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BGH - Entscheidung vom 30.05.2017

3 StR 102/17

Normen:
StPO § 349 Abs. 2
StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5

BGH, Beschluss vom 30.05.2017 - Aktenzeichen 3 StR 102/17

DRsp Nr. 2017/11994

Erforderliches bewusstes Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten am Tatort zur Erfüllung des gemeinschaftlichen Begehens der gefährlichen Körperverletzung

Für die Erfüllung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB ist ein bewusstes Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten am Tatort erforderlich.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten B. wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 11. November 2016, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die Revision des Angeklagten C. gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass die Bezeichnung der Tat als "gemeinschaftlich" begangen entfällt.

3.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 2 ; StGB § 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Angeklagten C. und B. wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung zu Freiheitsstrafen von jeweils zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die Revisionen der Angeklagten, mit denen jeweils die Verletzung sachlichen Rechts beanstandet wird. Das Rechtsmittel des Angeklagten B. hat Erfolg.Die Revision des Angeklagten C. führt lediglich zu einer Abänderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist sie unbegründet.

1. Nach den Urteilsfeststellungen tranken die Angeklagten mit dem freigesprochenen Mitangeklagten F. und weiteren Personen am Leineufer in Hannover alkoholische Getränke, als der Angeklagte C. den geschädigten Zeugen D. anrief, den Restkaufpreis für ein Mobiltelefon forderte und mit ihm darüber in Streit geriet. Der Zeuge D. begab sich daraufhin zum Leineufer, wo er auf die Gruppe traf und sich der Streit mit dem Angeklagten C. sodann fortsetzte. Nach gegenseitigen Beleidigungen schlug der Angeklagte C. "im bewussten und gewollten Zusammenwirken" mit dem Angeklagten B. dem Zeugen D. mit einer zerbrochenen Glasflasche mehrfach in das Gesicht, wodurch er diesem stark blutende Verletzungen im Gesicht und am Hals zufügte. Zur Abwehr weiterer Schläge versuchte der Zeuge D. nun, den Angeklagten C. zu fassen. Währenddessen näherte sich der Angeklagte B. dem Zeugen D. von hinten, packte dessen Beine und zog diese zurück, sodass der Zeuge kopfüber auf den Boden fiel und mit der Stirn aufschlug.

2. Die Revision des Angeklagten B. ist begründet. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu ausgeführt:

"Die auf die näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten erweist sich als begründet, denn der Schuldspruch wird von den Feststellungen nicht getragen.

