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BGH - Entscheidung vom 31.05.2017

5 StR 108/17

Normen:
StPO § 200 Abs. 1
StPO § 349 Abs. 2
BtMG § 29 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1
BtMG § 29 Abs. 3 S. 1

BGH, Beschluss vom 31.05.2017 - Aktenzeichen 5 StR 108/17

DRsp Nr. 2017/7948

Mindestanforderungen an die Identifizierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat; Einstellung des Verfahrens aufgrund der Unwirksamkeit von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss

Eine Anklageschrift ist unwirksam mit der Folge, dass das Verfahren einzustellen ist, wenn sich der Anklagesatz auf die allgemeine Behauptung beschränkt, der Angeklagte habe sich spätestens im Jahr 2014 mit den Mitangeklagten zusammengeschlossen, um in der Folge gewinnbringend Betäubungsmittel zu vertreiben und den Erlös unter sich aufzuteilen. Erschließt es sich nicht, an welcher konkreten Bandentat der Angeklagte tatsächlich beteiligt gewesen sein soll, so wird ein solcher Anklagesatz den Mindestanforderungen an die Identifizierung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat nicht gerecht.

Tenor

1.

Die Revisionen der Angeklagten S. G. und D. G. gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 10. August 2016 werden als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigungen keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben hat.

Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

2.

Auf die Revision des Angeklagten D. wird das vorgenannte Urteil, soweit dieser Angeklagte betroffen ist aufgehoben und das Verfahren eingestellt.

Die Staatskasse trägt die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen dieses Angeklagten.

Normenkette:

StPO § 200 Abs. 1 ; StPO § 349 Abs. 2 ; BtMG § 29 Abs. 3 S. 1 und S. 2 Nr. 1 ; BtMG § 29 Abs. 3 S. 1;

Gründe

Während die Revisionen der Angeklagten S. und D. G. unbegründet nach § 349 Abs. 2 StPO sind, führt die auf eine Verfahrensrüge und die Sachrüge gestützte Revision des wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in drei Fällen unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilten Angeklagten D. entsprechend dem Antrag des Generalbundesanwalts zur Aufhebung des Urteils und zur Einstellung des Verfahrens.

Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift vom 21. März 2017 ausgeführt:

"Die gegen den Angeklagten erhobene Anklage leidet an einem funktionellen Mangel. Sie genügt nicht den sich aus der Umgrenzungsfunktion ergebenden Mindestanforderungen an die Identifizierung der ihm vorgeworfenen Tat (§ 200 Abs. 1 StPO ). Die Anklageschrift wirft dem Angeklagten D. vor, 'eine Tat wie zu I. 1. begangen zu haben' (Bd. VIII Bl. 60). Unter Ziffer I 1 bis 6 werden dem Mitangeklagten S. G. sechs selbständige Handlungen des unerlaubten bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last gelegt (Bd. VIII, Bl. 59 RS). Der Anklagesatz beschränkt sich hinsichtlich des Angeklagten D. auf die allgemeine Behauptung, er habe sich spätestens im Jahr 2014 mit den Mitangeklagten S. , A. , D. und F. G. zusammengeschlossen, um in der Folge gewinnbringend Betäubungsmittel zu vertreiben und den Erlös unter sich aufzuteilen (Bd. VIII Bl. 60 RS), er sei der Verkaufsebene der Bandenstruktur zuzurechnen und habe auch als Abwesenheitsvertreter fungiert (Bd. VIII Bl. 61 RS). An welcher konkreten (Banden-) Tat zu Ziffer I 1 bis 6 (Bd. VIII Bl. 62) der Angeklagte tatsächlich beteiligt gewesen sein soll, erschließt sich jedoch weder aus dem übrigen Anklagesatz noch aus dem wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen.

Da dieser Mangel im Eröffnungsbeschluss nicht behoben wurde (Bd. VIII Bl. 120), haftet er auch dem Beschluss selbst an (BGH, GA 80, 109). Die hieraus folgende Unwirksamkeit von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluss muss zur Einstellung des Verfahrens führen (vgl. Meyer-Goßner in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 59. Aufl., § 200 Rn. 26).

Hinzu kommt, dass die abgeurteilten Taten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln am 7., 11. und 13. Juni 2015 (Bd. XI Bl. 52 RS) nicht Prozessgegenstand waren, weil sie weder Gegenstand der durch den Eröffnungsbeschluss zugelassenen Anklage noch einer Nachtragsanklage gegen den Angeklagten D. waren. Der vom Landgericht Berlin erteilte rechtliche Hinweis nach § 265 Abs. 1 StPO (Bd. X Bl. 106) steht der Anklageerhebung nicht gleich (vgl. Meyer-Goßner, aaO, § 260 Rn. 10)."

Dem tritt der Senat bei und bemerkt ergänzend, dass ein neu verhandelndes Tatgericht eine Annahme gewerbsmäßigen Handelns (§ 29 Abs. 3 Satz 1, 2 Nr. 1 BtMG ) sowie die Frage der Regelwirkung nach § 29 Abs. 3 Satz 1 BtMG sorgfältiger zu begründen haben wird, als dies im angefochtenen Urteil geschehen ist.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 10.08.2016