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BSG - Entscheidung vom 15.12.2016

B 5 RS 2/16 R

BSG, Urteil vom 15.12.2016 - Aktenzeichen B 5 RS 2/16 R

DRsp Nr. 2017/4940

Parallelentscheidung zu BSG - B 5 RS 4/16 R – v. 15.12.2016

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des S„chsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2015 und des Sozialgerichts Dresden vom 12. Februar 2015 abge„ndert.

Die Klage wird in vollem Umfang abgewiesen.

Auáergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Grnde:

I

Die Kl„gerin begehrt im Zugunstenverfahren die Feststellung weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt j„hrlicher Jahresendpr„mien (JEP) fr Zeiten der Zugeh”rigkeit zur zus„tzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech).

Der im Jahre 1951 geborenen Kl„gerin wurde nach einem Studium in der Fachrichtung Technologie der metallverarbeitenden Industrie an der Technischen Hochschule K. mit Urkunde vom 25.10.1974 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" verliehen. Vom 9.9.1974 bis 9.1.1976 war sie als Technologin fr Materialverbrauchsnormung im Volkseigenen Betrieb (VEB) C. -Werke C. besch„ftigt. Nach Zeiten des Wochenurlaubs und anschlieáender unbezahlter Freistellung war die Kl„gerin vom 1.9.1981 bis 30.6.1990 (und darber hinaus) als Kontrollingenieurin, Gruppenleiterin fr Vorleistungskontrolle und Dokumentation, amtierende Leiterin und Leiterin der technischen Kontrollorganisation (TKO) im VEB Dampfkesselbau D. besch„ftigt.

Die Kl„gerin erhielt zu Zeiten der DDR keine Versorgungszusage und war auch nicht in ein Zusatzversorgungswerk der Anlage 1 zum AAšG einbezogen.

Mit Bescheid vom 10.5.2004 stellte die Beklagte die Besch„ftigungszeiten der Kl„gerin vom 1.10.1974 bis 9.1.1976 und vom 1.9.1981 bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der AVItech sowie die in diesen Zeitr„umen erzielten Arbeitsentgelte fest.

Mit šberprfungsantrag vom 5.11.2013 begehrte die Kl„gerin die Bercksichtigung von JEP und legte die "Auszahlungsliste zum Tag des Metallarbeiters 1983 fr Titelwiederanerkennung und Erstauszeichnung Kollektiv der sozialistischen Arbeit" mit einer Pr„mie in H”he von 50 Mark, ein Belobigungsschreiben anl„sslich des Tages des Metallarbeiters 1984 vom 5.4.1984 mit einer Pr„mie in H”he von 100 Mark, einen Umschlag ber die "Jahresendpr„mie 1988" mit einer vermerkten Pr„mie in H”he von 1450 Mark und sp„ter eine amtlich beglaubigte Zeugenerkl„rung von A. vom 7.1.2014 vor.

Mit Bescheid vom 29.1.2014 stellte die Beklagte erneut die Besch„ftigungszeiten der Kl„gerin vom 1.10.1974 bis 9.1.1976 und vom 1.9.1981 bis 30.6.1990 als "nachgewiesene Zeiten" der AVItech sowie die in diesen Zeiten erzielten Arbeitsentgelte fest, wobei sie h”here Entgelte fr die Jahre 1983 (50 Mark), 1984 (100 Mark) und 1988 (1450 Mark) bercksichtigte. Den "bisherigen Bescheid" hob sie auf, "soweit er diesem Bescheid entgegensteht". Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Kl„gerin, mit dem diese weitere zus„tzliche Arbeitsentgelte in Form von JEP begehrte, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 2.4.2014 zurck.

Mit Urteil vom 12.2.2015 hat das SG Dresden die Beklagte unter Ab„nderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, den Feststellungsbescheid vom 10.5.2014 teilweise zurckzunehmen und fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 sowie das erste Halbjahr 1990 weitere Arbeitsentgelte in Gestalt von JEP in bestimmter H”he festzustellen. Auf die Berufung der Beklagten hat das LSG mit Urteil vom 10.11.2015 unter Ab„nderung der erstinstanzlichen Entscheidung und Neufassung deren Tenors sowie Zurckweisung der Berufung im šbrigen die Beklagte verurteilt, zugunsten der Kl„gerin fr die Jahre 1983 bis 1987 sowie fr das Jahr 1989 weitere Arbeitsentgelte in Gestalt von JEP im Rahmen der bereits festgestellten Zeiten der Zugeh”rigkeit zur AVItech in bestimmter j„hrlicher (im Tenor bezifferter) H”he festzustellen. Zur Begrndung hat das Berufungsgericht im Wesentlichen ausgefhrt:

