten Fahrzeugzustand, etwa ein verstärktes Ruckeln, nicht in jedem Betriebszustand in gleichem Maße als störend empfindet.

c) Die in Merkmal 1.2 vorgesehenen Triggerbedingungen und die nach Merkmalsgruppe 1.3 zu berechnende Bewertungsgröße sind voneinander zu unterscheiden.

Beide Kategorien werden zwar entscheidend geprägt durch die gemäß Merkmal 1.1 erfassten Messgrößen. Darüber hinaus fließt die Art des Triggervorgangs gemäß Merkmal 1.3.2 in das Ergebnis des Bewertungsvorgangs ein. Für dieses Ergebnis können gemäß Merkmal 1.3.1 aber weitere Messgrößen von Bedeutung sein. Eine Konstellation von Messgrößen, die einen bestimmten Triggervorgang definiert, ist damit jedenfalls nicht zwingend identisch mit der Zusammenstellung von Messgrößen, aus denen sich die Bewertungsgröße ergibt.

Bei dem in der Beschreibung des Streitpatents (Abs. 13 f.) geschilderten Beispiel wird bei Eintreten des Fahrzustands "Tip-In" eine Bewertung vorgenommen, die vorzugsweise anhand der Schwingungsamplitude der Fahrzeuglängsbeschleunigung bei einer charakteristischen Ruckelfrequenz erfolgt. Die für diesen Fahrzustand definierten Triggerbedingungen werden in dem genannten Ausführungsbeispiel nicht im Einzelnen benannt. Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass sie nicht zwingend durch die Fahrzeuglängsfrequenz bestimmt sein müssen.

d) In Patentanspruch 1 ist nicht näher festgelegt, welche Messgrößen und Triggerbedingungen einzusetzen und wie die Funktionen zur Zuordnung von Messergebnissen und Triggerbedingungen zu Bewertungsergebnissen auszugestalten sind.

Als mögliche Messgrößen werden in der Beschreibung (Abs. 12 aE) und in Patentanspruch 3 die Motordrehzahl, die Stellung von Drosselklappe oder Gaspedal, die Geschwindigkeit und die Längsbeschleunigung des Fahrzeugs, der Unterdruck im Saugrohr, die Temperatur des Kühlmittels, der Zündzeitpunkt, die Menge des eingespritzten Kraftstoffs, der Lambda-Wert sowie die Rückführrate und die Temperatur der Abgase angeführt. Als mögliche Methode für die Ableitung der Funktion zur Berechnung der Bewertungsgröße wird in der Beschreibung (Abs. 13 Z. 12-17) und in dem nicht angegriffenen Patentanspruch 2 die statistische Auswertung der Aussagen von Versuchspersonen angeführt. Als mögliche Methoden zur Zuordnung der Bewertungsgrößen werden in Patentanspruch 9 mathematische und statistische Routinen, Vergleichsrechnungen, Fuzzy-Logik-Verfahren und neuronale Netze genannt.

e) Patentanspruch 1 sieht zwar Messungen an einem realen Fahrzeug vor. Er enthält aber keine Festlegungen dazu, wie dieses Fahrzeug betrieben wird.

In der Beschreibung wird zwar ausgeführt, das System könne im Permanentbetrieb im realen Fahrbetrieb eingesetzt werden (Abs. 45). Dies hat in Patentanspruch 1 aber keinen Niederschlag gefunden.

Eine abweichende Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass einige der beispielhaft angeführten Messgrößen, etwa die Längsbeschleunigung des Fahrzeugs, nur im realen Fahrbetrieb unmittelbar gemessen werden können. Die einzelnen Messgrößen sind sowohl in der Beschreibung als auch in Patentanspruch 3 nur optional vorgegeben. Die Auswahl kann sich mithin auf Größen beschränken, die auch auf einem Prüfstand gemessen werden können, etwa die Motordrehzahl oder die Stellung der Drosselklappe.

f) Patentanspruch 1 umfasst nicht die in der Beschreibung dargestellte Messung und Bewertung anhand eines simulierten Antriebsstrangs auf einem Prüfstand. Die Ergebnisse von Bewertungen, die nach dem geschützten Verfahren vorgenommen werden, können aber zum Erstellen und Optimieren eines Simulationsmodells genutzt werden (S. 3 Z. 41-45).

