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BAG - Entscheidung vom 25.01.2017

4 AZR 522/15

Normen:
GG Art. 103 Abs. 1
BGB § 133
BGB § 157
TVG § 4 Abs. 1
TVG § 4 Abs. 5
TVG § 5 Abs. 4
ZPO § 139
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO § 256
ZPO § 293

BAG, Urteil vom 25.01.2017 - Aktenzeichen 4 AZR 522/15

DRsp Nr. 2017/9393

Bestimmtheitserfordernis beim Feststellungsantrag der Feststellungsklage Bezeichnung eines Tarifvertrages im Feststellungsantrag als Gegenstand der Feststellungsklage Hinreichende Bestimmtheit durch genaue Bezeichnung eines Tarifvertrages im Feststellungsantrag Gerichtliche Ermittlung des maßgeblichen Tarifvertrages nur bei den normativen Regelungen des Tarifvertrages Zurückverweisung des Rechtsstreits und Gewährleistung des rechtlichen Gehörs der Parteien Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Vergütungsbestandteile Teilweise Parallelentscheidung zu BAG, 4 AZR 517/15 v. 25.01.2017

1. Ein Feststellungsantrag muss hinreichend bestimmt sein, da bei einer dem Antrag entsprechenden Entscheidung keine Unklarheit über den Umfang der Rechtskraft bestehen darf. 2. Wird mit einer Klage die Feststellung begehrt, ein bestimmter Tarifvertrag finde auf ein Arbeitsverhältnis Anwendung, ist dieser grundsätzlich im Antrag so zu benennen, dass keine Zweifel darüber bestehen, welcher Tarifvertrag gemeint ist. Dabei kann sich die Identität des Tarifvertrags auch aus den Antrags- bzw. Urteilsgründen ergeben. 3. Ein Tarifvertrag, dessen Anwendung auf ein Arbeitsverhältnis festgestellt werden soll, ist in der Regel nur dann hinreichend bestimmt, wenn er nach seiner Bezeichnung, nach den tarifschließenden Parteien und nach dem Datum seiner Vereinbarung benannt ist oder sich diese ohne jeden Zweifel aus den vom Landesarbeitsgericht festgestellten Tatsachen ergeben. 4. § 293 ZPO verpflichtet ein Gericht für Arbeitssachen nur dann zu einer "Ermittlung" des maßgebenden Tarifvertrags, wenn es um die normative Wirkung gem. § 4 Abs. 1 , § 5 Abs. 4 TVG geht, nicht aber, wenn die Anwendung eines Tarifvertrags ausschließlich auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung beruht. 5. Hat das Landesarbeitsgericht über einen nach § 256 Abs. 1 ZPO unzulässigen Antrag ohne Erörterung oder Hinweis eine Sachentscheidung getroffen, weil es den Antrag für zulässig gehalten hat, ist nach der Aufhebung des Berufungsurteils die Sache in der Regel zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen. Dies gebietet der verfassungsrechtliche Anspruch der Parteien auf Gewährung rechtlichen Gehörs, der in § 139 Abs. 2 ZPO konkretisiert ist. 6. Die Anrechnung von Tariflohnerhöhungen auf übertarifliche Vergütungsbestandteile ist in der Regel möglich, wenn dem Arbeitnehmer nicht vertraglich ein selbständiger Entgeltbestandteil neben dem jeweiligen Tarifentgelt zugesagt worden ist.

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 13. Juli 2015 - 2 Sa 439/15 - insoweit aufgehoben, als es die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 2. Dezember 2014 - 14 Ca 2982/14 - zurückgewiesen hat.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

Normenkette:

GG Art. 103 Abs. 1 ; BGB § 133 ; BGB § 157 ; TVG § 4 Abs. 1 ; TVG § 4 Abs. 5 ; TVG § 5 Abs. 4 ; ZPO § 139 ; ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2 ; ZPO § 256 ; ZPO § 293 ;

Tatbestand:

Die Parteien streiten über die Anwendbarkeit von Tarifverträgen des Einzelhandels Nordrhein-Westfalen auf ihr Arbeitsverhältnis und damit zusammenhängende Vergütungsdifferenzen.