Die Kl„gerin habe einen Anspruch auf Feststellung der JEP als weitere Arbeitsentgelte in dem tenorierten Umfang. JEP seien Arbeitsentgelte iS von õ 14 SGB IV und damit iS von õ 6 Abs 1 S 1 AAšG. Gem„á õ 117 Abs 1 AGB-DDR habe ein Anspruch auf JEP bestanden, wenn deren Zahlung fr das Arbeitskollektiv, dem der Werkt„tige angeh”rt habe, im Betriebskollektivvertrag vereinbart worden sei, der Werkt„tige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesth”he erfllt h„tten und der Werkt„tige w„hrend des gesamten Planjahres Angeh”riger des Betriebs gewesen sei. Um eine Feststellung von JEP als zus„tzliche Entgelte beanspruchen zu k”nnen, msse der jeweilige Antragsteller nachweisen oder glaubhaft machen, dass diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfllt worden seien und zus„tzlich, dass ihm ein bestimmter bercksichtigungsf„higer Betrag auch zugeflossen, dh tats„chlich gezahlt worden sei. Gem„á õ 128 Abs 1 S 1 SGG entscheide das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen šberzeugung. Neben dem Vollbeweis, dh der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit, sei auch die M”glichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte in Gestalt von JEP gegeben. Dies k”nne aus der Vorschrift des õ 6 Abs 6 AAšG abgeleitet werden. Danach werde, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht werde, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu 5/6 bercksichtigt. Die Kl„gerin habe zwar nicht nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen des õ 117 Abs 1 AGB-DDR fr den Bezug einer JEP in den geltend gemachten Besch„ftigungs- und Zuflussjahren 1983 bis 1987 sowie 1989 vorgelegen h„tten und ihr jeweils eine JEP tats„chlich gezahlt worden sei. Die konkrete H”he der JEP, die zur Auszahlung an sie gelangt seien, habe die Kl„gerin weder nachweisen noch glaubhaft machen k”nnen; hinsichtlich der H”he habe das SG jedoch zutreffend von seiner im Rahmen der konkreten Einzelfallwrdigung von Rechts wegen gegebenen M”glichkeit der Sch„tzung Gebrauch gemacht. Nach dem Urteil des BSG vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 õ 8 Nr 3) drfe und msse das Gericht, wenn der Bezug (irgend-)einer JEP fr die konkreten Besch„ftigungsjahre dem Grunde nach glaubhaft gemacht worden sei, deren H”he aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht werden k”nne, diese im Rahmen der konkreten Einzelfallwrdigung sch„tzen.

Die Befugnis hierzu ergebe sich aus õ 202 S 1 SGG iVm õ 287 Abs 2, Abs 1 S 1 Altern 2 ZPO. Die Voraussetzungen dieser Normen seien hier gegeben: Bei der Feststellung weiterer Arbeitsentgelte im Rahmen der festgestellten Zeiten der fingierten Zugeh”rigkeit der Kl„gerin zur AVItech handele es sich zumindest mittelbar und sekund„r um eine verm”gensrechtliche Streitigkeit. Das von der Beklagten nach õ 6 Abs 1 S 1 AAšG festzustellende und dem fr die Feststellung der Leistungen zust„ndigen Tr„ger der Rentenversicherung mitzuteilende (õ 8 Abs 1 S 1 und S 2 AAšG) erzielte Arbeitsentgelt sei Grundlage der Berechnung der H”he einer Leistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Dass es sich bei dem Verfahren ber die Feststellung von Entgeltdaten nach dem AAšG in einem dem Vormerkungsverfahren nach õ 149 SGB VI „hnlichen Verfahren, welches der sp„teren Rentenfeststellung nur vorgelagert sei, um eine verm”gensrechtliche Streitigkeit iS des õ 287 Abs 2 ZPO handele, habe das BSG bereits im Urteil vom 4.5.1999 (aaO) implizit best„tigt und aktuell nochmals mit Beschluss vom 11.12.2014 (B 5 RS 11/14 B - amtlicher Umdruck, RdNr 10) hervorgehoben. Die vollst„ndige Aufkl„rung aller fr die Berechnung der konkret zugeflossenen JEP-Betr„ge maágebenden Umst„nde (j„hrliche Betriebskollektivvertr„ge, individuelle und kollektive Leistungskennziffern, Berechnungsmethoden und Berechnungsgrundlagen ausgehend von den Zielvorgaben der staatlichen Planauflagen, beispielsweise in einer Betriebspr„mienordnung) sei auch mit Schwierigkeiten verbunden, die zur Bedeutung des streitigen Teils der Forderung in keinem Verh„ltnis stnden.

