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BSG - Entscheidung vom 10.03.2016

B 5 R 426/15 B

BSG, Beschluss vom 10.03.2016 - Aktenzeichen B 5 R 426/15 B

DRsp Nr. 2016/7814

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 2. November 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Beschluss vom 2.11.2015 hat das LSG Berlin-Brandenburg die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Berlin vom 26.6.2014 zurückgewiesen.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und Verfahrensfehler iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).

Die Klägerin wird bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat keine abstrakt-generelle Rechtsfrage zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG ) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG , den Vortrag der Klägerin darauf zu analysieren, ob sich ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

Außerdem fehlen jegliche Ausführungen zur Klärungsfähigkeit, dh Entscheidungserheblichkeit des angesprochenen Problemkreises. Diese kann nur auf der Grundlage der vom LSG getroffenen Feststellungen beurteilt werden, an die das BSG grundsätzlich gebunden ist (vgl § 163 SGG ). Welchen entscheidungsrelevanten Sachverhalt das Berufungsgericht festgestellt hat, gibt die Beschwerdebegründung jedoch nicht an.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Beschlusses besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 124 Abs 2 SGG , nach dem das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden kann. Die Klägerin sieht eine Verletzung der Norm durch das LSG darin, dass das Gericht nicht "in mündlicher Verhandlung verhandelt (habe), ohne das Einverständnis der Klägerin hierzu erteilt bekommen zu haben".

Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 124 Abs 2 SGG indes nicht schlüssig bezeichnet. Die Beschwerdebegründung weist vielmehr selbst darauf hin, dass das Berufungsgericht kein Urteil erlassen, sondern gemäß § 153 Abs 4 SGG durch Beschluss entschieden hat.

Des Weiteren rügt die Klägerin eine Verletzung des § 153 Abs 4 S 1 SGG . Hierzu trägt sie vor, die Voraussetzungen der Vorschrift lägen schon deshalb nicht vor, weil ihr keine ausreichende Möglichkeit zur Stellungnahme nach § 153 Abs 4 S 2 SGG gegeben worden sei.

Mit diesem Vortrag ist der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht schlüssig aufgezeigt. Gemäß § 153 Abs 4 S 1 SGG kann das LSG, außer in den Fällen des § 105 Abs 2 S 1 SGG (Rechtsmittel gegen einen Gerichtsbescheid), die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Dass diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat die Beschwerdebegründung nicht substantiiert dargetan.

Ebenso wenig hat die Klägerin einen Verstoß gegen § 153 Abs 4 S 2 SGG schlüssig bezeichnet, nach dem die Beteiligten vor Erlass eines Beschlusses nach § 153 Abs 4 S 1 SGG vorher zu hören sind. Die Anhörungspflicht gebietet es, dass der Berufungskläger unmissverständlich über die Absicht des Gerichts informiert wird, ohne mündliche Verhandlung im Beschlussverfahren zu seinen Ungunsten zu entscheiden ( BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 9 S 27). Bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie der Klägerin - genügt der Hinweis, es komme eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG in Betracht ( BSG SozR 3-1500 § 153 Nr 8 S 23).

Dass das LSG diese Vorgaben nicht beachtet hat, trägt die Klägerin nicht vor. Sie sieht eine Verletzung der Vorschrift vielmehr offensichtlich darin begründet, dass sie nicht ausreichend Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt habe, weil es die Berufsrichter versäumt hätten, ihre Vorgehensweise ausführlich zu begründen. Die Gründe, warum das Gericht die Berufung für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für entbehrlich hält, müssen den Beteiligten aber nicht mitgeteilt werden (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 153 RdNr 19 mwN).

Soweit die Klägerin schließlich eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß § 62 SGG rügt, ist ein Verfahrensfehler schon deswegen nicht dargetan, weil sie nicht vorträgt, welches Vorbringen durch das Verhalten des LSG verhindert worden sei (vgl zu dieser Anforderung BSG SozR 1500 § 160a Nr 36).

Die Klägerin macht darüber hinaus eine Verletzung der den Tatsachengerichten obliegenden Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG geltend. Eine Verletzung dieser Vorschrift sieht sie in der unterlassenen Ladung des von ihr mit Schriftsatz vom 10.7.2015 als Zeugen benannten Treuhandexperten F. F. begründet. Dieser hätte bekunden können, dass sie die Korrespondenz der Beklagten ungefiltert durch eigene Erkenntnisse hieraus und Recherchen an die Abrechnungsstelle unverzüglich weitergeleitet habe.

Mit diesem Vorbringen ist eine Verletzung des § 103 SGG nicht schlüssig dargetan.

Die Klägerin hat bereits nicht dargelegt, dass sie einen prozessordnungsgemäßen Beweisantrag im Sinne der ZPO gestellt habe. Zur Darlegung eines prozessordnungsgemäßen Beweisantrags muss nicht nur die Stellung des Antrags, sondern auch aufgezeigt werden, über welche im Einzelnen bezeichneten Punkte Beweis mit welchen Beweismitteln der ZPO Beweis erhoben werden sollte. Denn Merkmal eines Beweisantrags ist eine bestimmte Tatsachenbehauptung und die Angabe des Beweismittels für diese Tatsache ( BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 6 mwN).

Zu welchen Punkten die Klägerin den Treuhandexperten F. F., der im Übrigen mit ladungsfähiger Anschrift zu bezeichnen gewesen wäre (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO , 35. Aufl 2014, § 373 RdNr 1), als Zeugen benannt hat, gibt die Beschwerdebegründung nicht an. Ferner teilt die Klägerin nicht mit, dass sie den Beweisantrag bis zum Schluss des Berufungsverfahrens aufrechterhalten habe (vgl zu diesem Erfordernis BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 31 S 51 f; SozR 4-1500 § 160 Nr 12 RdNr 7) und dass es nach der Rechtsauffassung des LSG auf die Aufklärung der unter Beweis gestellten Tatsachen angekommen wäre (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5 mwN).

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 02.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 1041/14
Vorinstanz: SG Berlin, - Vorinstanzaktenzeichen 29 R 6331/12