Die Klägerin ist seit März 2004 bei der Beklagten, die in K ein Einzelhandelskaufhaus betreibt und zu keinem Zeitpunkt Mitglied eines Arbeitgeberverbands war, beschäftigt und zuletzt in Teilzeit (30 von 37,5 Wochenarbeitsstunden) tätig.

Der Arbeitsvertrag der Klägerin enthält auf der ersten Seite auszugsweise folgende Regelungen:

"...    Tarifliche Einstufung:  G 2, 4. Bj. 
Vergütung:  Tarifentgelt:  1.559,91 €   
  Gesamtentgelt  1.559,91 €"   

In den hieran angefügten Allgemeinen Vertragsbedingungen ist Folgendes vereinbart:

"...

2. Vergütung

Die arbeitsvertraglich vorgesehene Eingruppierung des Mitarbeiters erfolgt vorbehaltlich einer späteren Überprüfung. Sollte sich hierbei eine fehlerhafte Eingruppierung herausstellen, erklärt sich der Mitarbeiter damit einverstanden, dass mit Wirkung ab dem auf die Feststellung folgenden Monats eine Neugruppierung herbeigeführt wird. Über-/Unterzahlungen werden mit der nächsten Vergütungsabrechnung verrechnet, wobei auf die sozialen Belange des Mitarbeiters Rücksicht zu nehmen ist und ggf. Überzahlungen auf mehrere Monate zu verteilen sind.

...

Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden.

...

13. Schlussbestimmung

Ergänzend gelten die gesetzlichen und tarifvertraglichen Regelungen, ebenso wie die im Betrieb geltenden Betriebsvereinbarungen."

Die Vergütungstarifverträge im Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen (Gehaltstarifvertrag/Lohntarifvertrag) waren bis zum 31. März 2000 und der Manteltarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen ( MTV ) bis zum 31. März 2003 allgemeinverbindlich. Der MTV sah eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Eingruppierung vor. Die Beklagte wandte bei vielen Arbeitnehmern den gleichen Formulararbeitsvertrag an, unabhängig davon, ob zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch die Vergütungstarifverträge und der MTV , nur der MTV oder keiner der Tarifverträge mehr allgemeinverbindlich waren.

Die Beklagte gab nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auch nach Außerkrafttreten der Allgemeinverbindlichkeit Vergütungserhöhungen aus den Vergütungstarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen vollständig an die Arbeitnehmer weiter. Erst nach einem Tarifabschluss vom 10. Dezember 2013, der rückwirkend ab dem Monat August 2013 eine Tariferhöhung von 3 % und zum 1. Mai 2014 von weiteren 2,1 % vorsah, erhöhte die Beklagte die Vergütung ihrer Arbeitnehmer zum 1. Januar 2014 lediglich um 2 %.

Am 23. April 2013 schlossen die Parteien in einem Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht Köln (- 20 Ca 61/13 -) einen Prozessvergleich, der ua. folgende Vereinbarung enthält, wonach die Klägerin ab dem 1. Mai 2013 entsprechend Vergütungsgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr vergütet wird.

Die Beklagte zahlte an die Klägerin für die Monate August bis Dezember 2013 eine Grundvergütung iHv. jeweils 2.412,44 Euro brutto und ab Januar 2014 iHv. 2.460,69 Euro brutto.

Mit ihrer der Beklagten am 30. April 2014 zugestellten Klage sowie mit einer der Beklagten am 21. August 2014 zugestellten Klageerweiterung hat die Klägerin zuletzt für den Zeitraum von August 2013 bis Juni 2014 Differenzvergütungsansprüche iHv. insgesamt 698,46 Euro brutto geltend gemacht. Sie hat dazu die Ansicht vertreten, sie habe einen Anspruch auf das jeweilige Tarifentgelt, da ihr Arbeitsvertrag iVm. dem Prozessvergleich vom 23. April 2013 die Tarifverträge des nordrhein-westfälischen Einzelhandels dynamisch in Bezug nehme. Bei dynamischer Tarifgeltung hätte ihre monatliche Grundvergütung ab August 2013 2.492,80 Euro brutto und ab Mai 2014 2.544,80 Euro brutto betragen.