Bei der gebotenen Sch„tzung sei als j„hrlicher Basiswert der JEP-H”he der im Planjahr erzielte durchschnittliche Monatslohn zugrundezulegen, der im Bescheid der Beklagten vom 10.5.2014 festgestellt worden sei. Bei der JEP habe es sich um ein sog 13. Monatsgehalt in der (Mindest-)H”he eines Nettomonatslohns gehandelt. Ein anderer Ausgangswert sei zudem nicht vorhanden, weil die Grundlagen der konkreten Leistungskennziffern unbekannt seien. In diesen F„llen sei auch nach den maágeblichen DDR-Regelungen von den im Betrieb blichen Bedingungen auszugehen, wobei vergleichende Feststellungen mit den an andere Betriebsangeh”rige als JEP gezahlten Betr„gen als Anhaltspunkte dienen k”nnten. Auch die maágeblichen Pr„mienverordnungen h„tten in ihren abstrakten Rahmenvorgaben hinsichtlich der H”he der JEP an den durchschnittlichen Monatsverdienst angeknpft. Von diesem j„hrlichen Basiswert sei ein Abschlag in H”he von 30 % zu treffen. Mit diesem Abschlag werde den Tatsachen Rechnung getragen, dass die konkrete H”he der jeweiligen j„hrlichen JEP von einer Vielzahl individueller und kollektiver Faktoren abh„ngig gewesen sei, die rckschauend betrachtet in ihrer Gesamtheit nicht mehr im Einzelnen nachvollzogen werden k”nnten. Von den somit zugrunde gelegten (gesch„tzten) 70 % eines monatlichen Bruttodurchschnittsverdienstes sei ein weiterer Abzug in H”he eines Sechstels als sachgerecht zu veranschlagen, sodass im Ergebnis lediglich 5/6 von 70 % zu bercksichtigen seien. Dieser zus„tzliche Abschlag sei nach Ansicht des Senats aus zwei Grnden gerechtfertigt: Zum einen werde damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Kl„gerin den Zufluss der JEP dem Grunde nach nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht habe (Rechtsgedanke des õ 6 Abs 6 AAšG). Zum anderen sei dieser Abschlag auch wegen eines Erstrecht-Schlusses (argumentum a fortiori) gerechtfertigt. Wenn schon das Gesetz in õ 6 Abs 6 AAšG eine Bercksichtigung von 5/6 bei nur glaubhaft gemachter H”he des weiteren Arbeitsentgelts vorsehe, dann msse dies erst recht gelten, wenn die H”he nicht einmal glaubhaft gemacht sei, sondern lediglich vom Gericht gesch„tzt werden k”nne. Auf der Grundlage dieser Sch„tzung erg„ben sich fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 (und damit wegen der Auszahlung am jeweiligen Jahresende fr das laufende Planjahr) die tenorierten JEP-Zahlungen.

Wegen der im vorliegenden konkreten Einzelfall nicht divergierenden Pr„mien- und Zuflussjahre der JEP sei die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Kalenderjahres 1990 begrndet.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision (Beschluss vom 30.6.2016 - B 5 RS 34/15 B) rgt die Beklagte im Wesentlichen die Verletzung von õ 6 Abs 1 S 1, õ 8 Abs 1 S 2 AAšG. Ob das Gericht im Rahmen seiner freien šberzeugungsbildung (õ 128 Abs 2 S 1 SGG) von seiner ihm von Gesetzes wegen zustehenden Sch„tzbefugnis und damit von einer Beweiserleichterung Gebrauch mache, sei eine Entscheidung, die es nach pflichtgem„áem Ermessen zu treffen habe. Im vorliegenden Fall sei dem LSG ein Ermessensfehlgebrauch unterlaufen. Es habe die Grenzen richterlicher Beweiswrdigung verletzt. Das LSG habe die H”he der JEP nicht sch„tzen drfen. Ein Rckgriff auf die Vorschrift des õ 287 Abs 2 ZPO im geschlossenen System des Nachweises bzw der Glaubhaftmachung von Entgelten in der gesetzlichen Rentenversicherung sei systemwidrig. Eine Sch„tzung sei deshalb von vornherein ausgeschlossen, wie auch das LSG Mecklenburg-Vorpommern ua im Urteil vom 2.3.2016 - L 7 R 311/12 - entschieden habe. Das Berufungsgericht habe Arbeitsentgelt beweiserleichternd gesch„tzt, obwohl nach seiner eigenen Bewertung die anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale des õ 117 Abs 1 AGB-DDR fr diese Art von Geldleistungen nicht nachgewiesen, sondern lediglich glaubhaft gemacht worden seien. Fr das LSG stehe also nicht fest, dass die Kl„gerin einen solchen Anspruch auf JEP dem Grunde nach gehabt habe. Es halte dieses nur fr berwiegend wahrscheinlich bzw sehe eine gute M”glichkeit dafr, dass ein solcher Anspruch an sich bestanden habe. Bei der Feststellung der anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale sei jedoch nur der Beweismaástab des Vollbeweises (Gewissheit, an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit) anzulegen. Auch im Sozialrecht mssten alle anspruchsbegrndenden Tatsachen zur šberzeugung des Richters erwiesen sein, dh ohne vernnftige Zweifel oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen, bevor eine gesetzliche Beweiserleichterung (Sch„tzung der H”he eines Anspruchs) zum Tragen kommen k”nne (vgl BSG Beschluss vom 10.6.1992 - 4 BA 22/92 - RdNr 4). Das Beweismaá der Glaubhaftmachung in õ 6 Abs 6 AAšG gelte nur fr die H”he von Arbeitsentgelt. Der šberzeugungsgrad der Glaubhaftmachung betreffe dagegen nicht diejenigen Tatsachen, die den Zahlungsanspruch als solchen begrndeten. In diesem Sinne verhalte sich auch die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 28.4.2016 - L 33 R 6/15. Zudem habe das Berufungsgericht die Entscheidung des BSG vom 4.5.1999 (aaO) missverstanden: Nur wenn und soweit die H”he des tats„chlich gew„hrten Arbeitsentgelts nicht nachgewiesen werden k”nne, komme nach dieser Entscheidung hilfsweise eine Glaubhaftmachung und Sch„tzung des tats„chlich erzielten Arbeitsentgelts in Betracht. Von einer Beweiserleichterung bei der den Rechtsgrund betreffenden Tatsachenermittlung sei in dieser Entscheidung keine Rede. Darber hinaus habe das LSG den Ausfhrungen des BSG im sog "Jahresendpr„mien-Urteil" vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 õ 6 Nr 4) keine Beachtung geschenkt. Die Beklagte sei der Auffassung, dass durch diese Entscheidung der Vollbeweis fr die anspruchsbegrndenden Tatsachen gefordert werde. Dort sei explizit herausgestellt, dass bei der Feststellung von Zusatzversorgungszeiten fr die Versorgungsberechtigten der DDR die Einzelfallprfung anzuwenden sei und fr die Feststellung von JEP-Betr„gen die Erfllung der tatbestandlichen Voraussetzungen der õõ 117, 118 AGB-DDR durch den Anspruchsteller nachzuweisen seien. Das BSG habe damit in seiner JEP-Entscheidung aus dem Jahr 2007 jedweden Beweiserleichterungen im Hinblick auf die anspruchsbegrndenden Tatbestandsmerkmale eine eindeutige Absage erteilt. Dies habe das Berufungsgericht verkannt.

