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BGH - Entscheidung vom 16.11.2017

IX ZA 21/17

Normen:
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 2
ZPO § 117 Abs. 2

Fundstellen:
DStR 2018, 684
DZWIR 2018, 97
FamRZ 2018, 196
MDR 2018, 115
MDR 2018, 326
NJW 2018, 873
NJW-RR 2018, 190
ZInsO 2018, 70
ZVI 2018, 63

BGH, Beschluss vom 16.11.2017 - Aktenzeichen IX ZA 21/17

DRsp Nr. 2017/17789

Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde; Erforderliche Darlegung der Bestreitung des Lebensunterhalts und der Aufbringung der Kosten der Vorinstanzen durch den einkommens- und vermögenslosen Antragsteller

Prozesskostenhilfe für eine Nichtzulassungsbeschwerde kann mangels Bedürftigkeit nicht bewilligt werden, wenn der Antragsteller, der nach eigenen Angaben weder über Einkommen noch Vermögen verfügt, nicht darlegt, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet und die Kosten der Vorinstanzen aufgebracht hat.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des 4. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg vom 27. April 2017 wird abgelehnt.

Normenkette:

ZPO § 117 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Mit vorliegender Klage wendet sich der Kläger gegen die Feststellung von Forderungen der Beklagten zur Insolvenztabelle in dem über sein Vermögen eröffneten Insolvenzverfahren. Die Klage ist abgewiesen worden. Das Oberlandesgericht hat durch Urteil vom 27. April 2017, das dem Kläger am 8. Mai 2017 zugestellt worden ist, die Berufung zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen. Der Kläger beantragt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung einer Nichtzulassungsbeschwerde.

II.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die vom Kläger beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde (§ 544 ZPO ) keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

1. Die beabsichtigte Nichtzulassungsbeschwerde ist verfristet (§ 544 Abs. 1 Satz 2 ZPO ), weil sie nicht binnen eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt (§ 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ) eingelegt wurde.

2. Ein Gesuch des Klägers auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde (§ 233 ZPO ) verspricht keinen Erfolg.

a) Zwar ist anerkannt, dass die Versäumung einer Frist unverschuldet und einer Partei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist, wenn die rechtzeitige Vornahme einer fristwahrenden Handlung, hier also die formgerechte Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt, wegen des wirtschaftlichen Unvermögens der Partei unterbleibt. Voraussetzung hierfür ist aber, dass die Partei bis zum Ablauf der Frist einen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Antrag auf Prozesskostenhilfe eingereicht und alles in ihren Kräften Stehende getan hat, damit über den Antrag ohne Verzögerung sachlich entschieden werden kann, und sie deshalb vernünftigerweise nicht mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe mangels Bedürftigkeit rechnen musste (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - VI ZA 15/14, NJW 2015, 1312 Rn. 2).

b) Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Zwar wurde der Antrag am 8. Juni 2017 und mithin am letzten Tag der Einlegungsfrist eingereicht. Mangels eines auch nur annähernd nachvollziehbaren Vortrags zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen (§ 114 Abs. 1 Satz 1, § 115 Abs. 1 und 2 , § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO ) musste der Kläger mit einer Verweigerung der Prozesskostenhilfe rechnen. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist verspricht daher keine Aussicht auf Erfolg.