Die Klägerin hat, soweit für die Revision von Bedeutung, beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 698,46 Euro brutto (Vergütungsnachzahlung für die Monate August 2013 bis einschließlich Juni 2014) nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz

aus 401,80 Euro ab dem 1. Januar 2014,

aus jeweils 31,11 Euro ab dem 1. Februar, dem 1. März, dem 1. April und dem 1. Mai 2014

sowie aus jeweils 84,11 Euro ab dem 1. Juni und dem 1. Juli 2014

zu zahlen.

Die Beklagte hat zu ihrem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, dass der Arbeitsvertrag als statische Verweisung auf den bei Arbeitsvertragsschluss anwendbaren Vergütungstarifvertrag auszulegen sei. Dieser sei nach Ende der Allgemeinverbindlichkeit als betriebliche Vergütungsordnung verbindlich gewesen. Spätestens mit dem gerichtlichen Vergleich vom 23. April 2013 sei eine statische Anwendung vereinbart worden. Ein Arbeitgeber wolle im Übrigen nie dynamisch an Tarifverträge gebunden sein, wenn er selber nicht Mitglied im Arbeitgeberverband ist. Dies sei so offensichtlich, dass auch Arbeitnehmer dies erkennen müssten und § 305c BGB nicht zur Anwendung gelangen könne, da es an einem zweifelhaften Auslegungsergebnis fehle.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten lediglich im Zinsausspruch abgeändert. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Beklagten ist begründet. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist nicht rechtsfehlerfrei; insbesondere wird die Begründung der Entscheidung von den festgestellten Tatsachen nicht getragen. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO ), soweit die Beklagte mit ihrer Berufung unterlegen war, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 ZPO ), da es für eine abschließende Entscheidung an den notwendigen Tatsachenfeststellungen fehlt.

I. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage für begründet erachtet, weil der Arbeitsvertrag der Parteien die "Vergütungstarifverträge für den Einzelhandel in NRW" dynamisch in Bezug nehme. Danach ergebe sich aus der Differenz zwischen der Tarifvergütung der "Tarifgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr" und der bereits an die Klägerin gezahlten Bruttovergütung ein Anspruch auf die geltend gemachten Bruttodifferenzbeträge in der begehrten Höhe.

II. Diese Auffassung ist nicht rechtsfehlerfrei, weil sie von den Tatsachenfeststellungen nicht getragen ist. Eine Anspruchsgrundlage für die zuerkannten Ansprüche auf die monatlichen Bruttoentgelte nach dem "Vergütungstarifvertrag" ist derzeit nicht ersichtlich.

1. Das Landesarbeitsgericht ist noch zutreffend davon ausgegangen, dass in der arbeitsvertraglichen Vereinbarung hinsichtlich der Höhe des vereinbarten monatlichen Arbeitsentgelts zeitdynamisch auf einen nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Klägerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag Bezug genommen wird.

a) Bei dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Auslegung durch das Landesarbeitsgericht vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden kann (st. Rspr., vgl. nur BAG 19. Mai 2010 - 4 AZR 796/08 - Rn. 15 mwN, BAGE 134, 283 ).

b) Nach dem vom Landesarbeitsgericht festgestellten Wortlaut der im Arbeitsvertrag getroffenen Vergütungsvereinbarung war für die Klägerin bei einer "Tarifliche[n] Einstufung: G 2, 4. Bj." ein "Tarifentgelt" iHv. 1.559,91 Euro vorgesehen.