4. Die in Patentanspruch 11 geschützte Vorrichtung ermöglicht die Durchführung des Verfahrens nach Patentanspruch 1 anhand der in Patentanspruch 3 vorgesehenen Messgrößen. Der Schutz für eine solche Vorrichtung wird unabhängig von einer konkreten Verwendung beansprucht, also unabhängig davon, ob die Vorrichtung in einem realen Fahrzeug oder in einem Modell, im realen Verkehr oder auf einem Prüfstand eingesetzt wird.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand der angegriffenen Patentansprüche sei dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Fahrzeugtechnik mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Messtechnik, durch eine Veröffentlichung der US-Umweltschutzbehörde vom April 1981 (EPA, Light-Duty Vehicle Driveability Procedure Investigation, D1) nahegelegt. Darin würden Messungen an einem realen Fahrzeug auf einem Prüfstand beschrieben, bei denen ein Computer so programmiert sei, dass er bestimmte Fahrzustände anhand charakteristischer Bewegungen der Drosselklappe sowie weiterer Messgrößen wie Schaltvorgängen und Fahrzeuggeschwindigkeit erkennen könne. Dies sei eine laufende Überprüfung auf Triggerbedingungen im Sinne von Merkmal 1.2. Beim Auftreten bestimmter Zustände werde eine als "demerits" bezeichnete Bewertungsgröße berechnet. Diese beruhe auf der Bewertung durch Versuchspersonen. Entgegen der Auffassung der Technischen Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts sei das in D1 offenbarte System nicht darauf beschränkt, aus dem gemessenen Wert der Beschleunigungs-Fluktuationen einen einzigen Wert zu ermitteln. Unterschiedliche Triggerbedingungen bedingten zwangsläufig unterschiedliche Fahrzustände und stellten deshalb die Bewertung zwangsläufig in Abhängigkeit von übergeordneten Fahrzuständen, soweit diese durch Triggerbedingungen repräsentiert würden. Für den Fachmann habe es nahegelegen, das in D1 für den Rollenprüfstand offenbarte Verfahren auf den Echtfahrbetrieb zu übertragen. Die in den Patentansprüchen 3 und 9 sowie in den Hilfsanträgen zusätzlich vorgesehenen Merkmale seien in D1 offenbart. Die in Patentanspruch 11 zusätzlich vorgesehenen Merkmale könnten eine eigenständige erfinderische Tätigkeit nicht begründen.

III. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung im Berufungsverfahrenstand.

1. Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass in der im Jahr 1981 von der Amoco Oil Company im Auftrag der US-Umweltschutzbehörde erstellten Studie (EPA, Light-Duty Vehicle Driveability Procedure Investigation, D1) alle Merkmale der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 offenbart sind.

a) In der Studie wird über ein Forschungsprogramm berichtet, bei dem Geräte und Computerprogramme entwickelt werden sollten, mit denen die Fahrbarkeit von Kraftfahrzeugen objektiv beurteilt werden kann (D1 S. 1).

Hierzu wurden mit einem einzelnen Fahrzeug knapp zweihundert Tests auf einem Rollenprüfstand durchgeführt (D1 S. 1). Dabei wurden fünfmal pro Sekunde (D1 S. 7) insgesamt sechs Parameter erfasst, nämlich die Geschwindigkeit des Fahrzeugs, die Drehzahl des Motors, der Unterdruck im Ansaugkrümmer, die Position der Drosselklappe, das Drehmoment an der Antriebswelle und die Spannung am Anlasser (D1 S. 3). Zu Beginn der Untersuchung wurden zusätzlich die Fahrzeugbeschleunigung, die Motorschwingungen, eine relative Drehbewegung des Motors sowie die Zugkraft erfasst; hiervon wurde im weiteren Verlauf jedoch im Hinblick auf Probleme bei der Erfassung oder Auswertung abgesehen (D1 S. 4).

