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BVerwG - Entscheidung vom 14.11.2016

5 C 10.15 D

Normen:
VwGO § 54 Abs. 1
ZPO § 42 Abs. 2

BVerwG, Beschluss vom 14.11.2016 - Aktenzeichen 5 C 10.15 D

DRsp Nr. 2016/20008

Antrag auf Ablehnung von Richtern wegen Besorgnis der Befangenheit; Rechtfertigung von Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters

Tenor

Der Antrag auf Ablehnung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen wegen Besorgnis der Befangenheit wird abgelehnt.

Normenkette:

VwGO § 54 Abs. 1 ; ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe

Der Ablehnungsantrag bleibt ohne Erfolg.

1. Der Senat kann über den Antrag auf der Grundlage der dem Prozessbevollmächtigten der Kläger bereits mitgeteilten dienstlichen Äußerungen der abgelehnten Richter vom 14. November 2016 entscheiden. Diese genügen den Anforderungen des § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 44 Abs. 3 ZPO (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2007 - 9 A 50.07 - NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 2). Zu diesen dienstlichen Äußerungen hat auch der Prozessbevollmächtigte der Kläger in einem weiteren Schriftsatz vom 14. November 2016 zur Begründung seines Ablehnungsgesuchs ausführlich Stellung genommen. Soweit er darin behauptet, eine Passage der dienstlichen Äußerung des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier sei "nicht genau zu lesen", ist dies zum einen angesichts seiner intensiven Auseinandersetzung hiermit nicht nachzuvollziehen. Zum anderen hat er die angeblich nicht genau zu lesende Passage - entgegen seiner Ankündigung - dem Schriftsatz nicht als Anlage beigefügt.

2. Die Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach § 54 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des betreffenden Richters zu rechtfertigen. Maßgebend ist dabei, ob vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten aus hinreichende objektive Gründe vorliegen, die bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass geben, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (BVerwG, Beschlüsse vom 23. Oktober 2007 - 9 A 50.07 -NVwZ-RR 2008, 140 Rn. 5 und vom 29. Juni 2016 - 2 B 18.15 - [...] Rn. 37 m.w.N.). Solche Gründe liegen hier nicht vor.

a) Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt vor, der von dem Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier für den 14. November 2016 anberaumte Termin zur mündlichen Verhandlung sei "unverständlich" und "entgegen den Erfordernissen gemäß Art. 13 EMRK " vorbereitet worden. Der gesamte Sach- und Streitstand lasse sich ohne vorherige Zwischenentscheidungen bezüglich der beantragten Aussetzungen bzw. ohne vorherige Hinweise des Gerichts nicht in einem eintägigen Verhandlungstermin, der erst um 11.45 Uhr beginne, angemessen verhandeln.

Bei vernünftiger Würdigung der gesamten Umstände gibt die vorgenannte Rüge keinen Anlass, an der Unparteilichkeit der abgelehnten Richter zu zweifeln. Das gilt zunächst, soweit ihre Unvoreingenommenheit damit in Frage gestellt wird, sie hätten es unterlassen, durch vorherige Zwischenentscheidungen und richterliche Hinweise auf eine Abschichtung des Streitstoffs hinzuwirken. Dies stellt keinen objektiven Ablehnungsgrund dar. Das Gericht ist grundsätzlich nicht gehalten, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Streitstoffes hinzuweisen, weil sich die tatsächliche und rechtliche Würdigung regelmäßig erst aufgrund der abschließenden Beratung nach der mündlichen Verhandlung ergibt (vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 31. Juli 2013 - 6 C 9.12 - Buchholz 421.2 Hochschulrecht Nr. 180 Rn. 38 und Beschluss vom 9. September 2016 - 9 B 78.15 - [...] Rn. 4 m.w.N.). Gerade die mündliche Verhandlung soll es dem Gericht ermöglichen, auf der Grundlage einer Erörterung des Sach- und Streitstandes mit den Beteiligten eine sachgerechte Entscheidung zu treffen. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt auch keine objektiven Anhaltspunkte dafür vor, die darauf schließen lassen, dass seine Befürchtung zutrifft, die abgelehnten Richter betrachteten die mündliche Verhandlung nur als "lästige Formalie".

Ebenso wenig lassen sich aus der vom Prozessbevollmächtigten der Kläger zunächst erbetenen und nunmehr gerügten Anberaumung der mündlichen Verhandlung um 11.45 Uhr objektive Anhaltspunkte für eine Parteilichkeit der abgelehnten Richter entnehmen. Selbst wenn sich die der Terminierung zugrunde liegende Einschätzung, das Verfahren in dem Termin erschöpfend behandeln zu können, als letztlich nicht zutreffend erwiese, gäbe dies keinen objektiven Hinweis auf eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter. Das Revisionsgericht hat als Spruchkörper unter dem Eindruck der mündlichen Verhandlung darüber zu befinden, ob sich der Streitstoff des Revisionsverfahrens an diesem Sitzungstag bewältigen lässt oder ob es einer Fortsetzung oder Vertagung bedarf.

Soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger auch deshalb Zweifel an der Unvoreingenommenheit der abgelehnten Richter hegen sollte, weil die Ablehnung seines Antrages auf Verlegung des Termins zur mündlichen Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Vormeier prozessual fehlerhaft gewesen sei, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Annahme eines objektiven Ablehnungsgrundes. Dass ein abgelehnter Richter bei der rechtlichen Beurteilung - hier der prozessualen Voraussetzungen für eine Terminverlegung - eine andere Rechtsauffassung vertritt als ein Beteiligter, reicht nämlich, selbst wenn die Ansicht rechtsirrig wäre, regelmäßig und so auch hier nicht aus, um eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen (BVerwG, Beschlüsse vom 29. Mai 1991 - 4 B 71.91 - NJW 1992, 1186 <1187> und vom 20. Oktober 2011 - 9 B 86.11 - [...] Rn. 3 m.w.N.). Dies gilt auch, soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger vorbringt, die abgelehnten Richter hätten in Bezug auf seine Person strengere Maßstäbe für das Vorliegen erheblicher Verlegungsgründe im Sinne von § 227 Abs. 1 ZPO "als in eigener Sache" angelegt.

b) Der Prozessbevollmächtigte der Kläger trägt zur Begründung seines Ablehnungsantrages des Weiteren vor, die "Ablehnung jeder Kommunikation" zu seinem "Ersuchen um eine Terminverlegung" sei "unverständlich" und stehe "im klaren Widerspruch" zum Handeln der abgelehnten Richter "in eigener Sache". Jedenfalls in Anbetracht der gesamten Umstände, wie sie auch den heute eingeholten und dem Prozessbevollmächtigten der Kläger übermittelten dienstlichen Äußerungen des Vorsitzenden Richters am Bundesverwaltungsgericht Vormeier und der Richterin am Bundesverwaltungsgericht Stengelhofen zu entnehmen sind, durfte ein verständiger Beteiligter aus der Ablehnung, kurz vor der mündlichen Verhandlung noch weitere verfahrensbezogene Telefongespräche mit einem der Beteiligten zu bereits schriftsätzlich behandelten und durch (abgelehnte) Anträge eingeführten Fragen zu führen, nicht auf die Besorgnis der Befangenheit der abgelehnten Richter schließen.

c) Gleiches gilt, soweit der Prozessbevollmächtigte der Kläger beanstandet, der Vorsitzende Richter sei in seiner dienstlichen Äußerung nicht darauf eingegangen, "dass die erste Terminverlegung nicht allein auf Antrag" der Kläger erfolgt sei.