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BVerwG - Entscheidung vom 01.12.2016

2 B 41.15

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
VersAusglG § 49
SVG § 55c
VAHRG § 5
VAHRG § 9

BVerwG, Beschluss vom 01.12.2016 - Aktenzeichen 2 B 41.15

DRsp Nr. 2017/1532

Kürzung der Versorgungsbezüge eines Berufssoldaten im Ruhestand auf Grundlage des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich ( VAHRG ); Antrag beim Versorgungsträger auf Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs

Mit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes am 01.09.2009 trat das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich außer Kraft. Ab diesem Zeitpunkt entfaltete das Versorgungsausgleichsgesetz seine volle Wirkung, und zwar grundsätzlich für Rechtsverhältnisse, die bereits bestanden, und für solche, die erst danach entstanden. Abweichend von dieser Grundregel verlängert § 49 VersAusglG die Geltung des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich als Übergangsrecht ausnahmsweise für bestimmte Verfahren - insbesondere für solche, in denen ein Antrag auf Aussetzung der Kürzung vor dem 01.09.2009 gestellt wurde - die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 31. März 2015 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14 010,72 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; VersAusglG § 49 ; SVG § 55c; VAHRG § 5 ; VAHRG § 9 ;

Gründe

Die allein auf eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) gestützte Beschwerde ist unbegründet.

1. Der Kläger, ein ehemaliger Berufssoldat, der sich gegen die Kürzung seines Ruhegehalts wendet, wurde 2004 rechtskräftig geschieden. Die Wehrbereichsverwaltung entschied 2008 auf Antrag des Klägers, seine Versorgungsbezüge ab Dezember 2008 gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich ( VAHRG ) nicht aufgrund eines Versorgungsausgleichs zu kürzen. Diesen Bescheid hob die Wehrbereichsverwaltung 2011 mit der Maßgabe auf, die Versorgungsbezüge nunmehr ab Juli 2011 nach § 55c des Soldatenversorgungsgesetzes ( SVG ) zu kürzen und die für Juli und August 2011 überzahlten Versorgungsbezüge zurückzufordern.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger erstinstanzlich und vor dem Verwaltungsgerichtshof Erfolg gehabt. Zur Begründung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgeführt: Seit September 2009 sei für die Anpassung des Versorgungsausgleichs bei Unterhaltszahlungen und deren Abänderung nicht mehr - wie bisher - der Versorgungsträger, sondern das Familiengericht zuständig. Aus der Übergangsvorschrift für Auswirkungen des Versorgungsausgleichs in besonderen Fällen in § 49 des Gesetzes über den Versorgungsausgleich ( VersAusglG ) folge nichts anderes. Es fehle an einem nach alter Rechtslage anhängig gewordenen und noch nicht beschiedenen Antrag des Ausgleichsverpflichteten oder Ausgleichsberechtigten. Die Versorgungsbehörde sei vorliegend im Hinblick auf die Anpassung vielmehr von Amts wegen tätig geworden. Der ursprünglich vom Kläger gestellte Antrag habe sich auf einen anderen Gegenstand bezogen, nämlich auf die Aussetzung der Kürzung und nicht auf deren Anpassung. Über diesen Antrag sei bereits bestandskräftig entschieden worden, sodass es kein noch offenes Verfahren mehr gebe. Bei Änderungen der Anpassung handele es sich um nachträgliche Entscheidungen aufgrund eines selbstständigen Verwaltungsverfahrens. Zu beachten sei weiter, dass die Versorgungsbehörde die Abänderung einer Anpassung beim Familiengericht verlangen könne. Dem Willen des Gesetzgebers, das neue Recht im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit möglichst weitgehend und möglichst schnell zur Anwendung kommen zu lassen, würde nicht Rechnung getragen, wenn alle von der Versorgungsbehörde nach § 5 VAHRG getroffenen Entscheidungen und damit eine Vielzahl von Fällen über einen nicht abzugrenzenden Zeitraum weiterhin nach altem Recht zu beurteilen wären. Anderslautenden Gerichtsentscheidungen lägen besondere Fallgestaltungen zugrunde.

2. Die Revision ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , wenn sie eine Frage des revisiblen Rechts von allgemeiner, über den Einzelfall hinausreichender Bedeutung aufwirft, die im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein derartiger Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage bereits geklärt ist oder auf der Grundlage der bestehenden bundesgerichtlichen Rechtsprechung mit Hilfe der anerkannten Auslegungsregelungen auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens eindeutig beantwortet werden kann (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 24. Januar 2011 - BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 und vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 9). Die Prüfung des Bundesverwaltungsgerichts ist dabei auf die mit der Beschwerde dargelegten Rechtsfragen beschränkt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ).

