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BVerwG - Entscheidung vom 23.11.2016

1 B 118.16, 1 PKH 83.16

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
EMRK Art. 3

BVerwG, Beschluss vom 23.11.2016 - Aktenzeichen 1 B 118.16, 1 PKH 83.16

DRsp Nr. 2016/20011

Klärungsbedürftigkeit des gegenwärtigen Bestehens struktureller Mängel bei der Versorgung als Flüchtling anerkannter Personen in Italien; Hinreichende Darlegung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung; Soziale und medizinische Versorgung als Flüchtling anerkannter Personen in Italien

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 24. August 2016 wird verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; EMRK Art. 3 ;

Gründe

1. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung seines Verfahrensbevollmächtigten für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ist abzulehnen, weil die Rechtsverfolgung - wie sich aus den nachstehenden Gründen ergibt - keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 VwGO i.V.m. §§ 114 , 121 Abs. 1 ZPO ).

2. Die Beschwerde des Klägers, mit der er eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) geltend macht, ist unzulässig. Sie genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO .

2.1 Soweit die Beschwerde für klärungsbedürftig hält, ob gegenwärtig strukturelle Mängel bei der Versorgung als Flüchtling anerkannter Personen in Italien bestehen oder eine Abschiebung dorthin sonst mit Art. 3 EMRK oder Unionsrecht unvereinbar ist, fehlt es an einer hinreichenden Darlegung der Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - [...]).

Gemessen daran ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Mit dem Vorbringen zur sozialen und medizinischen Versorgung als Flüchtling anerkannter Personen in Italien zeigt die Beschwerde keine klärungsbedürftigen Fragen des revisiblen Rechts auf. Denn das Beschwerdevorbringen zielt nicht auf eine Rechtsfrage, sondern auf die dem Tatrichter vorbehaltene prognostische Würdigung, ob dem Kläger infolge der angedrohten Abschiebung nach Italien dort aufgrund systemischer Mängel des Asylverfahrens oder Aufnahmebedingungen nach einer Flüchtlingsanerkennung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Die Beschwerde greift damit der Sache nach die vom Berufungsgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen zu den Prognosegrundlagen sowie die darauf aufbauende Prognose als Teil der Beweiswürdigung an und stellt dem ihre eigene Einschätzung der Sachlage entgegen, ohne insoweit eine konkrete Rechtsfrage aufzuzeigen. Damit kann sie die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht erreichen (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 15. April 2014 - 10 B 17.14 - [...] m.w.N.). Klärungsbedürftige Fragen zum Maßstab, an dem das Vorliegen systemischer Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO bei unterstellter Anwendung dieser Norm zu messen ist, oder der Voraussetzungen, unter denen Art. 3 EMRK einer Abschiebung nach Italien entgegenstehen kann, wirft die Beschwerde nicht auf.

2.2 Soweit mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe sich nicht hinreichend mit der Rechtsprechung anderer Gerichte zu der Behandlung als Schutzberechtigte anerkannter Personen oder sonst deren Aufnahmebedingungen in Italien auseinandergesetzt, ein Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) hat geltend gemacht werden sollen, wäre dieser ebenfalls nicht hinreichend dargelegt (§ 133 Abs. 3 VwGO ). Insoweit wendet sich die Beschwerde mit ihrem Vorbringen in Wahrheit gegen die Tatsachen- und Beweiswürdigung des Berufungsgerichts. Damit vermag sie eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO schon deshalb nicht zu erreichen, weil die Grundsätze der Beweiswürdigung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts revisionsrechtlich regelmäßig nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzuordnen sind. Ein Verfahrensfehler kann zwar ausnahmsweise dann gegeben sein, wenn die Beweiswürdigung objektiv willkürlich ist, gegen die Denkgesetze verstößt oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachtet (BVerwG, Beschluss vom 23. September 2011 - 1 B 19.11 - [...] Rn. 4 m.w.N.). Ein Verfahrensmangel bei der Beweiswürdigung liegt aber nur dann vor, wenn sich der gerügte Fehler hinreichend eindeutig von der materiellrechtlichen Subsumtion, d.h. der konkreten Anwendung des sachlichen Rechts abgrenzen lässt und der Tatrichter den ihm bei der Tatsachenfeststellung durch den Grundsatz freier Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO eröffneten Wertungsrahmen verlassen hat. Einen solchen qualifizierten Mangel der Beweiswürdigung zeigt die Beschwerde nicht auf. Sie kritisiert lediglich allgemein die tatrichterliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung und setzt dieser abweichende Tatsachenbehauptungen sowie ihre eigene Würdigung entgegen, ohne einen Verstoß gegen Denkgesetze aufzuzeigen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO . Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 RVG ; Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 24.08.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 13 A 63/16