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BGH - Entscheidung vom 13.09.2017

IV ZB 21/16

Normen:
ZPO § 574 Abs. 2
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
FamRZ 2017, 1954
ZEV 2017, 648

BGH, Beschluss vom 13.09.2017 - Aktenzeichen IV ZB 21/16

DRsp Nr. 2017/14404

Bemessung des Werts des Beschwerdegegenstandes im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung; Bestimmtheit eines Vollstreckungstitels; Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen gegen die testamentarische Alleinerbin im Wege der Stufenklage

Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist auch im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten zu bemessen, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordert.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München - 20. Zivilsenat - vom 15. September 2016 wird auf ihre Kosten verworfen.

Beschwerdewert: bis 500 €

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 2 ; GG Art. 2 Abs. 1 ; GG Art. 3 Abs. 1 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I. Die Kläger machen gegen die Beklagte als testamentarische Alleinerbin im Wege der Stufenklage Pflichtteilsansprüche geltend.

Das Landgericht hat die Beklagte durch Teilurteil verurteilt, "Auskunft über den Bestand und Wert des Nachlasses der ... Erblasserin ... zu erteilen, und zwar durch Vorlage eines Bestandsverzeichnisses, das im Einzelnen umfasst: 1. alle beim Erbfall vorhandenen Sachen und Forderungen (Aktiva); 2. alle beim Erbfall vorhandenen Nachlassverbindlichkeiten (Passiva); 3. alle ergänzungspflichtigen Schenkungen, die die Erblasserin zu Lebzeiten getätigt hat; 4. alle unter den Abkömmlingen ausgleichspflichtigen Zuwendungen gemäß §§ 2050 ff. BGB , die die Erblasserin zu Lebzeiten an ihre Abkömmlinge getätigt hat".

Die Beklagte hat mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2015 der Klägervertreterin ein "Bestandsverzeichnis zum Nachlass von der ... [Erblasserin] laut Gerichtsurteil vom 15.04.2014" vom 21. August 2015 übermittelt.

Durch ein weiteres Teilurteil hat das Landgericht die Beklagte entsprechend dem Antrag der Kläger verurteilt, "zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie den Bestand des Nachlasses so vollständig und richtig angegeben hat, als sie dazu in der Lage ist".

Das Oberlandesgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten verworfen und den Streitwert für das Berufungsverfahren auf unter 500 € festgesetzt. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Rechtsbeschwerde.

II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist im Übrigen nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist insbesondere nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts verletzt die Beklagte nicht in ihren Verfahrensgrundrechten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ) auf eine willkürfreie Entscheidung (Art. 3 Abs. 1 GG ) und auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip).

1. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteige 600 € nicht. Er bemesse sich ausschließlich nach dem Aufwand an Zeit und Kosten, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordere. Im Streitfall sei die Einschaltung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Der Urteilsausspruch sei hinreichend bestimmt.

2. Diese Ausführungen stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Wert des Beschwerdegegenstandes auch im Falle der Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Verurteilung zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nach dem Aufwand an Zeit und Kosten bemisst, den die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung erfordert sowie nach einem - hier nicht geltend gemachten - Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten (Senatsurteil vom 27. Februar 2013 - IV ZR 42/11, ErbR 2013, 154 Rn. 14; BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2016 - XII ZB 560/15, FamRZ 2017, 225 Rn. 7; jeweils m.w.N.). Der eigene Zeitaufwand kann hierbei entsprechend den Regelungen für Zeugen im JVEG bewertet werden, woraus sich maximal 21 € pro Stunde ergeben (§ 22 Satz 1 JVEG vgl. Senatsurteil vom 27. Februar 2013 aaO Rn. 14; Senatsbeschluss vom 10. März 2010 - IV ZR 255/08, FamRZ 2010, 891 Rn. 6). Der zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung Verurteilte ist nicht nur berech tigt, sondern verpflichtet, die erteilte Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen und gegebenenfalls zu ergänzen und zu berichtigen. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts kann dem verurteilten Beklagten dann nicht verwehrt werden, wenn der Urteilsausspruch nicht hinreichend bestimmt genug ist, so dass Zweifel über seinen Inhalt und Umfang im Vollstreckungsverfahren zu klären sind, oder wenn die sorgfältige Erfüllung des titulierten Anspruchs Rechtskenntnisse voraussetzt (Senatsurteil vom 27. Februar 2013 aaO Rn. 15 m.w.N.).

b) Ausgehend davon hat das Berufungsgericht den Wert der Beschwer der Beklagten ohne - vom Rechtsbeschwerdegericht allein nachprüfbare (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - IV ZB 18/16, ZEV 2017, 278 Rn. 6; Senatsurteil vom 27. Februar 2013 aaO Rn. 12 m.w.N.) - Ermessensfehler auf unter 500 € festgesetzt.

aa) Es hat unter Beachtung der genannten Maßstäbe die Einschaltung eines Rechtsanwalts zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung nicht für geboten gehalten, weil der Vollstreckungstitel hinreichend bestimmt genug sei.