Schlieálich seien dem LSG bei der Art und Weise, wie es den Sch„tzungsvorgang gestalte, Verfahrensfehler unterlaufen. Sein "Sch„tzprozedere" sei unter verschiedenen Gesichtspunkten weder plausibel noch aus sich heraus verst„ndlich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des S„chsischen Landessozialgerichts vom 10. November 2015 und das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 12. Februar 2015 abzu„ndern sowie die Klage abzuweisen.

Die Kl„gerin beantragt,

die Revision zurckzuweisen.

Sie h„lt die angefochtene Entscheidung fr zutreffend.

II

Die zul„ssige Revision der Beklagten ist begrndet, sodass der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (õ 170 Abs 2 S 1 SGG). Das LSG hat die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG unter Verletzung von Bundesrecht (õ 162 SGG) im Wesentlichen zurckgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtm„áig und beschweren die Kl„gerin nicht (õ 54 Abs 2 S 1 SGG). Die Beklagte ist deshalb nicht verpflichtet, unter teilweiser Rcknahme des Bescheids vom 10.5.2004 zus„tzlich gesch„tzte JEP als weitere Arbeitsentgelte fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 vorzumerken. Der Kl„gerin steht kein entsprechender Anspruch auf Feststellung h”herer Arbeitsverdienste zu.

Die Kl„gerin begehrt im Wege der Kombination (õ 56 SGG) einer Anfechtungs- und mehrerer Verpflichtungsklagen (õ 54 Abs 1 S 1 Var 1 und 3 SGG), die Ablehnungsentscheidung im Bescheid vom 29.1.2014 und den Widerspruchsbescheid vom 2.4.2014 (õ 95 SGG) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskr„ftigen (õ 77 SGG) Verwaltungsakte (õ 31 S 1 SGB X) ber die Festsetzung der Arbeitsentgelte fr die Jahre 1983 bis 1987 und 1989 im Bescheid vom 10.5.2004 zurckzunehmen und h”here Arbeitsentgelte unter Einbeziehung von JEP festzusetzen.

1. Die insoweit erstrebte Rcknahme richtet sich nach õ 44 SGB X, der auch im Rahmen des AAšG anwendbar ist (õ 8 Abs 3 S 2 AAšG; vgl auch Senatsurteil vom 15.6.2010 - B 5 RS 6/09 R - Juris RdNr 13 und ausfhrlich BSGE 77, 253, 257 = SozR 3-8570 õ 13 Nr 1 S 5). Danach ist ein (iS von õ 45 Abs 1 SGB X) nicht begnstigender Verwaltungsakt zurckzunehmen, soweit er (anf„nglich) rechtswidrig ist. Der Verwaltungsakt ist immer mit Wirkung fr die Zukunft zurckzunehmen (Abs 2 S 1 aaO), soweit er noch Rechtswirkungen hat, also noch nicht iS von õ 39 Abs 2 SGB X erledigt ist. Die Rcknahme hat (gebundene Entscheidung) fr die Vergangenheit zu erfolgen, wenn wegen der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes "Sozialleistungen" zu Unrecht nicht erbracht oder "Beitr„ge" zu Unrecht erhoben worden sind (õ 44 Abs 1 S 1 SGB X). Das Gebot zur rckwirkenden Rcknahme gilt nicht in bestimmten F„llen der B”sgl„ubigkeit (Abs 1 S 2 aaO). Im šbrigen "kann" (Ermessen) der anf„nglich rechtswidrige Verwaltungsakt auch in sonstigen F„llen, also ber die F„lle des Abs 1 S 1 aaO hinaus, fr die Vergangenheit zurckgenommen werden (Abs 2 S 2 aaO).

