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BSG - Entscheidung vom 11.03.2016

B 10 EG 16/15 B

BSG, Beschluss vom 11.03.2016 - Aktenzeichen B 10 EG 16/15 B

DRsp Nr. 2016/9046

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 11. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Die Klägerin begehrt höheres Elterngeld.

Der Klägerin wurde Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres am 28.12.2011 geborenen Sohnes bewilligt. Die Bewilligung erfolgte nach § 8 Abs 2 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz unter Widerrufsvorbehalt (Bescheid vom 31.1.2012). Nachdem die Klägerin die Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung während des Elterngeldbezugs angezeigt hatte, erließ der Beklagte einen Neufeststellungs- und Rückforderungsbescheid, den er erneut unter den Vorbehalt des Widerrufs stellte (Bescheid vom 27.3.2012).

Mit ihrem erfolglosen Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen die Einkommensermittlung des Beklagten im Bezugszeitraum; dieser habe zu Unrecht die Werbekostenpauschale des Jahres 2011 anstelle derjenigen des Folgejahres zugrunde gelegt (Widerspruchsbescheid vom 25.7.2012).

Die Klage blieb erfolglos (Urteil vom 7.5.2013). Nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010 vorgelegt hatte, setzte der Beklagte das ihr zustehende Elterngeld endgültig in derselben Höhe wie im Bescheid vom 27.3.2012 fest (Bescheid vom 15.1.2015).

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Thüringer LSG die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 11.06.2015). Der Beklagte habe den richtigen Arbeitnehmerpauschbetrag zugrunde gelegt. Den von der Klägerin mit ihrer Klage angegriffenen Widerrufsvorbehalt im Bescheid vom 27.3.2012 habe der Beklagte bereits mit seinem endgültigen Bescheid vom 15.1.2015 aufgehoben.

Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im genannten Urteil macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen Divergenz zugelassen, weil das Thüringer LSG von den Grundsätzen des BSG zur Auslegung von Bescheiden abgewichen sei.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz nicht ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG liegt vor, wenn die tragenden abstrakten Rechtssätze, die zwei Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind, nicht übereinstimmen. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Wer eine Rechtsprechungsdivergenz entsprechend den gesetzlichen Anforderungen darlegen will, muss daher entscheidungstragende abstrakte Rechtssätze in der Entscheidung des Berufungsgerichts einerseits und in der herangezogenen höchstrichterlichen Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG andererseits gegenüberstellen und dazu ausführen, weshalb beide miteinander unvereinbar sein sollen (vgl zB BSG Beschluss vom 28.7.2009 - B 1 KR 31/09 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 28.6.2010 - B 1 KR 26/10 B - RdNr 4; BSG Beschluss vom 22.12.2010 - B 1 KR 100/10 B - Juris RdNr 4 mwN). Erforderlich ist, dass das LSG bewusst einen abweichenden Rechtssatz aufgestellt hat und nicht etwa lediglich fehlerhaft das Recht angewendet hat (vgl zB BSG Beschluss vom 15.1.2007 - B 1 KR 149/06 B - RdNr 4; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 26 S 44 f mwN).

Solche Darlegungen enthält die Beschwerde nicht. Sie macht geltend, das Thüringer LSG habe den abstrakten Rechtssatz aufgestellt, bei der Auslegung eines Bescheides komme es allein auf das von der Behörde Gewollte an, der Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten spiele dagegen keine Rolle. Ein solcher Rechtssatz ist indes dem angefochtenen Urteil - auch nach dem Vortrag der Klägerin - weder ausdrücklich noch sinngemäß zu entnehmen. Maßstab der Auslegung des Verwaltungsaktes ist der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten, der die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen (§ 133 BGB ) erkennbar in ihre Entscheidung einbezogen hat ( BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSG Urteil vom 3.4.2014 - B 2 U 25/12 R - BSGE 115, 256 = SozR 4-2700 § 136 Nr 6). Die Beschwerde wirft dem LSG vor, es habe eine nachträgliche Äußerung des Beklagten über den gewollten Inhalt seines Bescheides zu Unrecht zur Bescheidauslegung herangezogen. Indessen setzt sie sich nicht damit auseinander, ob dieser vom LSG ermittelte wirkliche Wille des Beklagten nicht auch nach dem objektiven Empfängerhorizont Niederschlag in dem angefochtenen Bescheid über die "endgültige Festsetzung des Elterngelds" gefunden hat. Zumal mit der Vorlage des Einkommensteuerbescheids der Klägerin die Gründe für den Widerrufsvorbehalt entfallen waren. Letztlich legt die Beschwerde ohnehin keinen abstrakten Rechtssatz des LSG dar, sondern kritisiert dessen Tatsachenfeststellung und Rechtsanwendung im Einzelfall, die aber nicht zulässigerweise zum Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde gemacht werden können (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Thüringen, vom 11.06.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 EG 1452/13
Vorinstanz: SG Nordhausen, - Vorinstanzaktenzeichen S 3 EG 2941/12