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BGH - Entscheidung vom 14.06.2017

3 StR 97/17

Normen:
StGB § 64

Fundstellen:
NStZ-RR 2017, 310
StV 2019, 265

BGH, Beschluss vom 14.06.2017 - Aktenzeichen 3 StR 97/17

DRsp Nr. 2017/9065

Maßregelanordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt; Maßregelanordnung neben der Verhängung einer Freiheitsstrafe; Bestehen eines Hangs zum Konsum von Betäubungsmitteln im Übermaß; Rechtfertigung des Schlusses von einem Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung

Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung zwar grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu. Es begegnet aber rechtlichen Bedenken, den Umstand, dass es sich bei den Betäubungsmitteln in allen Fällen "um Amphetamin, also eine sog. harte Droge mit hohem Gefährdungspotential" gehandelt habe, strafschärfend zu berücksichtigen, da es verfehlt ist, Amphetamin als "harte" Droge anzusehen.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Koblenz vom 25. November 2016 aufgehoben

a)

im Strafausspruch, jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten;

b)

soweit das Landgericht von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt abgesehen hat mit den zugehörigen Feststellungen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 64 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen und bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Die Nachprüfung des Urteils hat zum Schuldspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

2. Die Entscheidung des Landgerichts, von der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB ) abzusehen, hat hingegen keinen Bestand; das führt hier auch zur Aufhebung des Strafausspruchs.

a) Die sachverständig beratene Strafkammer ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Hang hat, Betäubungsmittel im Übermaß zu konsumieren. Sie hat auch angenommen, dass zwischen diesem Hang und den abgeurteilten Taten ein symptomatischer Zusammenhang besteht. Die Strafkammer hat indes eine hinreichend konkrete Erfolgsaussicht der Behandlung im Sinne des § 64 Satz 2 StGB aufgrund folgender Erwägungen verneint:

Der Angeklagte habe "auf ausdrückliche und mehrfache Nachfrage der Kammer vehement bekundet", dass er eine solche Behandlung "auf keinen Fall durchführen wolle". Deshalb sei die Strafkammer davon überzeugt, "dass eine Unterbringungsdauer von höchstens zwei Jahren" nicht ausreichen werde, um bei dem Angeklagten zunächst die erforderliche Therapiemotivation zu wecken und anschließend eine erfolgreiche Therapie durchzuführen, die nach Einschätzung des Sachverständigen mindestens ein Jahr dauern werde.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Sie sind schon im Ansatz verfehlt, weil die Strafkammer nicht bedacht hat, dass es für die Anordnung der Maßregel nach § 64 Satz 2 StGB in seiner seit dem 1. August 2016 geltenden Fassung ausreicht, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, dass der Behandlungserfolg "innerhalb der Frist nach § 67d Abs. 1 Satz 1 oder 3" StGB zu erreichen ist. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt ist mithin, wenn - wie hier - daneben eine Freiheitsstrafe verhängt wird, nicht mehr von vornherein auf zwei Jahre beschränkt; die Höchstfrist der Unterbringung verlängert sich in diesen Fällen vielmehr nach Maßgabe des § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB um die Dauer des nach § 67 Abs. 4 StGB anrechenbaren Teils der Freiheitsstrafe. Durch den Verweis auf § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB sollte ausdrücklich klargestellt werden, dass die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt auch dann angeordnet werden kann, wenn ausnahmsweise eine notwendige Behandlungsdauer von mehr als zwei Jahren zu prognostizieren ist (BT-Drucks. 18/7244, S. 1, 2, 24 f.).

Den Urteilsgründen lässt sich auch nicht ohne Weiteres entnehmen, dass die aktuelle Therapieunwilligkeit des Angeklagten seiner Unterbringung in einer Entziehungsanstalt selbst unter Berücksichtigung der gemäß § 67d Abs. 1 Satz 3 StGB verlängerten Höchstfrist entgegensteht. Therapieunwilligkeit kann zwar ein Indiz für unzureichende Erfolgsaussichten der Entziehungsbehandlung sein. Ob der Schluss von einem Mangel an Therapiebereitschaft auf das Fehlen einer hinreichend konkreten Erfolgsaussicht der Behandlung gerechtfertigt ist, lässt sich aber nur aufgrund einer - vom Landgericht hier nicht vorgenommenen - Gesamtwürdigung der Täterpersönlichkeit und aller sonstigen maßgebenden Umstände beurteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 26. April 1996 - 3 StR 95/96, NStZ-RR 1997, 34 , 35; vom 22. September 2010 - 2 StR 268/10, NStZ-RR 2011, 203 ; vom 15. Dezember 2009 - 3 StR 516/09, [...] Rn. 5).