Da sich õ 44 Abs 1 SGB X nur auf solche bindenden Verwaltungsakte bezieht, die - anders als die feststellenden Verwaltungsakte im Bescheid vom 10.5.2004 - unmittelbar Ansprche auf nachtr„glich erbringbare "Sozialleistungen" (õ 11 S 1 SGB I) iS der õõ 3 ff und 18 ff SGB I betreffen (BSGE 69, 14, 16 = SozR 3-1300 õ 44 Nr 3), kann sich der Rcknahmeanspruch der Kl„gerin nur aus Abs 2 aaO ergeben. Nach dieser Vorschrift ist ein rechtswidriger nicht begnstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar (und damit zugleich bindend) geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung fr die Zukunft zurckzunehmen (S 1). Er kann auch fr die Vergangenheit zurckgenommen werden (S 2). Die Feststellungen ber die H”he der erzielten Arbeitsentgelte im Bescheid vom 10.5.2004, die jeweils einzelne feststellende Verwaltungsakte iS des õ 31 S 1 SGB X sind und die in Bezug auf die geltend gemachten JEP keinen rechtlich erheblichen Vorteil begrndet oder best„tigt haben (nicht begnstigender Verwaltungsakt iS von õ 45 Abs 1 SGB X), waren jedoch im Zeitpunkt ihres Erlasses (Bekanntgabe iS von õ 37 SGB X) rechtm„áig. Denn die geltend gemachten JEP sind nicht als tats„chlich erzieltes Arbeitsentgelt festzustellen.

2. Als Anspruchsgrundlage fr die begehrten rechtlichen Feststellungen kommt allein õ 8 Abs 2, Abs 3 S 1 und Abs 4 Nr 1 AAšG in Betracht. Nach õ 8 Abs 3 S 1 AAšG hat die Beklagte als Versorgungstr„gerin fr das Zusatzversorgungssystem der Anl 1 (õ 8 Abs 4 Nr 1 AAšG) dem Berechtigten durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach Abs 2 aaO bekannt zu geben. Diese Mitteilung hat ua "das tats„chlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen" (= Arbeitsverdienste) zu enthalten.

3. Maástabsnorm, nach der sich bestimmt, welche Arbeitsverdienste den Zugeh”rigkeitszeiten zu einem (Zusatz-)Versorgungssystem der DDR zuzuordnen sind, ist õ 6 Abs 1 S 1 AAšG. Danach ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl õ 5 aaO) fr jedes Kalenderjahr als Verdienst (õ 256a Abs 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrundezulegen. Der Begriff des Arbeitsentgelts iS des õ 6 Abs 1 S 1 AAšG bestimmt sich nach õ 14 SGB IV, wie der erkennende Senat (BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 6 RdNr 15) im Einklang mit dem 4. Senat des BSG (SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 24 ff), der frher fr das Recht der Rentenberleitung zust„ndig gewesen ist, bereits entschieden hat. Dabei ist durch die Rechtsprechung des 4. Senats, der sich der erkennende Senat anschlieát, gleichermaáen gekl„rt, dass die JEP einmalige Einknfte aus einer Besch„ftigung iS des õ 14 Abs 1 S 1 SGB IV waren und diese bundesrechtliche Qualifizierung nicht durch õ 17 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm õ 1 ArEV vom 18.12.1984 (BGBl I 1642) ausgeschlossen ist (BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 27, 33). Gleichzeitig folgt fr die Feststellung von Bezug und H”he dieser einmaligen Einknfte aus der Formulierung "erzieltes Arbeitsentgelt" in õ 6 Abs 1 S 1 AAšG im Zusammenhang mit õ 5 Abs 1 S 1 AAšG, dass es sich um Entgelt handeln muss, das dem Berechtigten w„hrend der Zugeh”rigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Besch„ftigung "zugeflossen", ihm also in bestimmter H”he tats„chlich gezahlt worden ist (BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 19).

4. Fr den Zufluss von Entgeltbestandteilen wie der JEP tr„gt der Zahlungsempf„nger die Feststellungs- bzw objektive Beweislast (BSG SozR 4-8570 õ 6 Nr 4 RdNr 42), dh das Risiko bzw den Nachteil, dass sich diese Tatsache nicht beweisen und feststellen l„sst (non liquet). Der Tatbestand ”ffentlich-rechtlicher Normen ist regelm„áig nur dann erfllt, wenn ein einschl„giger Sachverhalt nach Aussch”pfung grunds„tzlich aller zur Verfgung stehenden Erkenntnisgrundlagen bis zur Grenze der Zumutbarkeit (Senatsbeschluss vom 2.3.2010 - B 5 R 208/09 B - Juris RdNr 9; BVerwG Urteil vom 26.8.1983 - 8 C 76/80 - Buchholz 310 õ 86 Abs 1 VwGO Nr 147 S 9 und Beschluss vom 18.2.2015 - 1 B 2/15 - Juris RdNr 4; vgl auch BVerfG Beschluss vom 27.10.1999 - 1 BvR 385/90 - BVerfGE 101, 106 - Juris RdNr 67) mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit (vgl zB BSG Urteil vom 27.6.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291, 23 = SozR 4-2700 õ 9 Nr 7) im Vollbeweis, dh zur vollen šberzeugung des hierzu berufenen Anwenders iS einer subjektiven Gewissheit feststeht. Fr das sozialgerichtliche Verfahren ergibt sich dies aus õ 103 S 1 Halbs 1, õ 128 Abs 1 S 1 SGG. Abweichungen (Gewissheit, hinreichende Wahrscheinlichkeit oder Glaubhaftmachung) von diesem Regelbeweismaá bedrfen einer gesetzlichen Grundlage (BSG SozR 3-3900 õ 15 Nr 4 - Juris RdNr 4, vgl auch BSG Urteil vom 14.12.2006 - B 4 R 29/06 R - BSGE 98, 48 = SozR 4-5075 õ 1 Nr 3; BVerwG Beschluss vom 3.8.1988 - 9 B 257/88 - NVwZ-RR 1990, 165; Bolay in Ldtke, SGG, 4. Aufl 2012, õ 128 RdNr 13 ff; H”fling/Rixen in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl 2014, õ 108 RdNr 87; Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl 2016, õ 108 RdNr 5; Khl in Breitkreuz/Fichte, 2. Aufl 2014, õ 118 RdNr 3 ff). Nur dann ist gew„hrleistet, dass normativ angeordnete Rechtsfolgen allein F„llen der gesetzlich vorgesehenen Art zugeordnet werden und im Streitfall effektiver Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 GG) gew„hrleistet ist. Die in õ 6 Abs 6 AAšG normierten Beweiserleichterungen verhelfen der Klage indessen nicht zum Erfolg.

