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BGH - Entscheidung vom 18.10.2017

3 StR 78/17

Normen:
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
WaffG § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a)-b)

Fundstellen:
NStZ-RR 2018, 251

BGH, Beschluss vom 18.10.2017 - Aktenzeichen 3 StR 78/17

DRsp Nr. 2018/4342

Mitsichführen einer Schusswaffe oder sonstiger Gegenstände beim Handeltreiben von Betäubungsmitteln (hier: Liegen eines "Tarnmessers" zugriffsbereit in der Wohnung)

Bewaffnetes Handeltreiben im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, bei der Tat mit sich führt. Zur Tatbestandserfüllung reicht es aus, wenn der Täter die Waffe oder den Gegenstand zugleich mit den Betäubungsmitteln in einer Weise verfügungsbereit hält, dass er beim Umgang mit den Betäubungsmitteln ohne nennenswerten Zeitaufwand auf sie zugreifen kann.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 5. Dezember 2016 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben

a)

im Fall II.14. der Urteilsgründe,

b)

im Strafausspruch.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2 ; WaffG § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a)-b);

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln in elf Fällen, Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln und Veräußerung von Betäubungsmitteln, Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln und Veräußerung von Betäubungsmitteln sowie wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Erwerb von Betäubungsmitteln unter Einbeziehung von drei früheren Verurteilungen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit er in den Fällen II.1. bis 13. der Urteilsgründe verurteilt worden ist.

2. Der Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln im Fall II.14. der Urteilsgründe hält hingegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Nach den hierzu getroffenen Feststellungen lagerte der Angeklagte in der von ihm bewohnten Wohnung des Mitangeklagten H. 200 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von 15,2 % Tetrachlorhydrocannabinol (THC), von denen 155 Gramm zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmt waren; der Rest war zum Eigenkonsum bzw. zur Weitergabe zum Selbstkostenpreis vorgesehen. Am 13. Januar 2016 bewahrte der Angeklagte zudem ein "Tarnmesser" mit einer etwa 6 cm langen Klinge, das so in eine an einer Kette befindliche Halterung eingepasst werden kann, dass lediglich der nicht sogleich als Messergriff erkennbare Griff zu sehen ist, "zugriffsbereit" in der Wohnung auf.

b) Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ) im Fall II.14. der Urteilsgründe nicht. Sie sind hinsichtlich des objektiven Tatbestandsmerkmals des Mitsichführens lückenhaft, begegnen aber auch zur subjektiven Tatseite rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:

aa) Bewaffnetes Handeltreiben im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG setzt voraus, dass der Täter eine Schusswaffe oder sonstige Gegenstände, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind, bei der Tat mit sich führt. Setzt diese sich aus mehreren Einzelakten zusammen, so reicht es zur Tatbestandserfüllung aus, wenn der qualifizierende Umstand nur bei einem Einzelakt verwirklicht ist. Am eigenen Körper muss die Waffe oder der Gegenstand dabei nicht getragen werden; es genügt, dass sie der Täter zugleich mit den Betäubungsmitteln in einer Weise verfügungsbereit hält, dass er beim Umgang mit den Betäubungsmitteln ohne nennenswerten Zeitaufwand auf sie zugreifen kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2014 - 3 StR 503/14, StV 2015, 641 ; vom 15. Januar 2013 - 2 StR 589/12, NStZ 2013, 663 ; jeweils mwN). Befindet sich die Waffe in einem Behältnis und/oder in einem anderen Raum als die Betäubungsmittel, so kann dies - je nach den Umständen des Einzelfalles - ein Mitsichführen im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ausschließen (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433 ; Beschlüsse vom 10. Februar 2015 - 5 StR 594/14, NStZ 2015, 349 ; vom 15. Januar 2013 - 2 StR 589/12, NStZ 2013, 663 ; vom 23. Juni 2010 - 2 StR 203/10, NStZ 2011, 99 ; Körner/Patzak/Volkmer, BtMG , 8. Aufl., § 30a Rn. 81).