aa) Der Senat hat - im Anschluss an die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Februar 2013 (- 5 AZR 2/12 -) - hinsichtlich vergleichbarer Formulierungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen entschieden, dass der durchschnittliche Arbeitnehmer bei einer derartigen Verknüpfung von einem festen Entgeltbetrag und dessen Bezeichnung als Tarifgehalt idR redlicherweise davon ausgehen darf, der in der Klausel festgehaltene Betrag werde nicht für die Dauer des Arbeitsverhältnisses statisch sein, sondern solle sich entsprechend den tariflichen Entwicklungen des maßgebenden Tarifvertrags verändern. Ein redlicher Arbeitgeber würde - wenn er die von ihm gestellte Klausel nicht so verstanden wissen wollte - die Bezeichnung als Tarifentgelt unterlassen, um klar und deutlich zum Ausdruck zu bringen (vgl. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ), dass er nicht "nach Tarif" zahlen will, sondern sich das vereinbarte Entgelt ausschließlich nach den konkret bezifferten Parteivereinbarungen richten soll (vgl. nur BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 16; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 17 ff.).

bb) Der Wille der Beklagten zur dynamischen Inbezugnahme von tariflichen Entgeltregelungen folgt nach der zutreffenden Ansicht des Landesarbeitsgerichts ferner aus Ziff. 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Die dortige Anrechnungsregelung - "Freiwillige übertarifliche Zulagen sonstiger Art können bei Änderung der Tarifbezüge, gleich aus welchem Anlass auf die tariflichen Erhöhungen angerechnet werden" - darf ein durchschnittlicher Arbeitnehmer so verstehen, dass die Beklagte sich auch unabhängig von der - ohnehin vor Vertragsschluss beendeten - Allgemeinverbindlichkeit dieses Tarifvertrags zur Zahlung des jeweiligen Tarifentgelts verpflichten wollte. Zwar hat der Anrechnungsvorbehalt nicht ausschließlich bei einer dynamischen Inbezugnahme der tariflichen Entgeltbestimmungen einen Anwendungsbereich (anders aber bei nicht allgemeinverbindlichen Tarifverträgen BAG 8. Juli 2015 - 4 AZR 51/14 - Rn. 17; 13. Mai 2015 - 4 AZR 244/14 - Rn. 18; 20. April 2012 - 9 AZR 504/10 - Rn. 29), sondern auch dann, wenn künftig Tarifvertragsänderungen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Allerdings hat die Beklagte den Anrechnungsvorbehalt nicht auf diese Fallkonstellation beschränkt. Zudem hat sie durch den Zusatz "gleich aus welchem Anlass" zum Ausdruck gebracht, dass Anlass für eine Erhöhung des tariflichen Entgelts der Klägerin nicht ausschließlich ein künftiger für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag, sondern jede künftige tarifliche Entgeltsteigerung sein kann. Die Klausel setzt daher eine Änderung des Entgelts in der Folge einer tariflichen Dynamik voraus und erfasst gerade nicht die erstmalige Anwendbarkeit oder Geltung eines Tarifvertrags.

2. Als rechtsfehlerhaft erweist sich hingegen die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Auslegung des zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Köln am 23. April 2013 geschlossenen Prozessvergleichs, wonach die Klägerin ab dem 1. Mai 2013 entsprechend Vergütungsgruppe G III b 6. Tätigkeitsjahr zu vergüten ist. Ob die Parteien dadurch die arbeitsvertragliche zeitdynamische Bezugnahme auf den nach seinem räumlichen, fachlichen und persönlichen Geltungsbereich für die Klägerin einschlägigen, die Höhe des monatlichen Entgelts regelnden Tarifvertrag in eine statische Bezugnahme geändert haben, kann auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht abschließend beurteilt werden.

Dabei kann offenbleiben, ob die Auslegung des materiell-rechtlichen Inhalts eines Prozessvergleichs durch das Landesarbeitsgericht der vollen revisionsrechtlichen Überprüfung unterliegt (so zB BAG 22. Mai 2003 - 2 AZR 250/02 - zu II 3 der Gründe; 31. Juli 2002 - 10 AZR 513/01 - zu II 3 a der Gründe, BAGE 102, 103 ; 9. Oktober 1996 - 5 AZR 246/95 - zu 4 der Gründe) oder ob sie nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht Auslegungsregeln verletzt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen, wesentliche Tatsachen unberücksichtigt gelassen oder eine gebotene Auslegung unterlassen hat (so zB BAG 23. Juni 2016 - 8 AZR 757/14 - Rn. 14; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 55; 15. September 2004 - 4 AZR 9/04 - zu I 1 b bb (1) der Gründe, BAGE 112, 50 ; offengelassen 9. Dezember 2015 - 7 AZR 117/14 - Rn. 23, BAGE 153, 365 ). Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts hält auch einer eingeschränkten Überprüfung nicht stand.