5. Zwar hat das LSG auf dieser Grundlage fr den Senat bindend (õ 163 SGG) festgestellt, dass der Kl„gerin in den jeweils ausgeurteilten Jahren tats„chlich JEP zugeflossen sind, weil dies zwar nicht (im Vollbeweis) nachgewiesen, aber glaubhaft gemacht, dh "berwiegend wahrscheinlich" sei (vgl dazu õ 23 Abs 1 S 2 SGB X; õ 202 S 1 SGG iVm õ 294 ZPO). Dabei geht das LSG zu Recht davon aus, dass dieser - im Vergleich zum Regelbeweismaá - abgesenkte Beweisgrad ausreicht, um im Einzelfall den tats„chlichen Zufluss von Arbeitsentgelt anzunehmen und festzustellen (so auch Bayerisches LSG Urteil vom 23.6.2015 - L 1 RS 3/14 - Juris LS; LSG Mecklenburg-Vorpommern Urteil 18.2.2015 - L 7 R 147/11 - Juris RdNr 42 ff; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 9.10.2014 - L 33 R 151/13 - Juris RdNr 37; Thringer LSG Urteil vom 27.5.2014 - L 6 R 1280/12 - Juris RdNr 19 ff; offen gelassen LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 12.2.2014 - L 1 RS 28/13 - Juris RdNr 25 ff). Dies ergibt die Auslegung des õ 6 Abs 6 AAšG. Danach wird der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fnf Sechsteln bercksichtigt, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird. Die Formulierungen "der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes" und "der andere Teil" sind prinzipiell weit und erm”glichen es, die Glaubhaftmachung dieses Verdienstteils sowohl auf dessen H”he als auch auf dessen Zufluss oder auf beides zu beziehen, w„hrend der Nachweis des brigen Verdienstteils schon logisch Zufluss und H”he erfassen muss. Angesichts der klaren gesetzlichen Differenzierung des Gesamtverdienstes in einen glaubhaft gemachten und einen nachgewiesenen Teil liegt es indes fern, die Glaubhaftmachung auf die H”he des Verdienstes bei nachgewiesenem Zufluss zu beschr„nken. Dabei ist zus„tzlich zu bercksichtigen, dass die Norm mit dem Erfordernis, dass Zufluss und H”he eines Verdienstteils im Vollbeweis nachgewiesen sein mssen, bereits ausdrcklich das strenge Regelbeweismaá anlegt und damit einen starken Anker schafft, was spiegelbildlich Abstriche beim Beweismaá fr H”he und Zufluss des anderen Verdienstteils legitimiert und ggf Rckschlsse aufgrund zuvor oder anschlieáend erzielten Arbeitsentgelts erlaubt (vgl dazu BSG Urteil vom 28.10.1996 - 8 RKn 19/95 - SozR 3-2600 õ 123 Nr 1 S 4; Spegel, MittLVA Wrtt 1996, 164 jeweils zu õ 256c SGB VI). Zudem findet die einschneidende Rechtsfolge, die einen erheblichen Abschlag in H”he eines Sechstels vorsieht, auch und gerade in F„llen ihre Rechtfertigung, in denen neben der H”he auch der Zufluss von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen nur glaubhaft gemacht werden kann und damit die Verdienstfeststellung in ihrer anteiligen G„nze auf Wahrscheinlichkeitsberlegungen beruht.