Bei den Tests wurden drei unterschiedliche, von verschiedenen Organisationen vorgegebene Fahrzyklen bei zwei unterschiedlichen Temperaturen und mit zwei unterschiedlichen Rollenarten absolviert. Zwei erfahrene Testpersonen erfassten mittels eines Eingabegeräts, das die Art des jeweils beabsichtigten Manövers anzeigte, die Art und die Intensität von dabei auftretenden Problemen (Stottern/Ruckeln, verzögerte Gasannahme, Absterben des Motors, Rauigkeit im Leerlauf, Startschwierigkeiten, Fehlzündungen, schwerfällige Beschleunigung, plötzlicher Leistungsanstieg). Hierzu wurden Fehlerpunkte (demerits) vergeben, deren Anzahl teils von der Schwere des Problems und teils vom Kontext abhing, in dem das Problem auftrat (vgl. D1 S. A-I-3 f.).

Anhand der so ermittelten Daten wurde versucht, mittels statistischer Regressionsanalyse Formeln zu entwickeln, mit denen sich anhand bestimmter Messwerte eine Fehlerpunktzahl errechnen lässt, die mit der von den Testpersonen vergebenen Punktzahl möglichst genau übereinstimmt. Um die zu verarbeitende Datenmenge zu reduzieren, wurden für bestimmte Arten von Problemen nur Daten bestimmter Manöver berücksichtigt. So wurden für die Ermittlung von Startproblemen nur Startmanöver ausgewertet. Auf ein Absterben des Motors im Leerlauf wurden nur Start- oder Leerlaufphasen überprüft, für ein Absterben des Motors während der Fahrt alle Manöver außer Start oder Leerlauf. Für die Ermittlung von Stottern und verzögerter Gasannahme wurden nur Beschleunigungsmanöver ausgewertet; als solche wurden Fahrzustände angesehen, in denen die Drosselklappe bestimmte Bewegungen ausführte oder bestimmte Stellungen einnahm. Intervalle, in denen ein Schaltvorgang erfolgte, blieben generell unberücksichtigt, weil einige Betriebsparameter auf einen Schaltvorgang im Wesentlichen gleich reagierten wie auf ein Stottern und weil ein Schaltvorgang nicht als Fahrbarkeitsproblem angesehen wurde (D1 S. 14).

Die zur Errechnung der Fehlerpunkte herangezogenen Messwerte und die auf sie anzuwendenden Formeln wurden teilweise durch Ausprobieren ermittelt. So wurde die Punktzahl für Stottern anhand der Dauer und der Amplitude von Veränderungen der Motordrehzahl berechnet. Hierbei wurden nur Zeiträume berücksichtigt, in denen die Veränderung der Drehzahl einen bestimmten Mindestwert überschritt (D1 S. 15). Die Punktzahl für verzögerte Gasannahme wurde anhand des Verhältnisses zwischen einer Veränderung der Drosselklappenstellung und der Veränderung der Motordrehzahl innerhalb bestimmter Intervalle ermittelt (D1 S. 19). Um ein Absterben des Motors zu ermitteln, wurden Zeitpunkte gesucht, bei denen der Anlasser betätigt wurde. Für ein Absterben in einer Start- oder Leerlaufphase wurden 8 Fehlerpunkte vergeben, für ein Absterben in Phasen der Beschleunigung oder des Fahrens mit konstanter Geschwindigkeit 32 Fehlerpunkte (D1 S. 25).

b) Damit sind die Merkmale 1, 1.1 und 1.4 offenbart.

aa) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht dem nicht entgegen, dass das Fahrzeug bei den in D1 geschilderten Versuchen auf einem Rollenprüfstand betrieben wurde. Wie bereits oben aufgezeigt wurde, erfordert Merkmal 1.1 zwar Messungen an einem realen Fahrzeug, nicht aber dessen realen Betrieb.

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung ist ferner unerheblich, dass die in D1 geschilderten Versuche nicht von einem Automobilhersteller, sondern von einem Kraftstofflieferanten im Auftrag der Umweltschutzbehörde durchgeführt wurden. Patentanspruch 1 enthält keine Festlegungen dazu, wer das Verfahren anwendet.

cc) Entgegen der Auffassung der Berufung setzt Merkmal 1 nicht voraus, dass zumindest die Fahrzeuggeschwindigkeit sowie die Beschleunigung in Längsrichtung gemessen werden.