Das Landgericht führt zwar aus, der Mitangeklagte C. habe 'im bewussten und gewollten Zusammenwirken' mit dem Beschwerdeführer (UA S. 6) dem Geschädigten ' D. mehrfach mit einer zerbrochenen Glasflasche in das Gesicht' geschlagen, 'wodurch dieser im Gesicht und am Hals verletzt wurde und stark blutete' (UA S. 6); den Urteilsgründen lässt sich indes nicht entnehmen, auf welcher Grundlage die Strafkammer ihre Überzeugung gewonnen hat, der allein mit der zerbrochenen Glasflasche auf D. einschlagende C. habe dabei 'im bewussten und gewollten Zusammenwirken' mit dem Beschwerdeführer gehandelt. Nach den Umständen liegt ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken der beiden Angeklagten auch nicht auf der Hand. Der Beschwerdeführer war an dem Streit zwischen C. und D. wegen des Restkaufpreises für das Mobiltelefon nicht beteiligt. Anhaltspunkte für ein Interesse des Beschwerdeführers an dem Ausgang dieses Streits oder für eine besondere persönliche Beziehung zwischen ihm und C. sind nicht festgestellt. Schließlich lässt sich der Wiedergabe der Angaben D. s bei der Polizei nicht entnehmen, aus welchen Umständen dieser den Schluss gezogen hat, dass und weshalb ihn der Beschwerdeführer und keine andere Person - in der Anklage wurde insoweit noch der freigesprochene Mitangeklagte F. beschuldigt - von hinten zu Fall gebracht hat. Eine kritische Würdigung der Angaben des in der Hauptverhandlung nicht zur Verfügung stehenden D. war umso mehr veranlasst, als das Landgericht nicht seiner Schilderung bei der Polizei zu folgen vermocht hat, wonach er von C. und dem Beschwerdeführer auch beraubt worden sein will (UA S. 21 f.). Außerdem fehlt es an einer Auseinandersetzung mit der Einlassung F. s, er und der Beschwerdeführer seien (lediglich) 'dazwischen gegangen', als C. und D. sich beschimpften und schlugen (UA S. 8); insoweit wäre auch zu erwägen gewesen, ob der Sturz D. s (unabsichtlich) durch ein Einschreiten zum Zwecke der Streitschlichtung verursacht worden sein kann. Die Revision weist mit Recht darauf hin, dass durch ein solches Einschreiten Blutspuren, die D. zugeordnet werden können, in das Gesicht, an eine Hand und auf einen Schuh des Beschwerdeführers gelangt sein könnten. Hinzu kommt, dass sich den Urteilsgründen nicht entnehmen lässt, ob der Zeuge A. einen Angriff eines Dritten (von hinten) auf D. beschrieben hat. Allein die Angaben D. s und A. s zur Flucht 'N. s' und des stark alkoholisierten 'H. ' vom Tatort, wobei es sich bei 'H. ' nach den Angaben D. s bei der Polizei um den Beschwerdeführer handelte, während sich den Urteilsgründen wiederum nicht entnehmen lässt, ob A. ebenfalls 'H. ' (als den Beschwerdeführer) identifiziert hat, mögen die Verurteilung des Beschwerdeführers nicht zu tragen, weil das Landgericht keine eindeutige Aussage zum Beweiswert dieser Angaben für seine Überzeugungsbildung getroffen hat und auch unabhängig von einer Tatbeteiligung des Beschwerdeführers Gründe für dessen rasche Entfernung vom Tatort in Betracht kommen, was das Landgericht jedenfalls nicht erkennbar erwogen hat. Die Wiedergabe der Angaben der Zeugen A. und T. , F. habe D. von einer Verfolgung der Flüchtenden abgehalten, 'um ihn vor weiteren Verletzungshandlungen der beiden anderen Angeklagten zu schützen' (UA S. 23), vermag in ihrer allgemein gehaltenen Formulierung diese Defizite nicht zu kompensieren, weil schon unklar ist, aus welchen Umständen die Zeugen diesen Schluss gezogen haben; insoweit kann schon eine entsprechende Erklärung F. s ihnen gegenüber, die sie übernommen und wiedergegeben haben, nicht ausgeschlossen werden."

Dem stimmt der Senat zu.

3. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung des Angeklagten C. hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO ). Der Erörterung bedarf nur Folgendes:

a) Zwar hat das Landgericht neben § 224 Abs. 1 Nr. 2 und 5 StGB rechtsfehlerhaft die Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB angenommen, weil es, wie zur Revision des Angeklagten B. ausgeführt, zu Unrecht von einem mittäterschaftlichen Zusammenwirken mit diesem ausgegangen ist. Auch wenn nicht B. , sondern ein Dritter den Angriff von hinten auf die Beine des Zeugen D. unternommen haben sollte, ergibt sich aus den Urteilsgründen jedenfalls nicht, dass der Beschwerdeführer damit auch nur rechnete oder seine Tätlichkeiten gegen den Geschädigten danach fortsetzte. Ein für die Erfüllung des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB erforderliches bewusstes Zusammenwirken von mindestens zwei Beteiligten am Tatort (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - 3 StR 174/16, NStZ 2017, 92 , 93; Urteil vom 22. Dezember 2005 - 4 StR 347/05, NStZ 2006, 572 , 573) ist damit nicht festgestellt. Von diesem Rechtsfehler bleibt der Schuldspruch unberührt. Der Senat kann auch ausschließen, dass sich der Rechtsfehler auf den Strafausspruch ausgewirkt hat, da das Landgericht die von ihm angenommene Tatbestandsalternative des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB nicht strafschärfend gewichtet hat.

b) Der Senat weist im Übrigen darauf hin, dass die Bezeichnung der Tat als "gemeinschaftlich" begangen nicht in die Urteilsformel aufzunehmen ist (BGH, Beschlüsse vom 12. Oktober 1977 - 2 StR 410/77, BGHSt 27, 287 , 289; vom 13. Dezember 2006 - 5 StR 315/06, NStZ-RR 2007, 71 ; vom 8. November 2011 - 4 StR 468/11, NStZ-RR 2012, 45 ; vom 9. Oktober 2013 - 4 StR 344/13, [...] Rn. 5; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 60. Aufl., § 260 Rn. 24).

Vorinstanz: LG Hannover, vom 11.11.2016