6. Ebenso fr das Revisionsgericht verbindlich hat das Berufungsgericht aber auch (negativ) festgestellt, dass die H”he der einschl„gigen Zahlungen weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Insofern ist unerheblich, dass das angegriffene Urteil m”glicherweise nicht auf diesen Feststellungen beruht (vgl dazu BSG Urteil vom 10.11.1993 - 11 RAr 47/93 - BSGE 73, 195 = SozR 3-4100 õ 249e Nr 3; Heinz in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, õ 163 RdNr 15). Soweit das LSG die H”he der JEP jedoch auf 58,33 % eines im jeweiligen Besch„ftigungsvorjahr erzielten monatlichen Bruttodurchschnittsbetrages gesch„tzt hat, ist der Senat an diese weitergehenden Feststellungen (õ 163 SGG) nicht gebunden. Denn das Berufungsgericht geht insofern von rechtlich unzutreffenden Annahmen hinsichtlich des Beweismaáes aus, die der sachlichen Prfung durch das BSG unterliegen. Das AAšG enth„lt jedenfalls fr F„lle der vorliegend zur Entscheidung stehenden Art abschlieáende Regelungen zu M”glichkeiten und Folgen einer Beweiserleichterung hinsichtlich der H”he des zugrundezulegenden Verdienstes. Zus„tzliche Beweiserleichterungen des materiellen (a) oder des sog formellen Rechts (b) greifen daneben nicht ein.

a) õ 6 Abs 6 AAšG erlaubt es dem Versicherten ausnahmsweise, die H”he eines Verdienstteils glaubhaft zu machen, wenn der andere Teil des Verdienstes nachgewiesen ist und er”ffnet insoweit zu seinen Gunsten im beschr„nkten Umfang eine Beweismaáreduzierung, allerdings auf Kosten eines Abschlags in H”he eines Sechstels des glaubhaft gemachten Teils des Verdienstes. Eine weitere Verminderung des Beweismaástabes im Sinne einer Sch„tzungswahrscheinlichkeit sieht õ 6 AAšG nicht vor. H„tte der Gesetzgeber eine Sch„tzbefugnis schaffen wollen, so h„tte er dies gesetzlich anordnen und Regelungen sowohl zu ihrer Reichweite (Sch„tzung des Gesamtverdienstes oder nur eines Teils davon) als auch zum Umfang der Anrechnung des gesch„tzten Verdienstes treffen mssen, nachdem er schon fr den strengeren Beweismaástab der Glaubhaftmachung nur die M”glichkeit einer begrenzten Bercksichtigung (zu fnf Sechsteln) erm”glicht hat.

Auch aus õ 6 Abs 5 AAšG iVm õ 256b Abs 1 und õ 256c Abs 1 und 3 S 1 SGB VI ergibt sich keine materiell-rechtliche Sch„tzbefugnis. Rechtsfolge einer fehlenden Nachweism”glichkeit des Verdienstes ist hiernach stets die Ermittlung eines fiktiven Verdienstes nach Tabellenwerten, nicht jedoch die erleichterte Verdienstfeststellung im Wege der Sch„tzung im Sinne einer šberzeugung von der bloáen Wahrscheinlichkeit bestimmter Zahlenwerte. Insofern kann offenbleiben, ob Abs 5 berhaupt neben Abs 6 zur Anwendung kommen kann (idS BT-Drucks 13/2590 S 33).

b) Die prozessuale Sch„tzbefugnis gem„á õ 287 ZPO, die nach õ 202 S 1 SGG im sozialgerichtlichen Verfahren lediglich subsidi„r und "entsprechend" anzuwenden ist (vgl zB BSG Urteile vom 14.7.1988 - 11/7 RAr 41/87 - SozR 4100 õ 115 Nr 2; vom 20.5.1987 - 10 RKg 12/85 - BSGE 62, 5 = SozR 1750 õ 287 Nr 1; vom 15.3.1979 - 9 RVs 16/78 - SozR 3870 õ 3 Nr 5; vom 27.7.1978 - 2 RU 37/78 - Juris RdNr 21), greift hier von vornherein nicht ein. Denn õ 6 Abs 6 AAšG regelt als vorrangige und bereichsspezifische Spezialnorm die vorliegende Fallkonstellation (ein Verdienstteil ist nachgewiesen, ein anderer glaubhaft gemacht) abschlieáend und l„sst fr die allgemeine Sch„tzungsvorschrift des õ 287 ZPO keinen Raum. Indem õ 6 Abs 6 AAšG die H”he des glaubhaft gemachten Verdienstteils selbst pauschal auf fnf Sechstel festlegt, bestimmt er gleichzeitig die m”gliche Abweichung gegenber dem Vollbeweis wie die Rechtsfolge der Glaubhaftmachung selbst und abschlieáend. Eine einzelfallbezogene Sch„tzung scheidet damit aus. Andernfalls k„me es zu unaufl”sbaren Widersprchen, wie der vorliegende Fall exemplarisch zeigt: Bei der Sch„tzmethode des LSG handelt es sich um ein in sich geschlossenes Konstrukt, in das mit einer nachtr„glichen Krzung des Sch„tzergebnisses derart intensiv eingegriffen wrde, dass von einer Sch„tzung nicht mehr die Rede sein kann. H„tte der Gesetzgeber eine Sch„tzung zulassen wollen, so h„tte er das Sch„tzverfahren weiter ausgestalten und festlegen mssen, ob und ggf wie mit dem Abschlag im Rahmen der Sch„tzung umzugehen ist. Das Fehlen derartiger Bestimmungen belegt im Sinne eines beredten Schweigens zus„tzlich den abschlieáenden Charakter der Ausnahmeregelung in õ 6 Abs 6 AAšG als geschlossenes Regelungskonzept.