Wie bereits oben dargelegt wurde, enthält Patentanspruch 1 keine Vorgaben dazu, welche Messgrößen erfasst werden. Solche Vorgaben finden sich, soweit für den Streitfall relevant, lediglich in den Patentansprüchen 3 und 11; selbst danach genügt es aber, eine allein auf den Motor bezogene Messgröße wie etwa Motordrehzahl, Stellung der Drosselklappe oder Kühlmitteltemperatur zu messen.

c) Ebenfalls offenbart ist Merkmal 1.2.

aa) Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, wird bei den in D1 geschilderten Versuchen fünfmal in der Sekunde die Stellung der Drosselklappe erfasst. Bestimmte charakteristische Bewegungen werden als Beschleunigungsvorgang interpretiert, was dazu führt, dass die erfassten Daten nach Anzeichen für Stottern oder verzögerte Gasannahme untersucht werden.

Darin hat das Patentgericht zutreffend die Definition von Triggerbedingungen anhand einer Konstellation von Messgrößen, nämlich von charakteristischen Abfolgen der Drosselklappenstellung gesehen.

Entgegen der Auffassung der Berufung steht dem nicht entgegen, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren die Bewertung eines Beschleunigungsvorgangs fortgesetzt wird, bis eine andere charakteristische Bewegung oder Stellung der Drosselklappe ermittelt wird. Vielmehr entspricht es gerade dem in Merkmal 1.2 vorgesehenen Ansatz, einen Bewertungsvorgang so lange fortzusetzen, wie die dafür maßgebliche Triggerbedingung erfüllt ist. Bei einem Fahrzustand, der sich über einen längeren Zeitraum hinweg erstreckt, kann sich folglich auch der Bewertungsvorgang über einen entsprechend langen Zeitraum erstrecken.

Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich eine abweichende Beurteilung auch nicht daraus, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren während eines Beschleunigungsvorgangs nach auftretenden Fahrbarkeitsmängeln gesucht wird und diese nicht anhand der Messdaten der Drosselklappensteuerung identifiziert werden, sondern anhand der Motordrehzahl. Diese Vorgehensweise entspricht vielmehr dem bereits oben aufgezeigten Zusammenspiel zwischen Merkmal 1.2 und der Merkmalsgruppe 1.3, nach dem der Eintritt einer Triggerbedingung zum Anlass genommen wird, anhand anderer Messgrößen eine Bewertung der Fahrbarkeit vorzunehmen.

Zu Unrecht macht die Berufung ferner geltend, bei dem in D1 offenbarten Verfahren könnten die einzelnen Fahrzustände nur anhand von Tastatureingaben der Testperson festgestellt werden. Bei der Beschreibung der grundlegenden Abläufe wird in D1 (S. 14) zwar ausgeführt, einer der Tastatureinträge betreffe die Art des gerade auszuführenden Manövers. Im gleichen Zusammenhang wird aber, wie die Berufungserwiderung zutreffend ausführt, dargelegt, bei einem der absolvierten Fahrzyklen (dem CRC-Zyklus) seien Start, Länge und Ende jedes Manövers vom Computer durch die Bewegungen und die Stellung der Drosselklappe definiert. Daran schließen sich die bereits erwähnten Ausführungen an, der Computer könne anhand bestimmter Bewegungen und Stellungen der Drosselklappe einen Beschleunigungsvorgang erkennen. Damit ist jedenfalls für die Tests im CRC-Fahrzyklus offenbart, dass die Triggerbedingungen anhand der erfassten Messgrößen ermittelt werden. Ob dies auch für andere Fahrzyklen gilt und ob es andere Fahrzustände gibt, für die in D1 keine Triggerbedingungen definiert sind, ist angesichts dessen unerheblich.

bb) Dass die Auswertung in D1 erst nach Abschluss des Testzyklus erfolgt, steht der Offenbarung von Merkmal 1.2 ebenfalls nicht entgegen. Merkmal 1.2 erfordert aus den bereits oben angeführten Gründen nicht eine sofortige Auswertung der erfassten Messwerte.

cc) Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es bei dem in D1 offenbarten Verfahren nicht deshalb an einer laufenden Überprüfung auf Triggerbedingungen, weil nur ein bestimmter Teil der Daten auf bestimmte Mängel ausgewertet wird.

