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BSG - Entscheidung vom 29.04.2016

B 1 A 3/15 B

BSG, Beschluss vom 29.04.2016 - Aktenzeichen B 1 A 3/15 B

DRsp Nr. 2016/9157

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Oktober 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 100 000 Euro festgesetzt.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, welche Aufsichtsbehörde für die klagende Betriebskrankenkasse (BKK) zuständig ist. Die Klägerin ist durch Fusion der offenen Neckermann-BKK und der Bank BKK am 1.7.2010 entstanden. Nach der Insolvenz und Abwicklung der Neckermann Versand AG (2013) und entsprechenden Betriebsschließungen im ganzen Bundesgebiet reduzierten sich die sog Trägerbetriebe der Klägerin auf Unternehmen mit Sitz in Hessen und Baden-Württemberg. Das Bundesversicherungsamt stellte fest, dass die Klägerin aufgrund der Veränderungen im Kassenbereich mWv 1.9.2014 landesunmittelbarer Sozialversicherungsträger werde. Die Aufsicht führe das zuständige Regierungspräsidium Darmstadt. Die hiergegen erhobene Klage hat das LSG abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt, maßgeblich für die Bestimmung des aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereichs einer geöffneten BKK sei allein die räumliche Verteilung der Trägerbetriebe auf lediglich (noch) zwei Länder. Es sei unerheblich, dass die Klägerin bis zur Insolvenz und Abwicklung der Neckermann Versand AG über Trägerbetriebe im ganzen Bundesgebiet verfügt habe (Urteil vom 8.10.2015).

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

Die Beschwerde der Klägerin ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 Abs 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 S 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ).

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN).

Die Klägerin formuliert als Rechtsfrage:

"Sind die gesetzlichen Regelungen zur Bestimmung des Zuständigkeitsbereichs einer geöffneten Betriebskrankenkasse gemäß § 90a Abs. 2 SGB IV i.V.m. § 173 Abs. 2 Satz 2 SGB V nicht nur im Falle der Errichtung weiterer Trägerbetriebe, sondern auch im Falle der Schließung von Trägerbetrieben dynamisch auszulegen oder ist in diesem Fall eine statische also insgesamt eine gemischt statisch-dynamische Auslegung der Vorschriften erforderlich? Insbesondere: Erstreckt sich der Kassenbereich einer geöffneten Betriebskrankenkasse, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 90a Abs. 2 SGB IV über Trägerbetriebe in allen Ländern verfügte, inzwischen jedoch nur noch über Trägerbetriebe in zwei Ländern verfügt, noch auf das gesamte Bundesgebiet? Übt das Bundesversicherungsamt nach wie vor die Aufsicht über eine solche Betriebskrankenkasse gemäß § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV aus?"

Der Senat lässt offen, ob die Klägerin damit eine Rechtsfrage klar formuliert hat. Sie zeigt jedenfalls den Klärungsbedarf der aufgeworfenen Rechtsfrage(n) nicht hinreichend auf. Sie verweist selbst auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 10.3.2015 - B 1 A 10/13 R - (SozR 4-2400 § 90 Nr 1, auch für BSGE vorgesehen). Dort hat der Senat ausgeführt: "Maßgeblich für den aufsichtsrechtlichen Zuständigkeitsbereich einer IKK ist nicht ein statischer Zustand aus der Vergangenheit, sondern der sich wandelnde jeweilige Stand der Verteilung der festen Arbeitsstätten der erfassten Innungsbetriebe der Trägerinnungen der IKK auf die Länder. Schon der Gesetzeswortlaut verdeutlicht, dass es für die Zuständigkeitsbereiche um die Gebiete der Länder geht, in denen Innungsbetriebe 'bestehen' und nicht etwa bloß bestanden haben (vgl § 173 Abs 2 S 2 SGB V ; § 90a Abs 2 SGB IV ). Dafür spricht auch die Gesetzesentwicklung (...). Die Regelung trägt dem dynamischen Verständnis Rechnung und entspricht Art 87 Abs 2 S 2 GG . Folge der dynamischen Regelung ist, dass ein Land, in dem keine festen Arbeitsstätten der den Trägerinnungen angehörenden Betriebe mehr existieren, nicht mehr zum aufsichtsrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich der IKK gehört. Die Regelungen der §§ 161 S 4, 162 S 4 und 163 S 3 SGB V sowie des § 173 Abs 2 S 2 Teils 2 SGB V stehen dem nicht entgegen (aA Blöcher in jurisPK- SGB V , 2. Aufl 2012, § 173 RdNr 28 - gemischt statischdynamische Betrachtungsweise mit der Behauptung eines Bestandsschutzes)."

Die Klägerin legt nicht ausreichend dar, wieso mit Blick auf diese Rechtsprechung des erkennenden Senats noch Klärungsbedarf bestehen soll. Sie trägt hierzu lediglich vor, dass es sich insoweit um einen anderen Sachverhalt handele, weil vorliegend der teilweise Wegfall der Trägerbetriebe betroffen sei. Sie berücksichtigt aber nicht ausreichend, dass der erkennende Senat der gemischt statisch-dynamischen Betrachtungsweise ausdrücklich - also auch für die vorliegende Fallgestaltung - eine Absage erteilt hat. Folge der dynamischen Regelung sei es, dass ein Land, in dem keine festen Arbeitsstätten der den (im entschiedenen Fall) Trägerinnungen angehörenden Betriebe mehr existierten, nicht mehr zum aufsichtsrechtlichen und mitgliedschaftsrechtlichen Zuständigkeitsbereich der (im entschiedenen Fall) IKK gehöre. Die Klägerin übt in diesem Zusammenhang ausschließlich Kritik an der Rechtsprechung des erkennenden Senats mit einer Argumentation, die der Senat bereits in der Entscheidung vom 10.3.2015 - B 1 A 10/13 R - berücksichtigt hat.

Ist eine Frage bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entschieden, ist sie grundsätzlich nicht mehr klärungsbedürftig (vgl zB BSG Beschluss vom 21.10.2010 - B 1 KR 96/10 B - RdNr 7 mwN). Eine Rechtsfrage, über die bereits höchstrichterlich entschieden worden ist, kann wieder klärungsbedürftig werden, wenn der Rechtsprechung in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird und gegen sie nicht von vornherein abwegige Einwendungen vorgebracht werden (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 13 S 19 mwN), was im Rahmen der Beschwerdebegründung ebenfalls darzulegen ist (vgl zum Ganzen auch BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 7). Daran fehlt es. Die Klägerin legt nicht dar, dass der Rechtsprechung des erkennenden Senats in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird. Sie weist lediglich unter Hinweis auf (meist) ältere Kommentarstellen darauf hin, dass die Rechtsfrage in der einschlägigen Literatur "höchst unterschiedlich beantwortet" werde.

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 S 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO . Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 Teils 1 SGG iVm § 63 Abs 2 , § 52 Abs 1 sowie § 47 Abs 1 S 1, Abs 2 S 1, Abs 3 GKG .

Vorinstanz: LSG Hessen, vom 08.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 1 KR 150/15