c) Über die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt muss deshalb - wiederum unter Hinzuziehung eines Sachverständigen (§ 246a StPO ) - neu verhandelt und entschieden werden. Dem steht nicht entgegen, dass nur der Angeklagte Revision eingelegt hat (§ 358 Abs. 2 Satz 3 StPO ; BGH, Urteil vom 10. April 1990 - 1 StR 9/90, BGHSt 37, 5 , 9; Beschluss vom 19. Dezember 2007 - 5 StR 485/07, NStZ-RR 2008, 107 ); er hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittelangriff ausgenommen.

d) Da der Senat im vorliegenden Fall nicht ausschließen kann, dass das Landgericht im Falle der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, hebt er den Strafausspruch ebenfalls auf. Die diesem zugrunde liegenden Feststellungen können indes bestehen bleiben, weil sie von dem Rechtsfehler nicht berührt werden (s. § 353 Abs. 2 StPO ).

3. Im Hinblick auf die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Es ist unter dem Gesichtspunkt des Doppelverwertungsverbots (§ 46 Abs. 3 StGB ) nicht unbedenklich, dass die Strafkammer in den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe strafschärfend gewertet hat, dass die von dem Angeklagten zum Zweck des Handeltreibens erworbenen Betäubungsmittel in diesen Fällen - im Gegensatz zu den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe - "in den Verkehr geraten" sind. Denn Handeltreiben im Sinne des § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BtMG ist jede eigennützige auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2005 - GSSt 1/05, BGHSt 50, 252 , 256). Es erfasst typischerweise den Verkauf an andere Personen (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28. November 2003 - 2 StR 403/03, BGHR StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 5) und damit auch, dass die Betäubungsmittel in den Verkehr geraten.

Wenngleich die Strafkammer durch die von ihr gewählte Formulierung möglicherweise nur deutlich zum Ausdruck bringen wollte, dass der in den Fällen 3 und 4 der Urteilsgründe vorliegende Strafmilderungsgrund, der sich daraus ergibt, dass die Betäubungsmittel in diesen Fällen sichergestellt wurden, in den Fällen 1 und 2 fehlt, so ist doch zu beachten, dass das Fehlen eines Strafmilderungsgrundes sich nicht strafschärfend auswirkt.

b) Nicht frei von Bedenken ist auch die strafschärfende Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich bei den Betäubungsmitteln in allen Fällen "um Amphetamin, also eine sog. harte Droge mit hohem Gefährdungspotential" gehandelt habe. Der Art des Rauschgifts und seiner Gefährlichkeit kommt im Rahmen der Strafzumessung zwar grundsätzlich eine eigenständige Bedeutung zu (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313 , 314 mwN). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht insoweit indes ein für die Strafzumessung maßgebliches Stufenverhältnis, das von sog. harten Drogen, wie Heroin, Fentanyl, Kokain und Crack über Amphetamin, das auf der Gefährlichkeitsskala einen mittleren Platz einnimmt, bis hin zu sog. weichen Drogen, wie Cannabis reicht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. Oktober 1996 - 2 StR 508/96, StV 1997, 75 f.; vom 26. März 2014 - 2 StR 202/13, [...] Rn. 20; vom 15. Juni 2016 - 1 StR 72/16, NStZ-RR 2016, 313 , 314 mwN). Daran gemessen ist es verfehlt, Amphetamin als "harte" Droge anzusehen.

c) Schließlich ist es nicht bedenkenfrei, dass die Strafkammer bei den Aussprüchen über die Einzelstrafen keine Differenzierung zwischen den Fällen 1 und 2 der Urteilsgründe auf der einen und dem Fall 3 der Urteilsgründe auf der anderen Seite vorgenommen hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts bezog sich das Handeltreiben des Angeklagten in allen drei Fällen gleichermaßen auf eine Menge von ca. 250 g Amphetamin mit einer Wirkstoffmenge, die in den Fällen 1 und 2 das Maß der nicht geringen Menge jeweils einfach erreichte und im Fall 3 dem 1,7-fachen der nicht geringen Menge entsprach. Während der Angeklagte seine Täterschaft in den Fällen 1 und 2 bestritten hat, hat er im Hinblick auf Fall 3 ein Geständnis abgelegt. Anders als in den Fällen 1 und 2 konnten die Betäubungsmittel im Fall 3 zudem sichergestellt werden. Gleichwohl hat die Strafkammer in allen drei Fällen auf Einzelfreiheitsstrafen von einem Jahr und sechs Monaten erkannt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass "insbesondere die strafmildernden Umstände des Geständnisses und der Sicherstellung des Amphetamins im Fall 3" der Urteilsgründe "zu einer Angleichung der Strafzumessungsgesichtspunkte geführt" hätten. Das ist aus sich heraus nicht nachvollziehbar.

Vorinstanz: LG Koblenz, vom 25.11.2016
Fundstellen
NStZ-RR 2017, 310
StV 2019, 265