Nach Merkmal 1.2 werden die erfassten Messdaten laufend darauf überprüft, ob vorbestimmte Triggerbedingungen erfüllt sind. Eine solche Überprüfung findet auch bei dem in D1 offenbarten Verfahren statt, indem in einem ersten Schritt diejenigen Daten ausgewählt werden, anhand derer eine Bewertung durchgeführt wird, und Daten, die den hierfür festgelegten Kriterien nicht entsprechen, aus der weiteren Betrachtung ausgeschlossen werden.

Entgegen der Auffassung der Beklagten erfordert Merkmal 1.2 demgegenüber keine laufende Heranziehung der erfassten Messdaten zur Berechnung einer Bewertungsgröße. Eine solche Berechnung hat nach Merkmal 1.3 vielmehr nur dann zu erfolgen, wenn eine der vorbestimmten Triggerbedingungen erfüllt ist.

d) Offenbart ist auch die Merkmalsgruppe 1.3.

aa) Die bei dem in D1 offenbarten Verfahren errechneten Fehlerpunkte (demerits) stellen eine Bewertungsgröße im Sinne von Merkmal 1.3 dar, mit der die Fahrbarkeit des Fahrzeugs ausgedrückt wird.

Die Fahrbarkeit wird in D1 umso schlechter beurteilt, je höher die Anzahl an Fehlerpunkten ist. Die Punktzahl ist folglich eine Größe, mit der die Fahrbarkeit bewertet wird. Dies entspricht der im Ausführungsbeispiel des Streitpatents (Abs. 66) beschriebenen Bewertung mit einem Punktesystem zwischen 5 ("sehr störend für alle Fahrer") und 10 ("nicht störend für besonders erfahrene Testfahrer"). Dass eine hohe Punktzahl im einen Fall eine negative und im anderen Fall eine positive Bewertung ausdrückt, ist unerheblich, weil Patentanspruch 1 insoweit keine Festlegungen trifft.

bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten wird bei dem in D1 offenbarten Verfahren eine Bewertungsgröße nur dann errechnet, wenn eine vorbestimmte Triggerbedingung erfüllt ist.

Das Patentgericht hat insoweit zu Recht als ausschlaggebend angesehen, dass auch in D1 eine Bewertung nur dann erfolgt, wenn bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sind, deren Vorliegen anhand der erfassten Messgrößen ermittelt wird. So werden eine Überprüfung auf Stottern und verzögerte Gasannahme und eine sich daraus ergebende negative Bewertung nur dann vorgenommen, wenn ein Beschleunigungsvorgang registriert wird. Darüber hinaus unterbleibt eine Bewertung generell während eines Schaltvorgangs.

Dass ein Absterben des Motors zu jedem Zeitpunkt zu einer negativen Bewertung führen kann, führt nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Auch die Vornahme dieser Bewertung hängt insoweit vom Vorliegen einer Triggerbedingung ab, als zwischen einem Absterben im Leerlauf und einem Absterben während der Fahrt unterschieden wird.

Entgegen der Auffassung der Berufung wird bei dem in D1 offenbarten Verfahren eine Bewertung während eines Beschleunigungsmanövers nicht zusätzlich davon abhängig gemacht, dass ein Stottern auftritt. Das Auftreten dieses Effekts ist vielmehr eine Messgröße, die in die Bewertung einfließt. Diese Vorgehensweise hat zwar zur Folge, dass keine Fehlerpunkte vergeben werden, wenn es während eines Beschleunigungsmanövers nicht zu Stottern oder sonstigen für diese Periode als relevant eingestuften Problemen kommt. Darin liegt aber nicht das Absehen von einer Bewertung, sondern eine Bewertung mit dem bestmöglichen Wert von 0 Fehlerpunkten.

cc) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass die Bewertungsgröße entsprechend der Vorgabe in Merkmal 1.3.2 anhand einer vorbestimmten Funktion berechnet wird, die auch von der Triggerbedingung abhängt.