bb) Nach diesen Maßstäben belegen die Urteilsgründe nicht, dass der Angeklagte im Fall II.14. beim Handeltreiben eine Waffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt hat. Der bloße Hinweis auf die Wohnung des Angeklagten als Fundort erlaubt nicht ohne weiteres die Schlussfolgerung, dass der Angeklagte während der Lagerung der Betäubungsmittel in seiner Wohnung das Messer auch mit sich führte. Auch die bloße allgemein gehaltene Wendung, das Messer habe sich "zugriffsbereit" in der Wohnung befunden, belegt für sich genommen dieses Tatbestandsmerkmal nicht (vgl. BGH, Urteil vom 21. März 2000 - 1 StR 441/99, NStZ 2000, 433 ), da das angefochtene Urteil die räumlichen Verhältnisse nicht beschreibt, insbesondere weder die Größe der Wohnung und die Anzahl und Aufteilung ihrer Räume noch die genaue Lage des Messers und die der Drogen mitteilt. Auch die Aussage des Mitangeklagten H. , dass der Angeklagte das "Tarnmesser" an der Kette "stets um den Hals trage", belegt nicht, dass der Angeklagte bei anderer Gelegenheit zugleich unmittelbaren Zugriff auf das Marihuana und das Messer hatte; denn dass dies bei dem Erwerb der Drogen oder dem späteren Umgang mit diesen tatsächlich der Fall war, stellt die Strafkammer nicht fest.

cc) Rechtlich nicht unbedenklich ist es darüber hinaus, dass sich die Urteilsgründe nicht dazu verhalten, ob das Messer (vom Angeklagten) zur Verletzung von Personen bestimmt war, das Landgericht vielmehr angesichts der Gestaltung des Messers davon ausgeht, eine solche Zweckbestimmung sei nicht erforderlich.

(1) Ausführungen dazu können zwar dann im Einzelfall entbehrlich sein, wenn es sich bei dem Gegenstand um eine Waffe im technischen Sinne handelte, da bei einer solchen die Feststellung regelmäßig naheliegt, diese sei zur Verletzung von Personen bestimmt (vgl. BGH, Urteile vom 12. Januar 2017 - 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714 , 715; vom 21. Oktober 2014 - 1 StR 78/14, NStZ 2015, 226 , 227; vom 8. Dezember 2016 - 4 StR 246/16, juris Rn. 17; Beschluss vom 5. April 2016 - 1 StR 38/16, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 13). Die Urteilsgründe erlauben jedoch keine sichere Zuordnung dahingehend, dass es sich bei dem sichergestellten Messer um einen tragbaren Gegenstand im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a) WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Ziff. 1.1. (Hieb- und Stoßwaffen, die bereits ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind, Verletzungen herbeizuführen) bzw. eine sogenannte gekorene Waffe im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b) WaffG in Verbindung mit Anlage 1 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 Ziff. 2.1. (Springmesser, Fallmesser, Faustmesser oder Butterflymesser) handelt.

(2) Ist der fragliche Gegenstand keine Waffe im technischen Sinn, so sind an die Prüfung und Darlegung der subjektiven Merkmale umso höhere Anforderungen zu stellen, je ferner die Gefahr des Einsatzes ist und je weniger geeignet und bestimmt zur Verletzung von Personen der Gegenstand in objektiver Hinsicht ist (BGH, Urteil vom 28. Februar 1997 - 2 StR 556/96, BGHSt 43, 8 , 14; vgl. auch BGH, Beschluss vom 4. September 1996 - 5 StR 391/96, NStZ-RR 1997, 50 , 51). Dem Landgericht ist zuzugeben, dass nach diesen Maßstäben nach der Gestaltung des Messers der Schluss auf eine entsprechende Zweckbestimmung durch den Angeklagten nicht fernliegt. Der völlige Verzicht auf diesbezügliche Feststellungen unterliegt indes durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

3. Der Wegfall des Schuldspruchs im Fall II.14. führt zur Aufhebung der verhängten Jugendstrafe.

Vorinstanz: LG Hildesheim, vom 05.12.2016
Fundstellen
NStZ-RR 2018, 251