aa) Die Partei hat innerhalb der Rechtsmittelfrist ein Prozesskostenhilfegesuch samt einer Erklärung zu ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen unter Verwendung des amtlich vorgeschriebenen Formulars, § 117 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 und 4 ZPO , und den erforderlichen Nachweisen bei Gericht einzureichen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2016 - XI ZB 4/16 nv, Rn. 9). Wird Prozesskostenhilfe von Personen beantragt, die nach ihren Angaben keine Sozialhilfe beziehen, muss dargelegt und glaubhaft gemacht werden, wie der Lebensunterhalt finanziert wird. Auch freiwillige Zuwendungen Dritter sind nach der umfassenden Definition des § 115 ZPO grundsätzlich dem Einkommen hinzuzurechnen, wenn sie regelmäßig und in nennenswertem Umfang gewährt werden. Bei freiwilligen Leistungen Dritter müssen eidesstattliche Versicherungen der Dritten über Umfang und Grund der Hilfeleistung vorgelegt werden. Außerdem muss dargelegt und glaubhaft gemacht werden, warum der Lebensbedarf nicht durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gedeckt werden kann (OLGR Köln 2000, 77 f; OVG Bautzen, NJW 2011, 3738 Rn. 3; OLG Brandenburg, FamRZ 2012, 1403 ; OVG Münster, NVwZ-RR 2015, 118 ; Zöller/Geimer, ZPO , 31. Aufl., § 117 Rn. 11).

bb) Diesen Anforderungen an die Darlegung seiner Bedürftigkeit hat der Kläger nicht genügt.

(1) Da der Kläger ausweislich seiner Angaben keine öffentlichen Hilfen in Anspruch nimmt, bedürfte es einer konkreten Darlegung, wie er seinen Lebensunterhalt bestreitet. Dem Vorbringen des Klägers, der ein veraltetes Antragsformular verwendet hat, kann nicht entnommen werden, ob ihm Unterhaltsansprüche gegen Angehörige zustehen. Der Hinweis, Zuwendungen von Familie und Freunden zu erhalten, entbehrt jeder Konkretisierung. Ohne nähere Angaben über den Umfang dieser Leistungen und die Dauer, seit wann diese geleistet werden, kann die Bedürftigkeit des Klägers nicht bestimmt werden.

(2) Ebenso fehlt es zur Vermeidung einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe durch arbeitsunwillige Personen (vgl. BVerfG, NJW-RR 2005, 1725 ) an jeder Erläuterung, warum der Kläger keiner Tätigkeit nachgeht, deren Einkünfte ihn unter Berücksichtigung der Pfändungsfreigrenzen auch in dem eröffneten Insolvenzverfahren in die Lage versetzen könnten, die Prozesskosten zumindest teilweise aufzubringen (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 436 f; LAG Schleswig, NZA-RR 2007, 265 ). Der sich in dem Gesuch unter der Rubrik "Beruf, Erwerbstätigkeit" als "selbständig" bezeichnende Kläger hat auch nicht dargelegt, warum er nicht auf eine Freigabe dieser Tätigkeit durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 InsO ) hinwirkt, die ihm ermöglichen würde, außerhalb des Insolvenzverfahrens ein nicht dem Insolvenzbeschlag unterliegendes Vermögen zu erwerben (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - IX ZR 75/11, BGHZ 192, 322 Rn. 14, 28 ).

(3) Schließlich ist der Vortrag des Klägers, für seine in Hamburg gelegene Wohnung weder Miete noch Heizkosten zahlen zu müssen, nicht nachvollziehbar und auch nicht durch die gebotene Vorlage des Mietvertrages belegt. Ferner ist nicht erklärlich, warum der Kläger trotz seiner beengten Vermögensverhältnisse die Kosten der Rechtsverfolgung in den Instanzzügen aufbringen konnte und nunmehr erstmalig Prozesskostenhilfe benötigt. Bei dieser Sachlage ist die Bedürftigkeit des Klägers nicht hinreichend dargetan.

c) Weisen die Darlegungen des Antragstellers zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Lücken auf, so kann Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nur gewährt werden, wenn der Antragsteller darauf vertrauen durfte, die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausreichend dargetan zu haben. Dies ist hier angesichts des gänzlich substanzlosen Vortrags nicht der Fall.

Vorinstanz: LG Hamburg, vom 30.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 329 O 217/14
Vorinstanz: OLG Hamburg, vom 27.04.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 17/16
Fundstellen
DStR 2018, 684
DZWIR 2018, 97
FamRZ 2018, 196
MDR 2018, 115
MDR 2018, 326
NJW 2018, 873
NJW-RR 2018, 190
ZInsO 2018, 70
ZVI 2018, 63