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BSG - Entscheidung vom 07.12.2016

B 3 KR 36/16 B

Normen:
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 07.12.2016 - Aktenzeichen B 3 KR 36/16 B

DRsp Nr. 2017/9243

Krankengeld Grundsatzrüge Klärungsfähigkeit einer Rechtsfrage

1. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist". 2. Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden. 3. Dies ist im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. Juli 2016 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Normenkette:

SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe:

I

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger ist mit seinem Begehren auf Gewährung von Krankengeld (Krg) für die Zeit vom 1.7.2013 bis zum 3.10.2013 bei der Beklagten erfolglos geblieben. Das LSG hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG Speyer vom 22.5.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Krg für die Zeit ab dem 1.7.2013 zu. Es fehle an der rechtzeitigen erneuten Feststellung von Arbeitsunfähigkeit spätestens am 30.6.2013. Daher sei das Mitgliedschaftsverhältnis zur Beklagten mit Krg-Anspruch an diesem Tag erloschen. Maßgeblich sei, dass der Anspruch auf Krg erst von dem Tag an entstehe, der auf den Tag der ärztlichen Feststellung folge nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V (in der bis zum 22.7.2015 geltenden Fassung - aF). Auch bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit setzte der weitere Anspruch auf Krg nach ständiger Rechtsprechung des BSG grundsätzlich die vorherige erneute ärztliche Feststellung von Arbeitsunfähigkeit vor dem Ablauf des Zeitraums der letzten ärztlichen Feststellung von Arbeitsunfähigkeit voraus ( BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7). Der Kläger hätte Sorge dafür tragen müssen, dass die bis 30.6.2013 bescheinigte Arbeitsunfähigkeit spätestens am selben Tag erneut ärztlich festgestellt wird. Nicht maßgeblich sei, dass die Praxis des behandelnden Arztes am 28.6.2013 schon vor 17 Uhr geschlossen gewesen sei. Dass er irrtümlich der Meinung war, bis zum 1.7.2013 krankgeschrieben gewesen zu sein bzw nicht über ein Handy bzw ein Navigationsgerät zum Aufsuchen einer anderen Praxis verfügt habe, stehe dem nicht entgegen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG hat der Kläger Beschwerde beim BSG eingelegt. Er beruft sich ausschließlich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Kläger den geltend gemachten Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nicht formgerecht dargelegt hat (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ). Die Verwerfung der unzulässigen Beschwerde erfolgt gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 2 und 3 SGG durch Beschluss ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter.

Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache iS des § 160 Abs 2 Nr 1 SGG nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzeigen, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine solche Klärung erwarten lässt (vgl BSG SozR 1500 § 160 Nr 17 und § 160a Nr 7, 11, 13, 31, 39, 59, 65).

Um seiner Darlegungspflicht zu genügen, muss ein Beschwerdeführer mithin eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) darlegen (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Diesen Anforderungen wird die vorliegende Beschwerdebegründung nicht gerecht.

Der Kläger hält für grundsätzlich bedeutsam die Fragen,

"ob § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V , für den vorliegenden Rechtsstreit in der bis zum 22.07.2015 geltenden Fassung, nicht nur für die Entstehung des Krangengeldanspruchs eine vorherige ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit zwingend voraussetzt, sondern zudem vor Ablauf des Zeitraums der letzten ärztlichen Feststellung hinaus bei fortbestehender Arbeitsunfähigkeit eine erneute ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit verlangt.

Des Weiteren stellt sich hilfsweise die Frage, ob die außerplanmäßige Schließung der Hausarztpraxis zur Ausnahme vom Erfordernis der vorherigen ärztlichen Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit führt."

Wenn der Kläger mit diesem Vortrag § 46 S 1 Nr 2 SGB V aF einer erneuten höchstrichterlichen Überprüfung unterziehen will, fehlt es an hinreichender Darlegung der Klärungsbedürftigkeit. Das Bedürfnis für die Klärung einer Rechtsfrage in einem Revisionsverfahren fehlt, wenn ihre Beantwortung nach der dazu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem vernünftigen Zweifel unterliegt, die Frage also "geklärt ist" (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann dennoch klärungsbedürftig sein, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN). Dies ist im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7; Senatsbeschluss vom 20.9.2016 - B 3 KR 8/16 B - RdNr 7). Der Kläger legt nicht hinreichend dar, dass nach der bereits vorhandenen Rechtsprechung des BSG , die zur Aufrechterhaltung der Mitgliedschaft mit Anspruch auf Krg ergangen ist (vgl nur Urteil des BSG vom 16.12.2014 - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7), noch Klärungsbedarf hinsichtlich der geklärten Problematik verblieben ist. Er legt bereits nicht dar, dass gegen die zitierte Rechtsprechung Einwendungen vorgebracht werden, die über diejenigen hinausgehen, über die das BSG bereits entschieden hat. Denn hinsichtlich der Darlegung erneuten Klärungsbedarfs bezieht sich der Kläger im Wesentlichen auf erst- und zweitinstanzliche Urteile, die in zeitlicher Hinsicht vor der Rechtsprechung des BSG vom 16.12.2014 (aaO) ergangen sind. Mit den darüber hinaus vorgebrachten Einwendungen (unter Hinweis auf Knispel, NZS 2014, S 561 ff) hat sich das BSG bereits auseinandergesetzt (vgl BSG Urteil vom 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 22 und 28).

Die hilfsweise gestellte Frage, ob die außerplanmäßige Schließung der Hausarztpraxis zur Ausnahme vom Erfordernis der vorherigen ärztlichen Feststellung des Fortbestehens der Arbeitsunfähigkeit führe, kann sinngemäß nur dahin verstanden werden, dass der Kläger danach fragt, ob diese Konstellation ein Ausnahmetatbestand im Sinne der Rechtsprechung des BSG darstellt. Das BSG hat aber zur Auslegung, zum Anwendungsbereich und zu möglichen Ausnahmefällen nach § 46 S 1 Nr 2 SGB V aF umfassend entschieden (vgl dazu BSG Urteil vom 16.12.2014 - BSGE 118, 52 = SozR 4-2500 § 192 Nr 7, RdNr 26 ff). Dass darüber hinaus noch weiterer Klärungsbedarf bestehe, ist auch hier nicht hinreichend dargetan. Daher kann auch dahingestellt bleiben, ob es sich bei der hilfsweise aufgeworfenen Frage um eine abstrakt-generelle Rechtsfrage handelt, oder um eine auf den Einzelfall des Klägers zugeschnittene Frage der Rechtsanwendung, die das LSG unter Berücksichtigung der zitierten Rechtsprechung des BSG verneint hat.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 07.07.2016 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 179/15
Vorinstanz: SG Speyer, - Vorinstanzaktenzeichen S 19 KR 959/13