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BGH - Entscheidung vom 08.03.2017

III ZR 39/17

Normen:
GVG §§ 198 ff.
ZPO § 78b Abs. 1
ZPO § 85 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 08.03.2017 - Aktenzeichen III ZR 39/17

DRsp Nr. 2017/3512

Entschädigungsbegehren wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens; Revision gegen ein Versäumnisurteil

Einer Partei kann ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist indes aussichtslos, wenn die Säumnis des Klägers in dem Verhandlungstermin nicht unverschuldet war, weil seine Säumnis auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten beruhte, das sich der Kläger als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Beiordnung eines Notanwalts wird abgelehnt.

Die Revision des Klägers gegen das zweite Versäumnisurteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 15. Dezember 2016 - 7 EK 1/14 - wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 6.000 €

Normenkette:

GVG §§ 198 ff.; ZPO § 78b Abs. 1 ; ZPO § 85 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Der Kläger nimmt das beklagte Land auf Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens in Anspruch.

In dem auf den 10. November 2016 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht ist für den Kläger niemand erschienen. Das Gericht hat zunächst mehrere Ablehnungsgesuche des Klägers wegen Rechtsmissbrauchs als unzulässig verworfen und sodann die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 16. November 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Telefax vom 30. November 2016 Einspruch eingelegt. Mit Verfügung der Vorsitzenden vom 1. Dezember 2016 ist daraufhin der Einspruchstermin nach § 341a ZPO auf den 15. Dezember 2016 bestimmt worden. Den Antrag des Klägers vom 12. Dezember 2016 auf Teilnahme an der Verhandlung im Wege der Bild- und Tonübertragung hat das Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 zurückgewiesen. In dem Verhandlungstermin am 15. Dezember 2016 ist für den Kläger wiederum niemand erschienen. Nach Zurückweisung von Anhörungsrügen, eines erneuten Antrags auf Einrichtung einer Videokonferenz und Verwerfung weiterer Ablehnungsgesuche des Klägers hat das Oberlandesgericht ein zweites Versäumnisurteil erlassen, mit dem der Einspruch gegen das Versäumnisurteil vom 10. November 2016 verworfen worden ist.

Hiergegen hat der erstinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Klägers Revision und hilfsweise Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt und beantragt, dem Kläger einen Notanwalt zu bestellen.

II.

Der Antrag auf Bestellung eines Notanwalts ist unbegründet.

Nach § 78b Abs. 1 ZPO kann einer Partei ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist aussichtslos, weil die Säumnis des Klägers in dem Verhandlungstermin vom 15. Dezember 2016 nicht unverschuldet war. Seine Säumnis beruht auf einem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das sich der Kläger als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO ).

Nach § 565 i.V.m. § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil des Berufungsgerichts (§ 345 ZPO ) der Revision insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass der Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen hat. Das gleiche gilt für ein zweites Versäumnisurteil, das von dem erstinstanzlich zuständigen Oberlandesgericht im Rahmen eines Entschädigungsprozesses wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens (§§ 198 ff GVG ) erlassen wurde (Senatsurteil vom 8. Oktober 2015 - III ZR(Ü) 1/15, NJW 2015, 3661 Rn. 8 ff).

Die Säumnis des Klägers war deshalb nicht unverschuldet, weil sein Prozessbevollmächtigter nicht verhindert war, den Verhandlungstermin am 15. Dezember 2016 um 13.00 Uhr wahrzunehmen. Ausweislich des Aktenvermerks des Berichterstatters vom selben Tag hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am Terminstag lediglich geltend gemacht, erst um 12.15 Uhr in Köln anzukommen. Auf das Angebot der Senatsvorsitzenden den Termin gegebenenfalls auf einen späteren Zeitpunkt im Laufe des Tages zu verschieben, hat der Prozessbevollmächtigte lediglich erklärt, "das sei ihm alles unzumutbar". Soweit er mit am 15. Dezember 2016 um 12.45 Uhr beim Oberlandesgericht per Telefax eingegangenen Ausdrucken aus den Internetseiten der Deutschen Bahn AG geltend gemacht haben sollte, der Zugverkehr zwischen Frankfurt am Main und Köln sei wegen einer Streckensperrung unterbrochen, hat die Vorinstanz im Verhandlungsprotokoll zutreffend ausgeführt, dass dies nicht zu einer hinreichenden Entschuldigung führe, da nicht ersichtlich sei, dass der Gerichtsort nicht mit anderen Verkehrsmitteln oder auf anderer Strecke innerhalb des Terminstags erreichbar sei. Nach alledem lag kein Verhinderungsgrund vor, der dem Erlass eines zweiten Versäumnisurteils entgegengestanden hätte.

Soweit der Kläger nunmehr im Rahmen seines Antrags auf Bestellung eines Notanwalts erstmals behauptet, sein Anwalt habe den Gerichtsort wegen Sperrung einer Zugstrecke nicht erreichen können, kommt es darauf nicht an. Denn eine Säumnis ist nur dann unverschuldet, wenn der Anwalt, der kurzfristig und nicht vorhersehbar an der Wahrnehmung des Termins gehindert ist, das ihm Mögliche und Zumutbare getan hat, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen. Daran fehlt es ersichtlich. Der Prozessbevollmächtigte hat sich gegenüber dem Oberlandesgericht nur allgemein und unerheblich auf Unzumutbarkeit berufen.

Der Kläger kann auch nicht geltend machen, der Verhandlungstermin vom 15. Dezember 2016 sei nicht ordnungsgemäß angeordnet worden. Die unter anderem gegen die Vorsitzende gerichteten Ablehnungsgesuche des Klägers sind zu Recht als substanzlos und rechtsmissbräuchlich behandelt worden und hinderten die Vorsitzende nicht an der Bestimmung des Einspruchstermins. Der Kläger wusste auch, dass sein Anwalt zu dem Termin erscheinen musste, da das Oberlandesgericht seinen Antrag auf Durchführung einer Videokonferenz mit Beschluss vom 13. Dezember 2016 unanfechtbar abgelehnt hatte (§ 128a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 ZPO .

Mit der Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil kann nicht geltend gemacht werden, dass bei Erlass des ersten Versäumnisurteils kein Fall der schuldhaften Säumnis vorgelegen habe (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1999 - V ZB 1/99, BGHZ 141, 351, 355).

III.

Die Revision war auf Kosten des Klägers als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden ist (§§ 548 , 549 Abs. 1 Satz 1, § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ). Nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO müssen sich die Parteien vor dem Bundesgerichtshof durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen. Dies gilt auch für den Entschädigungsprozess nach §§ 198 ff GVG (Ott in Steinbeiß-Winkelmann/ Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 201 GVG Rn. 14). Für eine Einschränkung der Singularzulassung im Wege der verfassungskonformen Auslegung besteht keine Veranlassung.

In Verfahren nach §§ 198 ff GVG ist die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil ohne Zulassung und ohne Höhe der Beschwer statthaft (Senatsurteil vom 8. Oktober 2015 aaO Rn. 11). Die nur vorsorglich eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist daher gegenstandslos.

Da der Entschädigungsprozess abgeschlossen ist, kommt eine Aussetzung des Verfahrens nach § 201 Abs. 3 Satz 1 GVG nicht in Betracht.

Vorinstanz: OLG Köln, vom 15.12.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 7 EK 1/14