a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine statische Geltung der tariflichen Vergütungshöhe lasse sich dem Vergleich nicht entnehmen. Der Vergleichstext laute nicht dahin, dass eine "richtige" Vergütungsgruppe festgestellt wird, sondern, dass der Klägerin die Zahlungen "entsprechend" einer als richtig festgestellten Vergütungsgruppe zustehen. Dies könne nur dahin verstanden werden, dass der jeweilige Vergütungsbetrag, der sich für die gefundene Vergütungsgruppe ergibt, an die Klägerin gezahlt werde. Der Vergleich unterscheide damit einen vollstreckungsfähigen Nachzahlungsbetrag und eine fortlaufend für die Zukunft geltende abstrakte Vergütungsregelung, die der jeweiligen Vergütung der Tarifgruppe G III b, 6. Tätigkeitsjahr entspricht, sich also auch in der Zukunft bei Änderungen aus der abstrakt genannten Vergütungsgruppe ableitet.

b) Diese Ausführungen sind zum einen nicht nachvollziehbar und lassen zum anderen - das rügt die Beklagte mit ihrer Revision zu Recht - wesentliche Aspekte der Vertragsauslegung außer Acht.

aa) Nach §§ 133 , 157 BGB sind Verträge - auch Prozessvergleiche - so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten. Dabei ist zwar vom Wortlaut auszugehen. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind jedoch auch die außerhalb der Vereinbarung liegenden Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen. Ebenso sind die bestehende Interessenlage und der mit dem Rechtsgeschäft verfolgte Zweck zu berücksichtigen (st. Rspr., vgl. nur BAG 24. September 2015 - 2 AZR 716/14 - Rn. 35, BAGE 153, 20 ; 10. Dezember 2014 - 10 AZR 63/14 - Rn. 21; 21. Januar 2014 - 3 AZR 362/11 - Rn. 57 mwN).

bb) Der (Teil-)Wortlaut des Prozessvergleichs - soweit vom Landesarbeitsgericht festgestellt - lässt nicht eindeutig erkennen, ob die Parteien mit der vereinbarten Vergütungsgruppe (weiterhin) an die tarifvertragliche Dynamik anknüpfen oder für die Zukunft eine statische Entgeltvereinbarung treffen wollten. Er enthält weder in die eine noch in die andere Richtung einen klarstellenden Zusatz (zB "des derzeit geltenden ..." oder "des jeweils geltenden ..."), wobei der Umstand, dass die Parteien eine Tarifgruppe und nicht einen bezifferten Entgeltbetrag benannt haben, eher für eine dynamische Regelung spricht.

cc) Auf der Grundlage des vom Landesarbeitsgericht festgestellten Inhalts des Prozessvergleichs ist die Erwägung, der Vergleich unterscheide zwischen einem vollstreckungsfähigen Nachzahlungsbetrag und einer fortlaufend für die Zukunft geltenden abstrakten Vergütungsregelung, die der jeweiligen Vergütung der Tarifgruppe G III b, 6. Tätigkeitsjahr entspreche, nicht nachvollziehbar. Die vom Landesarbeitsgericht festgestellte Vereinbarung in dem Prozessvergleich hat keinen vollstreckungsfähigen Inhalt, sondern enthält lediglich eine materiellrechtliche Vereinbarung. Weiterhin folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts allein aus dem Umstand, dass die Vereinbarung in die Zukunft gerichtet war, nicht, dass sie nicht statisch auf den zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses geltenden Tarifvertrag hätte Bezug nehmen können.

dd) Die außerhalb der Vereinbarung liegenden Rahmenbedingungen, also die - auch prozessuale - Vorgeschichte des Vergleichs und die Umstände seines Zustandekommens, die Rückschlüsse auf die Interessenlage der Parteien und den mit dem Vergleich verfolgten Zweck zulassen können, hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Auslegung weder berücksichtigt noch hat es Feststellungen dazu getroffen.

