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BSG - Entscheidung vom 22.02.2016

B 12 KR 25/15 B

BSG, Beschluss vom 22.02.2016 - Aktenzeichen B 12 KR 25/15 B

DRsp Nr. 2016/7922

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beteiligten streiten in dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit darüber, ob Kapitalleistungen aus zwei als Direktversicherung abgeschlossenen Lebensversicherungen in der gesetzlichen Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung beitragspflichtig sind, insbesondere darüber, ob auf diese Leistungen trotz Eigenfinanzierung durch den Kläger Beiträge erhoben werden dürfen, während Kapitalleistungen aus privaten Lebensversicherungen in den genannten Versicherungszweigen beitragsfrei bleiben.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Bayerischen LSG vom 19.2.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- die angefochtene Entscheidung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Mit der Behauptung, die Berufungsentscheidung sei inhaltlich unrichtig, lässt sich die Zulassung der Revision demgegenüber nicht erreichen.

1. Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 3.6.2015 allein auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Hierzu muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Der Kläger wirft auf S 3 seiner Beschwerdebegründung folgende Rechtsfrage auf:

"Unterliegen Leistungen aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung ( BetrAVG ) der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung?"

Er hält diese Frage aufgrund "neuere(r) Stimmen in der sozialrechtlichen Literatur" trotz der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BVerfG und des BSG für erneut klärungsbedürftig. Danach sei "festzuhalten", dass die eigenfinanzierte Lebensversicherung "keine betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V " sei, den Auszahlungen der Direktversicherung entgegen der Auffassung des BVerfG kein "Entgeltcharakter" zukomme und die Rechtsprechung bislang die Grundsätze des Vertrauensschutzes und des Gleichheitssatzes missachte (S 8 der Beschwerdebegründung). Für die neueren Stimmen in der sozialrechtlichen Literatur verweist der Kläger auf Johannes Hager (NZS 2011, 801; NZS 2012, 281) sowie Ferdinand Kirchhof (NZS 2015, 1) und legt dar, dass die Ausführungen von Hager (aaO) in dem von ihm näher bezeichneten sozialrechtlichen und arbeitsrechtlichen Schrifttum aufgrund von "Zitierungen" "ernst genommen" würden. Er zeichnet die Rechtsprechungsentwicklung nach und führt aus, dass das BSG (bisher) nicht aufgezeigt habe, worin die Vorteile einer betrieblichen Altersversorgung gegenüber privater Eigenvorsorge liegen sollten, warum die jeweilige Versicherungsnehmereigenschaft den Ausschlag für die Verschiedenbehandlung geben solle (S 4 der Beschwerdebegründung) und warum die mit dem Steuervorteil verfolgte steuerpolitische Zielsetzung, dem Arbeitnehmer eine Eigenkapitalbildung zu ermöglichen, durch krankenversicherungsrechtliche Regelungen konterkariert werden dürfe (S 5 der Beschwerdebegründung). Der Kläger unternimmt hierzu eine Betrachtung am Maßstab des BetrAVG , der Insolvenzordnung , des Versicherungsaufsichtsgesetzes und des EStG und behauptet unter Hinweis auf die Darlegungen von Hager (aaO), dass die institutionelle Betrachtungsweise des BSG nicht überzeuge. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen von Kirchhof (aaO) zum "additiven Grundrechtseingriff" hebt er hervor, dass offensichtlich "auch das BVerfG" seine Rechtsprechung nicht als "in Stein gemeißelt" erachte. Abschließend bezweifelt der Kläger den (Arbeits)Entgeltcharakter der Leistungen aus einer Lebensversicherung und sieht die Überlegungen des BSG zur "Rückwirkung der Beitragspflicht" als nicht überzeugend an (S 6 f der Beschwerdebegründung). Auch werde die von ihm repräsentierte Personengruppe entgegen der vom BSG vertretenen Auffassung - ohne rechtfertigenden Grund - mit solchen Arbeitnehmern gleichbehandelt, deren Lebensversicherung der Arbeitgeber bezahle, und gegenüber solchen gleichheitswidrig benachteiligt, die Eigenvorsorge durch private Lebensversicherungen betrieben (S 8 der Beschwerdebegründung).

Mit diesem Vorbringen legt der Kläger nicht in der für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer "Rechtssache" gebotenen Weise dar, dass die von ihm gestellte Frage trotz der Entscheidungen des BVerfG vom 6.9.2010 ( 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) und 28.9.2010 ( 1 BvR 1660/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 11) sowie der Entscheidungen des BSG vom 30.3.2011 ( B 12 KR 16/10 R - BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12 mwN; B 12 KR 24/09 R - SozR 4-2500 § 229 Nr 13 mwN) und Nachfolgeentscheidungen revisionsgerichtlich klärungsbedürftig geblieben oder wieder klärungsbedürftig geworden ist. Grundsätzlich nicht der Klärung bedarf eine Rechtsfrage, wenn sie höchstrichterlich bereits beantwortet wurde. Allerdings kann eine solche höchstrichterlich entschiedene Frage klärungsbedürftig geblieben oder erneut klärungsbedürftig geworden sein, etwa wenn der Rechtsauffassung des BSG in nicht geringfügigem Umfang widersprochen wird (grundlegend BSG SozR 1500 § 160 Nr 51, § 160a Nr 13, § 160 Nr 17; BSG SozR Nr 194 zu § 162 SGG ) oder in der Nichtzulassungsbeschwerde wesentlich neue oder bislang noch nicht berücksichtigte Gesichtspunkte gegen die bisherige Rechtsprechung vorgebracht werden ( BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1). Mit den insoweit von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Anforderungen soll allerdings zugleich vermieden werden, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung, die durch ihre Stetigkeit auch den Rechtsfrieden sichern soll, immer wieder mit den gleichen Argumenten infrage gestellt wird.