Der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage,

ob nach der Übergangsvorschrift des § 49 VersAusglG das bis zum 1. September 2009 geltende Recht weiterhin anzuwenden ist, wenn in einem Verfahren nach §§ 5 , 9 VAHRG der Antrag (auf Aussetzung der Kürzung) beim Versorgungsträger vor dem 1. September 2009 eingegangen und über diesen bereits bestandskräftig entschieden ist, ob also in diesem Fall eine fortbestehende Entscheidungszuständigkeit (im Hinblick auf eine Anpassung der Aussetzung der Kürzung) des Versorgungsträgers noch besteht,

kommt eine grundsätzliche Bedeutung nicht zu. Sie lässt sich mithilfe der allgemeinen Auslegungsregeln sowie unter Rückgriff auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinne des Berufungsurteils beantworten, ohne dass es hierzu einer revisionsgerichtlichen Überprüfung bedarf.

Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut von § 49 VersAusglG . Danach ist für Verfahren nach den §§ 4 bis 10 VAHRG , in denen der Antrag beim Versorgungsträger vor dem 1. September 2009 eingegangen ist, das bis dahin geltende Recht weiterhin anzuwenden. Über den vor dem 1. September 2009 gestellten und auf Aussetzung der Kürzung nach den §§ 5 , 9 VAHRG gerichteten Antrag des Klägers hatte der Versorgungsträger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes über den Versorgungsausgleich bereits bestandskräftig entschieden. Damit war das damals nach § 9 VwVfG eingeleitete Verwaltungsverfahren abgeschlossen, ohne dass ein neues Antragsverfahren auf Aussetzung der Kürzung des Klägers zum maßgeblichen Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts - am 1. September 2009 - anhängig gewesen wäre. Bei dem dann nach dem 1. September 2009 von der Versorgungsbehörde von Amts wegen geführten Anpassungsverfahren handelt es sich um ein anderes und selbstständiges neues Verwaltungsverfahren.

Mit dem Inkrafttreten des Versorgungsausgleichsgesetzes am 1. September 2009 trat das Gesetz zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich außer Kraft. Ab diesem Zeitpunkt entfaltete das Versorgungsausgleichsgesetz seine volle Wirkung, und zwar grundsätzlich für Rechtsverhältnisse, die bereits bestanden, und für solche, die erst danach entstanden. Abweichend von dieser Grundregel verlängert § 49 VersAusglG die Geltung des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich als Übergangsrecht ausnahmsweise für bestimmte Verfahren - namentlich für solche, in denen ein Antrag auf Aussetzung der Kürzung vor dem 1. September 2009 gestellt wurde - die zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig abgeschlossen waren (BVerwG, Urteil vom 19. November 2015 - 2 C 48.13 - Buchholz 239.1 § 57 BeamtVG Nr. 15 Rn. 16).

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur Begründung dieser Gesetzesauslegung im vorgenannten Urteil (dort Rn. 28) maßgeblich auf die Gesetzesbegründung zu den Übergangsbestimmungen hingewiesen (BT-Drs. 16/10144 S. 85, 87). Danach ist die Übergangsvorschrift des § 48 Abs. 2 VersAusglG insbesondere von der grundsätzlichen Erwägung getragen, dass sowohl das neue materielle Recht als auch das neue Verfahrensrecht möglichst weitgehend und möglichst schnell zur Anwendung kommen sollen. Denn es ist zu vermeiden, dass die Praxis über einen langen Zeitraum zwei Rechtsordnungen nebeneinander anwenden muss. Nach § 49 VersAusglG ist das bis 2009 geltende Recht des VAHRG nur noch auf die Fälle anzuwenden, in denen der Antrag auf Anpassung des Versorgungsausgleichs noch vor dem 1. September 2009 beim damals zuständigen Versorgungsträger eingegangen und zu diesem Zeitpunkt noch nicht bestandskräftig beschieden worden war (zustimmend: Breuers, in Herberger u.a. <Hrsg.>, jurisPK- BGB Band 4, Stand 15. Oktober 2016, § 49 VersAusglG § 49 Rn. 1, 3).

Soweit sich die Beschwerde zur Begründung ihrer davon abweichenden Auffassung zur weitreichenden Anwendbarkeit der Übergangsregelung des § 49 VersAusglG in Fällen der Anpassung des Versorgungsausgleichs auf die Rechtsprechung bayerischer Verwaltungsgerichte (VG Ansbach, Urteil vom 6. Dezember 2011 - AN 1 K 11.816 - und dazu VGH München, Beschluss vom 22. April 2013 - 3 ZB 12.4 -) sowie des Oberverwaltungsgerichts RheinlandPfalz (Urteil vom 15. November 2013 - 10 A 10662/13 -) stützt, ist diese Rechtsprechung durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. November 2015 - 2 C 48.13 - überholt und sind deshalb die darin aufgeworfenen Fragen nicht mehr grundsätzlich klärungsbedürftig.

Weder ist eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO dargelegt noch lässt die Grundsatzrüge sich entsprechend umdeuten. Denn die Einheitlichkeit der Rechtsprechung ist nicht mehr in Gefahr, wenn die Rechtsprechung, von der abgewichen wird, inzwischen überholt ist (BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 2014 - 2 B 90.13 - Buchholz 239.1 § 12 BeamtVG Nr. 22 Rn. 15).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO , die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: VGH Baden-Württemberg, vom 31.03.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 4 S 483/14