Aber selbst wenn man õ 287 ZPO in F„llen der vorliegenden Art fr anwendbar h„lt, scheidet eine Sch„tzung gem„á õ 287 Abs 1 ZPO schon mangels "Schadens" von vornherein aus. Schlieálich sind auch die Tatbestandsvoraussetzungen des õ 287 Abs 2 ZPO nicht erfllt. Denn diese Norm greift - als Ausnahme von den Grunds„tzen in õ 286 ZPO und õ 128 Abs 1 S 1 SGG - nur ein, wenn eine "Forderung" dem Grunde nach mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit besteht, dh im Vollbeweis belegt ist, und nur noch ihre "H”he ... streitig ist" (vgl BSG Urteil vom 28.5.2003 - B 3 P 6/02 R - SozR 4-3300 õ 15 Nr 1 RdNr 12; BGH Urteile vom 17.12.2014 - VIII ZR 88/13 - Juris RdNr 45 und vom 25.10.1984 - IX ZR 76/83 - MDR 1985, 494 Juris RdNr 13; Ahrens, Der Beweis im Zivilprozess, 2015, õ 63 RdNr 85; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl 2016, õ 287 RdNr 11; Greger in Z”ller, ZPO, 31. Aufl 2016, õ 287 RdNr 1; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl 2013, õ 287 RdNr 11 und 29; Prtting in Mnchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl 2016, õ 287 RdNr 20; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 37. Aufl 2016, õ 287 RdNr 7; Saenger, ZPO, 6. Aufl 2015, õ 287 RdNr 11). Die Sch„tzbefugnis und die damit verbundene Beweismaáreduzierung beschr„nkt sich somit auf die H”he nachgewiesener Forderungen; nur wenn und soweit allein die Forderungsh”he streitig ist, darf der Richter insofern Wahrscheinlichkeitsbetrachtungen anstellen. Andernfalls k„me es zu doppelten Wahrscheinlichkeitsberlegungen und zu dem Problem, dass hinsichtlich des "Ob" des Zuflusses (Glaubhaftmachung iS einer berwiegenden Wahrscheinlichkeit) und mit Blick auf die H”he der Forderung (Sch„tzungswahrscheinlichkeit) unterschiedliche Erw„gungen zu unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgraden anzustellen w„ren. Damit wrde aber das rechtswidrige Ergebnis in Kauf genommen, dass beide Faktoren in ihrer šberlagerung bzw Kombination nicht mehr wahrscheinlich, sondern lediglich m”glich w„ren. Eine derart weite Losl”sung von der Wirklichkeit und die damit verbundene Aufweichung der Feststellungslast sieht õ 287 Abs 2 ZPO nicht vor; die bloáe M”glichkeit, dass dem Versicherten Arbeitsentgelt in gesch„tzter H”he zugeflossen ist, gengt keinesfalls (vgl zB BSG Beschluss vom 8.8.2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 õ 15 Nr 4). Schlieálich erscheint es methodisch ausgeschlossen, die Sch„tzbefugnis nach õ 287 Abs 1 S 1 ZPO erst nach mehrfacher entsprechender Anwendung dieser Vorschrift zu er”ffnen: šber die Verweisung in õ 202 S 1 SGG ist õ 287 ZPO berhaupt nur "entsprechend anzuwenden" und innerhalb dieser zivilprozessualen Norm ist die Sch„tzbefugnis in õ 287 Abs 1 S 1 SGG ber Abs 2 aaO ihrerseits ebenfalls nur "entsprechend anzuwenden", und zwar vorliegend erst, nachdem dessen Regelungsbereich zuvor auf Fallkonstellationen mit ungekl„rter Haftungsgrundlage erweitert worden ist, obgleich die insofern einschl„gigen tats„chlichen Umst„nde gerade zur vollen šberzeugung des Gerichts feststehen mssen (õ 286 ZPO).

Fragestellungen zur Ermittlung und Feststellung des tats„chlich erzielten Arbeitsentgelts in Kalenderjahren mit Arbeitsausfalltagen, die der Entscheidung des 4. Senats in seinem Urteil vom 4.5.1999 (B 4 RA 6/99 R - SozR 3-8570 õ 8 Nr 3) zugrunde liegen, waren vorliegend nicht zu beantworten. In diesem Fall ebenso wie in dem Urteil vom 23.8.2007 (B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 õ 6 Nr 4) ging es dem Grunde nach um nachgewiesene Zahlungen.

c) Da die H”he der glaubhaft erzielten JEP weder im Vollbeweis noch im Wege der Glaubhaftmachung belegt ist und die Kl„gerin insofern die Feststellungslast tr„gt, hat sie keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte unter Rcknahme der bisherigen Regelung weitere Arbeitsentgelte unter Einbeziehung gesch„tzter JEP festsetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf õ 193 Abs 1 und 4 SGG.

Vorinstanz: LSG Sachsen, vom 10.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 RS 206/15
Vorinstanz: SG Dresden, vom 12.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen S 16 RS 661/14