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BSG - Entscheidung vom 16.03.2016

B 9 SB 90/15 B

BSG, Beschluss vom 16.03.2016 - Aktenzeichen B 9 SB 90/15 B

DRsp Nr. 2016/7569

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 27. Oktober 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

In der Hauptsache begehrt die Klägerin die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG bereits ab 22.5.2012. Der wiederholte Neufeststellungsantrag der Klägerin war bei dem Beklagten erfolglos (Bescheid vom 11.7.2012; Widerspruchsbescheid vom 13.12.2012). Das SG hat die Klage nach neurologischer Begutachtung der Klägerin (von Amts wegen und auf Antrag nach § 109 SGG ) abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 3.6.2014). Im Berufungsverfahren hat das LSG nach Beiziehung eines Befundberichtes des behandelnden Arztes vom 10.11.2014 den Hinweis erteilt, dass noch eine eingeschränkte - mit den Anforderungen an das Merkzeichen aG nicht zu vereinbarende - Mobilität bestehe. Daraufhin ist der nach § 109 SGG gehörte Gutachter erneut befragt worden, hat weiterhin - entgegen der Einschätzung des im Klageverfahren von Amts wegen tätigen Sachverständigen - das Merkzeichen aG befürwortet und zudem eine leichte Verschlechterung festgestellt. Der Beklagte hat auf der Grundlage dieser Ausführungen angeboten, die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen aG ab dem Tag der Untersuchung am 7.5.2015 festzustellen. Das LSG hat den Beklagten entsprechend seinem - von der Klägerin nicht angenommenen - Vergleichsangebot verurteilt und im Übrigen die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es für die Vergangenheit auf die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug genommen und im Übrigen auf den Aspekt der Leidensverschlechterung abgestellt (Urteil vom 27.10.2015).

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG und rügt einen Verfahrensfehler.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil der sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund des Verfahrensmangels nicht ordnungsgemäß innerhalb der bis zum 4.2.2016 laufenden Beschwerdebegründungsfrist dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

1. Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde wie im Fall der Klägerin darauf gestützt, es liege ein Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Beschwerdebegründung führt an, das LSG habe sich nicht mit allen wesentlichen Streitpunkten auseinandergesetzt und damit entgegen § 128 Abs 1 S 2 SGG und § 136 Abs 1 Nr 6 SGG entscheidungserhebliche Gesichtspunkte in den Entscheidungsgründen nicht behandelt. Das LSG habe nicht berücksichtigt, dass der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter im Gegensatz zu dem von Amts wegen tätigen Sachverständigen bereits im Klageverfahren das Merkzeichen aG befürwortet habe. Im Berufungsverfahren habe der nach § 109 SGG beauftragte Gutachter nicht dargelegt, dass sich das Leidensbild der Klägerin in entscheidungserheblichem Umfang verschlechtert habe. Vielmehr habe er nur von einer leichten Verschlechterung gesprochen. Mit dieser Einschätzung, auf die sich das Vorbringen der Klägerin stütze, habe sich das LSG nicht ausreichend auseinandergesetzt.

Mit diesem Vorbringen bezeichnet sie einen Verstoß gegen die aus § 128 Abs 1 S 2 iVm § 136 Abs 1 Nr 6 SGG folgende Begründungspflicht nicht ausreichend. Nach § 128 Abs 1 S 2 SGG sind in dem Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind, nicht dagegen jene, die es nicht gewesen sind. Das bedeutet, aus den Entscheidungsgründen muss ersichtlich sein, auf welchen Erwägungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht die Entscheidung beruht. Dafür muss das Gericht aber nicht jeden Gesichtspunkt, der erwähnt werden könnte, abhandeln (vgl BVerfG SozR 1500 § 62 Nr 16). Auch braucht es nicht zu Fragen Stellung zu nehmen, auf die es nach seiner Auffassung nicht ankommt. Eine Entscheidung ist nicht schon dann nicht mit Gründen versehen, wenn das Gericht sich unter Beschränkung auf den Gegenstand der Entscheidung kurz gefasst und nicht jeden Gesichtspunkt, der möglicherweise hätte erwähnt werden können, behandelt hat. Aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass sich das LSG - wie die Vorinstanz - von den die Position des Beklagten stützenden sachverständigen Ausführungen hat leiten lassen und in Anbetracht des Befundberichts vom 10.11.2014 davon ausgegangen ist, das Gehvermögen der Klägerin sei für die Vergangenheit nicht auf das Schwerste eingeschränkt. Erst ab dem Untersuchungszeitpunkt sei die Zuerkennung des Merkzeichens aG befundangemessen. Hiervon ausgehend wäre die Begründungspflicht daher selbst dann nicht verletzt, wenn die Ausführungen des Gerichts zu den rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Gegebenheiten falsch, oberflächlich oder wenig überzeugend sein sollten ( BSG Beschluss vom 22.1.2008 - B 13 R 144/07 B - Juris RdNr 7 mwN; BSG Beschluss vom 10.3.2011 - B 1 KR 134/10 B - Juris RdNr 11 mwN). Soweit die Klägerin deshalb mit Blick auf die nur leichte Verschlechterung des Leidensbildes sinngemäß Fehler der Beweiswürdigung rügt, sind diese - wie ausgeführt - nicht Gegenstand der Nichtzulassungsbeschwerde. Dies gilt auch, soweit sie darüber hinaus Fehler der Rechtsanwendung rügt ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

2. Die Beschwerde ist somit ohne Zuziehung der ehrenamtlichen Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2, § 169 SGG ).

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ). Der eigenhändige Schriftsatz der Klägerin vom 22.2.2016 kann in einem Verfahren mit Anwaltszwang (§ 73 Abs 4 SGG ) - unbeschadet seiner Verfristung - keine Berücksichtigung finden (vgl BSG Beschluss vom 29.1.2010 - B 11 AL 82/10 B - Juris RdNr 9).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 SGG .

Vorinstanz: LSG Bayern, vom 27.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 3 SB 140/14
Vorinstanz: SG Regensburg, - Vorinstanzaktenzeichen S 15 SB 30/13