(1) Ein Vollstreckungstitel ist bestimmt genug und zur Zwangsvollstreckung geeignet, wenn er den Anspruch des Gläubigers ausweist und Inhalt und Umfang seiner Leistungspflicht bezeichnet. Das Vollstreckungsorgan muss in der Lage sein, allein mit dem Titel ohne Verwertung der Gerichtsakten oder anderer Urkunden die Vollstreckung durchzuführen. Zwar ist der Titel selbst der Auslegung fähig. Es genügt jedoch nicht, wenn auf Urkunden Bezug genommen wird, die nicht Bestandteil des Titels sind, oder wenn sonst die Leistung nur aus dem Inhalt anderer Schriftstücke ermittelt werden kann (Senatsurteil vom 27. Februar 2013 aaO Rn. 17 m.w.N.).

(2) Gemessen daran hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei das Teilurteil, mit dem die Beklagte zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verurteilt worden ist, als hinreichend bestimmt angesehen. Zwar bezieht sich der Urteilstenor nicht auf bestimmte erteilte Auskünfte über den Bestand des Nachlasses. Er ist allgemein so gehalten, dass die Beklagte an Eides statt zu versichern hat, dass sie den Bestand des Nachlasses so vollständig und richtig angegeben hat, als sie dazu in der Lage ist. Es ergibt sich aber - anders als in dem dem Senatsurteil vom 27. Februar 2013 (aaO) zugrunde liegenden Fall - aus dem Tatbestand und den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, welche Auskünfte gemeint sind. Die zur Auskunft verurteilte Beklagte hat unter Bezugnahme auf das entsprechende Teilurteil mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2015 das Bestandsverzeichnis vom 21. August 2015 vorgelegt. Darauf hat das Landgericht bei Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung abgestellt. Bereits im Tatbestand des angefochtenen Teilurteils kommt zum Ausdruck, dass die Kläger die eidesstattliche Versicherung in Bezug auf das am 24. August 2015 übermittelte Nachlassverzeichnis erstreben, weil es nach ihrer Auffassung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt worden und nicht vollständig ist. Darauf hat das Landgericht in den Entscheidungsgründen verwiesen, indem es die Bestimmtheit des Klageantrages damit begründet hat, dass sich allein aus einer Urkunde ergebe, welche Auskunft bestätigt werden solle. Weiterhin hat es ausgeführt, die Kläger könnten sich erfolgreich auf die Annahme berufen, dass das Verzeichnis der Auskunft nicht mit der erforderlichen Sorgfalt aufgestellt worden sei, weshalb eine Versicherung an Eides Statt in Bezug auf die Auskunftserteilung geboten sei. Auf vor der Übermittlung des genannten Verzeichnisses von der Beklagten erteilte Auskünfte hebt das Teilurteil nicht ab.

bb) Das von der Beschwerde genannte Risiko, wegen einer falschen oder möglicherweise falschen eidesstattlichen Versicherung mit einem Strafverfahren überzogen zu werden, ist als solches bei der Wertbemessung nicht zu berücksichtigen. Das Gesetz verlangt in § 260 Abs. 2 BGB eine wahrheitsgemäße eidesstattliche Versicherung; nur auf eine solche beziehen sich eine entsprechende Verurteilung und der zur Erfüllung des titulierten Anspruchs erforderliche Aufwand. Deshalb entspricht die Vermeidung strafrechtlicher Konsequenzen schon für den Fall der fahrlässigen Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung nicht dem bei der Wertfestsetzung zu berücksichtigenden Geheimhaltungsinteresse des Verurteilten (Senatsbeschluss vom 29. November 1995 - IV ZB 19/95, ZEV 1996, 194 unter B 2 b).

cc) Dass die Beklagte selbst für die - der Verpflichtung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung immanente - Prüfung der erteilten Auskunft auf Vollständigkeit und Richtigkeit und gegebenenfalls die Ergänzung und Berichtigung Zeit und Kosten in einem Umfang aufwenden muss, der den Ansatz eines Betrages von mehr als 6 00 € rechtfertigt, legt die Rechtsbeschwerde nicht dar. Sie wendet sich - zu Recht - nicht gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Berufungsgerichts.

Vorinstanz: LG München I, vom 30.05.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 34 O 21370/13
Vorinstanz: OLG München, vom 15.09.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 20 U 2520/16
Fundstellen
FamRZ 2017, 1954
ZEV 2017, 648