Die vom Patentgericht hierfür angeführte Begründung, unterschiedliche Triggerbedingungen führten zwangsläufig zu unterschiedlichen Beurteilungen, weil jeweils unterschiedliche Berechnungsformeln herangezogen würden, mag zwar für sich gesehen eher formal und nicht ohne weiteres einleuchtend klingen. In der Sache hat das Patentgericht damit aber zutreffend darauf abgestellt, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren eine bestimmte Konstellation von Messgrößen in Abhängigkeit von dem jeweiligen Fahrzustand zu einer unterschiedlichen Bewertung führen kann. So führen die Messwerte, aus denen auf Stottern oder auf verzögerte Gasannahme geschlossen wird, nur dann zu einer negativen Bewertung, wenn die Triggerbedingung erfüllt ist, die einem Beschleunigungsvorgang zugeordnet ist. Ein Absterben des Motors führt bei Vorliegen der Triggerbedingungen für Start oder Leerlauf zu einer eher geringen, bei Vorliegen der Triggerbedingungen für Beschleunigung oder Fahren mit konstanter Geschwindigkeit hingegen zu einer deutlich höheren Anzahl von Fehlerpunkten.

Dass die unterschiedliche Bewertung einzelner Ereignisse in unterschiedlichen Phasen in D1 zum Teil nur deshalb erfolgt, um Rechenkapazität zu sparen, steht der Offenbarung von Merkmal 1.3.2 nicht entgegen. Nach der Beschreibung des Streitpatents soll die Bewertungsgröße zwar deshalb in Abhängigkeit von der Triggerbedingung errechnet werden, weil dasselbe Phänomen unter Umständen nur in bestimmten Fahrzuständen als problematisch angesehen wird. Dieser Zusammenhang hat in Patentanspruch 1 aber keinen Niederschlag gefunden. Unabhängig davon wird der unterschiedlichen Beurteilung eines Phänomens in Abhängigkeit vom Fahrzustand auch in D1 Rechnung getragen, indem ein Absterben des Motors bei Start oder Leerlauf als weniger gravierend und ein Schaltvorgang generell als unproblematisch eingestuft werden.

Entgegen der Auffassung der Berufung kommt es bei dem Verfahren nach Patentanspruch 1 im Vergleich zu dem in D1 offenbarten Verfahren nicht zu einer Umkehrung von Ursache und Wirkung. Das Aussondern von Messungen, bei denen Fahrbarkeitsprobleme nicht erwartet werden, hat zur Folge, dass die davon betroffenen Fahrzustände nicht einer entsprechenden Bewertung unterzogen werden. Dies entspricht der in Merkmal 1.3 vorgesehenen Vorgehensweise, nach der eine Bewertungsgröße nur dann berechnet wird, wenn eine Triggerbedingung erfüllt ist. Eine laufende Überprüfung aller Daten findet, wie bereits oben aufgezeigt wurde, auch bei dem in D1 offenbarten Verfahren statt, und zwar dadurch, dass alle Messdaten zunächst erfasst und erst in einem zweiten Schritt auf ihre potentielle Relevanz untersucht und anhand dieses Kriteriums gefiltert werden.

Der von der Berufung aufgezeigte Umstand, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren zur Bewertung von Stotterproblemen nur Drehzahldifferenzen, nicht aber der Absolutwert der Drehzahl oder die Stellung der Drosselklappe berücksichtigt werden, führt ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Wie bereits oben dargelegt wurde, überlässt es Patentanspruch 1 dem Ermessen des Fachmanns, welche Messgrößen er bei der Berechnung einer Bewertungsgröße im Einzelnen heranzieht. In D1 werden für die Bewertung von Stotterproblemen, wie ebenfalls bereits dargelegt wurde, unter anderem Änderungen der Drehzahl sowie die Abwesenheit von Schaltvorgängen herangezogen. Dies entspricht der in Merkmal 3.2 vorgesehenen Vorgehensweise.

Ebenfalls nicht zu einer abweichenden Beurteilung führt der Umstand, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren im Falle eines Beschleunigungsmanövers die erfassten Messdaten sowohl auf Stottern als auch auf verzögerte Gasannahme untersucht werden. Entgegen der Auffassung der Berufung hat diese Vorgehensweise nicht zur Folge, dass für dieselbe Triggerbedingung zwei unterschiedliche Funktionen angegeben werden. Aus den beiden in D1 angegebenen Einzelformen und der allgemeinen Vorgehensweise, dass die ermittelten Fehlerpunkte zu einem Gesamtergebnis addiert werden, ergibt sich vielmehr, dass die Bewertung eines Beschleunigungsvorgangs durch Addition der Fehlerpunkte für Stottern und verzögerten Gasannahme erfolgt.

dd) Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht von der Einschätzung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts abgewichen wäre.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs haben die deutschen Gerichte Entscheidungen, die durch die Instanzen des Europäischen Patentamts oder durch Gerichte anderer Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens ergangen sind und eine im Wesentlichen gleiche Fragestellung betreffen, zu beachten und sich gegebenenfalls mit den Gründen auseinanderzusetzen, die bei der vorangegangenen Entscheidung zu einem abweichenden Ergebnis geführt haben (BGH, Beschluss vom 15. April 2010 - Xa ZB 10/09, GRUR 2010, 950 Rn. 14 - Walzenformgebungsmaschine).

Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil gerecht.

Das Patentgericht hat im Einzelnen dargelegt, weshalb es die aus seiner Sicht abweichende Auffassung der Beschwerdekammer nicht zu teilen vermag. Seine dabei angestellten Erwägungen halten aus den oben aufgezeigten Gründen auch der inhaltlichen Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

(2) Der von der Berufung aufgezeigte Umstand, dass sich die Ausführungen der Beschwerdekammer auf eine andere Entgegenhaltung beziehen und die Entgegenhaltung D1 nicht Gegenstand des Einspruchsbeschwerdeverfahrens war, führen nicht zu einer abweichenden Beurteilung.

Aus diesem Umstand könnte sich allenfalls ergeben, dass es schon an einer inhaltlichen Abweichung fehlt, weil sich die Beschwerdekammer mit D1 nicht befasst hat. Dann wäre das Patentgericht nicht ohne weiteres gehalten gewesen, sich mit den Erwägungen der Beschwerdekammer im Einzelnen auseinanderzusetzen. Wenn es dies in der irrigen Annahme einer Abweichung dennoch getan hätte, begründete dies keinen Verfahrensfehler. Unabhängig davon erwiese sich die angefochtene Entscheidung aus den oben aufgezeigten Gründen jedenfalls als im Ergebnis zutreffend.

2. Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit dem erstinstanzlichen Hauptantrag (in zweiter Instanz: Hilfsantrag 0) verteidigten Fassung durch den Stand der Technik nahegelegt ist.

a) Das nach dieser Fassung zusätzlich vorgesehene Merkmal, wonach die Messungen im realen Fahrbetrieb durchgeführt werden, ist durch D1 nahegelegt.

Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, wird in D1 unter der Rubrik "Empfehlungen" dargelegt, um ein universelles System für die objektivierte Beurteilung der Fahrbarkeit zu erhalten, seien zahlreiche weitere Fahrzeuge zu testen; zusätzlich sollten die Methoden durch Tests auf der Straße (on-the-road driveability tests) verifiziert werden (D1 S. 2). Dies gab dem Fachmann Veranlassung, Messungen im realen Fahrbetrieb jedenfalls als zusätzliches Mittel neben Messungen auf einem Rollenprüfstand in Betracht zu ziehen.

b) Das weitere Merkmal, wonach die Funktionen zur Berechnung der Bewertungsgrößen auf der Beurteilung einer oder mehrerer Versuchspersonen beruhen, ist in D1 offenbart.

Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, werden bei dem in D1 offenbarten Verfahren die Funktionen zur Berechnung der Fehlerpunkte so festgelegt, dass die rechnerisch ermittelte Punktzahl möglichst genau mit den von den beiden Testpersonen vergebenen Punktzahlen übereinstimmt. Damit beruhen die Funktionen auf der Beurteilung mehrerer Versuchspersonen.

c) Entgegen der Auffassung der Beklagten hatte der Fachmann auch in diesem Zusammenhang Anlass, D1 als Ausgangspunkt seiner Überlegungen heranzuziehen.

Dem steht nicht entgegen, dass es im Zeitpunkt der Veröffentlichung von D1 nicht möglich war, einen Antriebsstrang auf einem Prüfstand zu simulieren, und deshalb keine Veranlassung bestanden haben mag, die Ergebnisse des in D1 offenbarten Verfahrens zum Erstellen und Optimieren eines Simulationsmodells zu nutzen, wie dies in der Beschreibung des Streitpatents aufgezeigt wird. Für den Fachmann, der am Prioritätstag nach Möglichkeiten suchte, Daten für diesen Zweck zu gewinnen, war aber ersichtlich, dass der Verwendungszweck nur für Gegenstand und Umfang der erhobenen Daten von Bedeutung ist, nicht aber für das Verfahren ihrer Gewinnung. Deshalb hatte er Anlass, die in D1 offenbarte Lösung in Betracht zu ziehen, zumal D1 zahlreiche Vorschläge dazu enthielt, wie das dort offenbarte Verfahren optimiert werden kann.

3. Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der mit Hilfsantrag 1 verteidigten Fassung als durch den Stand der Technik nahegelegt angesehen.

a) Das nach dieser Fassung zusätzlich zur Fassung von Hilfsantrag 0 vorgesehene Merkmal, wonach das reale Fahrzeug einen Motor hat, ist in D1 offenbart.

b) Das weitere Merkmal, wonach fahrbarkeitsrelevante Messgrößen von Betriebszuständen des Motors und von Betriebszuständen des Fahrzeugs gemessen werden, ist durch D1 jedenfalls nahegelegt.

Zu den in D1 erfassten Betriebszuständen gehört neben verschiedenen Parametern des Motors auch die Fahrzeuggeschwindigkeit. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dieser Parameter im Zusammenhang mit dem in D1 offenbarten Verfahren als Betriebszustand des Fahrzeugs angesehen werden kann, obwohl sich dieses relativ zum Prüfstand nicht bewegt. Für entsprechende Tests im realen Betrieb ist diese Frage jedenfalls zu bejahen. Solche Tests sind dem Fachmann durch D1 aus den bereits aufgezeigten Gründen nahegelegt.

4. Für den Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 2 gilt Entsprechendes.

Das nach dieser Fassung zusätzlich zur Fassung von Hilfsantrag 0 vorgesehene Merkmal, wonach die zur Berechnung der Bewertungsgröße herangezogenen Messgrößen die Längsbeschleunigung einschließen, ist ebenfalls durch D1 nahegelegt.

Dem steht nicht entgegen, dass bei dem in D1 offenbarten Verfahren von einer Einbeziehung dieses Parameters bereits in einem frühen Versuchsstadium Abstand genommen wurde. In D1 wird diese Entscheidung damit begründet, das verfügbare Messgerät habe Beschleunigungen bei Geschwindigkeiten von unter 10 Meilen pro Stunde nicht exakt messen können (D1 S. 4). Daraus ergab sich für den Fachmann, dass es sich um einen Parameter handelt, dessen Einbeziehung grundsätzlich sinnvoll ist und auf dessen Berücksichtigung in D1 nur aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Versuchs verzichtet wurde. Dies gab Veranlassung, den Parameter unter günstigeren Versuchsbedingungen wieder in die Betrachtung einzubeziehen. Dies gilt umso mehr, als die Längsbeschleunigung des Fahrzeugs nach dem Vorbringen der Beklagten im realen Betrieb leichter gemessen werden kann als auf einem Rollenprüfstand.

5. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag 3 ist ebenfalls durch D1 nahegelegt.

Wie das Patentgericht im Kern zutreffend dargelegt hat, deckt sich das nach dieser Fassung zusätzlich zur Fassung von Hilfsantrag 0 vorgesehene Merkmal, wonach die eine oder mehreren Messgrößen in Abhängigkeit von der Triggerbedingung bei der Bewertung der Fahrbarkeit unterschiedlich beurteilt werden, mit den Anforderungen, die sich bereits aus Merkmal 1.3.2 ergeben. Die dort formulierte Anforderung, dass die Funktion zur Berechnung der Bewertungsgröße von der Triggerbedingung abhängt, hat jedenfalls typischerweise zur Folge, dass eine bestimmte Konstellation von Messwerten je nach Triggerbedingung zu einer unterschiedlichen Bewertung führt. Dieses Merkmal ist, wie bereits im Zusammenhang mit der erteilten Fassung ausgeführt wurde, in D1 offenbart.

6. Hinsichtlich des Gegenstands der Patentansprüche 3, 9 und 11 ergeben sich, wie das Patentgericht zu Recht ausgeführt und die Berufung nicht in Zweifel gezogen hat, keine entscheidungserheblichen Abweichungen gegenüber dem Gegenstand von Patentanspruch 1.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 4. April 2017

Vorinstanz: BPatG, vom 06.05.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ni 30/13 (EP)