Hieran gemessen legt der Kläger - was aber erforderlich wäre - nicht substantiiert dar, dass die Rechtssache doch (noch oder wieder) grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) hat, weil der bisherigen Rechtsprechung jedenfalls neue erhebliche juristische (und nicht nur sozialpolitische) Bedenken entgegenstehen und das BSG deshalb veranlasst wäre, seine Rechtsprechung zu modifizieren oder sogar aufzugeben. Der Kläger kritisiert die Rechtsprechung des BSG vor allem insoweit, als diese den Beschluss des BVerfG vom 6.9.2010 ( 1 BvR 739/08 - SozR 4-2500 § 229 Nr 10) umgesetzt hat; danach stellt die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen nach dem Vertragstyp (Direktversicherung) grundsätzlich ein geeignetes Kriterium dar, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen. Bleibt der Arbeitgeber Versicherungsnehmer, so bleibt der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts auch dann erhalten, wenn die im Wege der Direktversicherung abgeschlossene Lebensversicherung nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses durch Eigenleistungen des Arbeitnehmers (weiter) finanziert wird. Der Kläger hält die Rechtsprechung des BSG im Gefolge dieser verfassungsgerichtlichen Entscheidung - unter Bezugnahme auf Hager (aaO) und bei einer Betrachtung der mit der Beitragspflicht verbundenen "Implikationen" auf anderen Rechtsgebieten - für lückenhaft, unklar bzw nicht überzeugend. Gewichtige, rechtlich fundierte Argumente gegen die Bewertung der krankenversicherungsrechtlichen Beitragspflicht eigenfinanzierter Direktversicherungen als verfassungsrechtlich zulässig, die aus den Ausführungen in der Nichtzulassungsbeschwerde hinreichend substantiiert und klar entnommen werden können müssten, sieht der Senat vor diesem Hintergrund nicht.

Der Kläger legt die (erneute) Klärungsbedürftigkeit der aufgeworfenen Frage auch mit seiner Bezugnahme auf die Ausführungen von Kirchhof (aaO) nicht in der gebotenen Weise dar. Soweit Kirchhof, der übrigens an den hier in Rede stehenden Beschlüssen des BVerfG als Richter beteiligt war, in Aussicht stellt, man werde zukünftig verfassungsrechtlich über Fragen des "additiven Grundrechtseingriffs" im Sozialrecht nachzudenken und hierbei (auch) die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen als in die Summierung aufzunehmende Einzelposition zu berücksichtigen haben, teilt der Kläger in der Begründung seiner Nichtzulassungsbeschwerde nicht mit, warum er aus diesen auf Fragen einer Belastungskumulation zielenden Äußerungen Kirchhofs dessen Zweifel an der Richtigkeit gerade der zur Beitragspflicht von Versorgungsbezügen in der Form von Leistungen aus Direktversicherungen, getroffenen Entscheidungen entnehmen will.

Schließlich trägt der Kläger auch mit seinem Hinweis auf den fehlenden "Entgeltcharakter" der Leistungen aus der Direktversicherung und seinen Darlegungen, dass die höchstrichterlichen Entscheidungen den Grundsatz des Vertrauensschutzes und den allgemeinen Gleichheitssatz verletzten, rechtlich erwägenswerte Einwendungen gegen die von ihm angegriffene Rechtsprechung nicht substantiiert vor. Insoweit erschließt sich dem Senat schon nicht, warum es für die "Verbeitragung" auf einen (Arbeits)Entgeltcharakter der Kapitalleistungen ankommen soll, gehört Arbeitsentgelt bei versicherungspflichtigen Rentnern nach § 237 SGB V doch (gar) nicht zu den beitragspflichtigen Einnahmen. Soweit er einen Verstoß gegen Art 2 Abs 1 GG in Verbindung mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und den allgemeinen Gleichheitssatz rügt, die Rechtsprechung des BVerfG und des BSG insoweit für nicht zwingend hält und der Sache nach unterstellt, beide Gerichte hätten nicht die richtigen Personengruppen miteinander verglichen, bleibt er in der Nichtzulassungsbeschwerde Darlegungen dazu schuldig, worauf er seine Schlussfolgerungen gründet. Sowohl BVerfG als auch BSG haben ihre verfassungsrechtlichen Bewertungen (explizit) auch an diesen Prüfungsmaßstäben ausgerichtet.

2. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 19.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 5 KR 323/12
Vorinstanz: SG Regensburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 2 KR 502/11