3. Das Landesarbeitsgericht hat es ferner versäumt, festzustellen, an welche (Entgelt-)Tarifverträge welcher Tarifvertragsparteien die von ihm angenommene arbeitsvertragliche Anbindung erfolgt ist. Ohne eine - Zweifel ausschließende - Identität des oder der Tarifvertrags/Tarifverträge zu benennen, an die die Arbeitsvertragsparteien den Inhalt ihres Arbeitsverhältnisses (hier: die Vergütung) dynamisch ankoppeln wollten, und ohne die nach Beendigung des hiervon ursprünglich erfassten Tarifvertrags als gleichfalls von der Verweisungsklausel erfassten "Folgetarifverträge" zu benennen, ist eine Bestimmung des zu einem Jahre später nach dieser vertraglichen Verweisungsklausel maßgebenden Tarifvertrags nicht möglich. Das Landesarbeitsgericht hat sich darauf beschränkt, die Dynamik der Verweisungsklausel zu begründen; auf welchen Tarifvertrag sie sich aus welchen Gründen mehr als 10 Jahre später beziehen sollte, auf welche Anspruchsgrundlage sich also die Klägerin berufen kann, und inwieweit die dort - mutmaßlich - genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, hat das Landesarbeitsgericht nicht angesprochen.

a) Nimmt ein Arbeitsvertrag dynamisch auf einen Tarifvertrag Bezug, muss dieser jedenfalls dann nach Datum und Tarifvertragsparteien feststehen, wenn unmittelbar aus seinen Regelungen oder aus solchen der von der Verweisung dynamisch erfassten Folgetarifverträge Zahlungsansprüche abgeleitet werden. Andernfalls kann nicht nachvollziehbar begründet werden, warum die vom Gericht angenommene tarifliche Regelung als letztlich vertraglich vereinbarte Anspruchsgrundlage verbindlich sein soll.

Diese Anforderung gilt grundsätzlich ungeachtet einer möglicherweise vorherrschenden oder - regional - besonders bedeutungsvollen Praxis bestimmter Tarifvertragsparteien. Eine solche kann nur dann zur Bestimmung der von den Arbeitsvertragsparteien gemeinten Tarifvertragsparteien herangezogen werden, wenn die praktischen Verhältnisse vom Landesarbeitsgericht tatsächlich festgestellt sind, und wenn diese so gestaltet sind, dass sie die Beteiligung jeder anderen möglichen Tarifvertragspartei nach den Umständen ausschließen. Dies ist mangels klägerischen Vortrags bzw. landesarbeitsgerichtlicher Tatsachenfeststellungen vorliegend nicht gegeben.

b) Nach Maßgabe dieser Anforderungen ist dem Berufungsurteil keine Anspruchsgrundlage für den der Klägerin zugesprochenen Zahlungsanspruch zu entnehmen. Weder ist derjenige Tarifvertrag benannt, auf den sich die Verweisungsklausel zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts bezogen haben soll, noch derjenige, dem das Berufungsgericht die Zahlungsverpflichtung der Beklagten für den Streitzeitraum entnommen hat.

aa) Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen in diesem Zusammenhang ausführt, die Beklagte habe zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses "den Gehaltstarifvertrag für Arbeitnehmer im Einzelhandel NRW" angewandt, ist bereits dieser nicht präzise bezeichnet. Ein Rückgriff auf die vorherigen allgemeinverbindlichen Entgelttarifverträge ist schon deshalb nicht möglich, weil deren Allgemeinverbindlichkeit und damit die - unabhängig von einer vertraglichen Vereinbarung bestehende - normative Wirkung bereits seit dem 31. März 2000, mithin vor Abschluss des Arbeitsvertrags beendet war. Sie wurde danach auch nicht ersetzt oder erneuert.

