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BGH - Entscheidung vom 20.06.2017

4 StR 125/17

Normen:
StPO § 154 Abs. 2
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 177 Abs. 1
StGB § 177 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 20.06.2017 - Aktenzeichen 4 StR 125/17

DRsp Nr. 2017/10296

Erzwingung der Duldung einer sexuellen Handlung (griff in den Scheidenbereich); Überraschende Vornahme einer sexualbezogenen Handlung

Bleibt nach den gerichtlichen Feststellungen offen, durch welches Nötigungsmittel die Duldung der sexuellen Handlung erzwungen worden sein soll, so ist die Annahme einer sexuellen Nötigung im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht belegt. Die bloße überraschende Vornahme einer sexualbezogenen Handlung reicht nicht aus.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 14. Dezember 2016 wird

a)

das Verfahren nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt, soweit der Angeklagte im Fall II. 9 der Urteilsgründe wegen sexueller Nötigung verurteilt worden ist; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten der Staatskasse zur Last;

b)

das vorgenannte Urteil im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der sexuellen Nötigung in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und der versuchten sexuellen Nötigung in drei Fällen schuldig ist.

2.

Die weiter gehende Revision wird verworfen.

3.

Der Angeklagte hat die verbleibenden Kosten seines Rechtsmittels, die in der Revisionsinstanz im Adhäsionsverfahren entstandenen besonderen Kosten und die den Nebenklägerinnen und der Adhäsionsklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StPO § 154 Abs. 2 ; StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 177 Abs. 1 ; StGB § 177 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung, sexueller Nötigung in acht Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter sexueller Nötigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen. Seine hiergegen eingelegte Revision führt zur Einstellung des Verfahrens im Fall II. 9 der Urteilsgründe und zu einer Änderung des Schuldspruchs. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Der Senat hat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts im Fall II. 9 der Urteilsgründe gemäß § 154 Abs. 2 StPO vorläufig eingestellt, weil nach den Feststellungen offen bleibt, durch welches Nötigungsmittel die Duldung der sexuellen Handlung (griff in den Scheidenbereich) erzwungen worden sein soll. Die Annahme einer sexuellen Nötigung im Sinne von § 177 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 ist daher nicht belegt. Die bloße überraschende Vornahme einer sexualbezogenen Handlung reicht dafür nicht aus (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Februar 2006 - 2 StR 575/05, NStZ-RR 2007, 12 , 13; Wolters in: SSW- StGB , 3. Aufl., § 177 Rn. 15).

2. Im Fall II. 7 der Urteilsgründe hat der Senat, um jede Beschwer des Angeklagten auszuschließen, die Urteilsformel von Vergewaltigung auf sexuelle Nötigung abgeändert (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juli 2003 - 2 StR 173/03, NStZ-RR 2003, 306 ). Die Ausführungen des Landgerichts zu diesem Fall lassen nicht eindeutig erkennen, ob es den Tatbestand des Regelbeispiels des § 177 Abs. 2 Nr. 1 StGB in der Fassung vom 13. November 1998 tatsächlich für verwirklicht gehalten hat. Auf die dem Strafrahmen des § 177 Abs. 1 StGB entnommene Einzelstrafe ist dies ohne Einfluss. Zusammen mit der Verfahrenseinstellung im Fall II. 9 der Urteilsgründe ergibt sich daraus der in der Beschlussformel angeführte Schuldspruch. § 265 StGB steht dem nicht entgegen.

3. Im Übrigen weist das Urteil keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Die Gesamtstrafe kann bestehen bleiben, denn der Senat vermag auszuschließen, dass die Strafkammer auf der Grundlage der verbleibenden Einzelstrafen (Freiheitsstrafen in Höhe von zwei Jahren und vier Monaten, einem Jahr und sechs Monaten, sieben Mal einem Jahr und drei Monaten und zwei Mal neun Monaten) auf eine mildere Gesamtstrafe erkannt hätte.

Vorinstanz: LG Paderborn, vom 14.12.2016