bb) Den im Berufungsurteil gleichfalls herangezogenen vorher allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifverträgen des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen lässt sich der zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsschlusses von der Verweisungsklausel erfasste Entgelttarifvertrag auch nicht mittelbar entnehmen. Es ist zwar bekannt, dass diese Tarifverträge vom Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V. auf der einen und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen im DGB, Landesbezirksleitung Nordrhein-Westfalen sowie der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft, Landesverband Nordrhein-Westfalen, auf der anderen Seite geschlossen wurden. Für evtl. Folgetarifverträge in der Zeit ab dem Ende der Allgemeinverbindlichkeit im Jahr 2000 fehlt es an tatsächlichen Feststellungen über die Identität der jeweiligen Tarifvertragsparteien im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen. So ist im Berufungsurteil keiner der Folgetarifverträge, die von der dynamischen Verweisungsklausel erfasst sein sollten, durch die Bezeichnung der sie abschließenden Tarifvertragsparteien und - mit einer Ausnahme (dazu unten) - nach Abschlussdatum oder dem Zeitpunkt des Inkrafttretens gekennzeichnet worden.

Es soll deshalb nur ergänzend und zur Verdeutlichung darauf hingewiesen werden, dass es im Einzelhandel des Landes Nordrhein-Westfalen auf beiden Seiten der Sozialpartner verschiedene tarifvertragsschließende Parteien gab und gibt. Neben der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Rechtsnachfolgerin ua. der Gewerkschaft HBV und der DAG geworden ist (vgl. dazu BAG 4. Juli 2007 - 4 AZR 491/06 - Rn. 48 ff., BAGE 123, 213 ), dem Deutschen Gewerkschaftsbund als Dachverband angehört und (wohl) regelmäßig auf Arbeitnehmerseite Tarifverträge vereinbart, hat in der Vergangenheit nach der Tarifsammlung des Bundesarbeitsgerichts am 10. Dezember 2013 die "DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V.", die nach dem - nicht rechtskräftigen - Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 4. Mai 2016 (- 5 TaBV 8/15 -; Rechtsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht anhängig) eine tariffähige Gewerkschaft ist, einen Lohntarifvertrag für den Einzelhandel in Nordrhein-Westfalen geschlossen, ebenso wie bereits am 25. Juli 2008 einen Manteltarifvertrag. Tarifvertragspartner auf Arbeitgeberseite war ua. dabei der "Handelsverband BAG Nordrhein-Westfalen, der allerdings auch mit der Gewerkschaft ver.di Tarifverträge vereinbart hat. Ferner ist der Vorgängertarifvertrag zum Manteltarifvertrag der Gewerkschaft ver.di vom 10. Dezember 2013 im Jahre 2008 sowohl vom "Handelsverband BAG Nordrhein-Westfalen - Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V." als auch vom "Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen" geschlossen worden. Ein ausdrücklich hierzu vereinbarter "Ergänzungstarifvertrag" vom 29. Juni 20111 dagegen wurde auf der Arbeitgeberseite (nur) vom "Handelsverband Nordrhein-Westfalen e.V." mit der Gewerkschaft ver.di vereinbart. Die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Parteien nicht mehr allgemeinverbindlichen Lohn- und Gehaltstarifverträge waren 1999 auf Arbeitgeberseite jeweils allein vom "Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V." geschlossen worden. Der bis zum Jahre 2003 allgemeinverbindliche Manteltarifvertrag ist dagegen 1996 auf Arbeitgeberseite vom "Einzelhandelsverband Nordrhein e.V." und dem "Landesverband des Westfälisch-Lippischen Einzelhandels e.V." vereinbart worden.

Damit sind in der Zeit vom Abschluss des Arbeitsvertrags bis zu dem hier maßgebenden Zeitraum allein auf Arbeitnehmerseite mindestens zwei Gewerkschaften und auf Arbeitgeberseite mindestens fünf verschiedene Tarifvertragsparteien im Einzelhandel für das Land Nordrhein-Westfalen aufgetreten. Das begründet nicht, aber verdeutlicht, dass es sich bei der Anforderung nach der Bezeichnung einer Anspruchsgrundlage durch die Bezeichnung des oder der das Arbeitsverhältnis bestimmenden Tarifvertrags/Tarifverträge um zwingende Maßgaben handelt.

cc) Das Landesarbeitsgericht wendet im Ergebnis dann einen nicht näher bezeichneten Lohn- oder Gehaltstarifvertrag an, von dessen Erfassung durch die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel es offenbar ausgeht. Auch dies hätte einer Begründung bedurft, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die früher allgemeinverbindlichen Lohn- bzw. Gehaltstarifverträge auf Arbeitgeberseite von dem "Einzelhandelsverband Nordrhein-Westfalen e.V." die letzten, dem Revisionsgericht vorliegenden Lohn- und Gehaltstarifverträge jedoch vom "Handelsverband Nordrhein-Westfalen e. V." geschlossen wurden. In der dazwischen liegenden Zeit haben auch andere Verbände mit den Gewerkschaften Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (DAG) und Handel, Banken und Versicherungen ( HBV ) bzw. der Gewerkschaft ver.di Gehalts- und Lohntarifverträge abgeschlossen. Aber auch die bereits oben genannte "DHV - Die Berufsgewerkschaft e.V." ist insoweit tätig geworden, zum Beispiel durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags vom 10. Dezember 2013, eines Manteltarifvertrags oder schon im Jahre 2003 durch den Abschluss eines Lohntarifvertrags mit der "Landesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels in Nordrhein-Westfalen e.V." Auf weitere Unklarheiten ist bereits oben hingewiesen worden.

c) Auf den Umstand, dass zu den Tatbestandsmerkmalen der vom Berufungsgericht als zutreffend angesehenen Anspruchsgrundlage, insbesondere zum persönlichen Geltungsbereich des dabei "angewandten" Tarifvertrags sowie zur Tätigkeit der Klägerin und damit zu der Erfüllung der Anforderungen des Tätigkeitsmerkmals der von ihr geltend gemachten Gehaltsgruppe keinerlei Ausführungen im Berufungsurteil gemacht worden sind, kommt es danach nicht mehr an.

III. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da es noch tatrichterlicher Feststellungen bedarf.

1. Soweit es um die Auslegung des Vergleichs vom 23. April 2013 geht, mangelt es an Feststellungen über die Rahmenbedingungen des vom Landesarbeitsgerichts festgestellten (Teil-)Wortlauts des Vergleichs, insbesondere über dessen Vorgeschichte und die Umstände seines Zustandekommens, die Rückschlüsse auf die Interessenlage der Parteien und den mit dem Vergleich verfolgten Zweck zulassen können. Diese wird es im Rahmen einer erneuten Berufungsverhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.

2. Sollte sich aus der Auslegung des gerichtlichen Vergleichs vom 23. April 2013 die Vereinbarung einer (weiteren) dynamischen Anwendung eines "Entgelttarifvertrags" ergeben, bedarf es zur Bestimmung der konkreten Anspruchsgrundlage weiteren Vortrags der Parteien, zu dessen Erbringung ihnen nach Maßgabe des Art. 103 Abs. 1 GG Gelegenheit zu geben ist. Es wird dabei darauf ankommen, den Arbeitsvertrag der Parteien iVm. dem gerichtlichen Vergleich auszulegen und zu überprüfen, hinsichtlich welchen Tarifvertrags welcher Tarifvertragsparteien die Arbeitsvertragsparteien zum Entgelt eine dynamische Vereinbarung getroffen haben und welcher jeweils neue Tarifvertrag nach dem Ende des vorherigen von dieser Verweisungsklausel erfasst war. Hat die Dynamik bis zum Streitzeitraum nicht geendet, wird festzustellen sein, auf welchen konkreten Tarifvertrag sie sich im August 2013 und dem nachfolgenden Zeitraum erstreckt hat. Die dort ggf. vorgesehenen Anspruchsgrundlagen sind sodann hinsichtlich der Erfüllung ihrer Tatbestandsmerkmale auf den festgestellten Sachverhalt anzuwenden.

Hinweise des Senats:

Teilweise Parallelentscheidung zu führender Sache - 4 AZR 517/15

Vorinstanz: LAG Köln, vom 13.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 Sa 439/15
Vorinstanz: ArbG Köln, vom 02.12.2014 - Vorinstanzaktenzeichen 14 Ca 2982/14