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BSG - Entscheidung vom 08.02.2016

B 12 KR 114/15 B

BSG, Beschluss vom 08.02.2016 - Aktenzeichen B 12 KR 114/15 B

DRsp Nr. 2016/6683

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Oktober 2015 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin C., zu gewähren, wird abgelehnt.

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

In dem Rechtsstreit, der dem Antrag der Klägerin auf Prozesskostenhilfe (PKH) und ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegt, streiten die Beteiligten darüber, ob die 1978 geborene Klägerin in der gesetzlichen Krankenversicherung über den 18.2.2003 hinaus familienversichert ist.

1. Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von PKH zur Durchführung des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde gegen das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 20.10.2015 ist abzulehnen.

Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG ua nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, weil die von der Klägerin bereits mit einer konkreten Begründung durch eine postulationsfähige Bevollmächtigte eingelegte Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision nicht erfolgreich sein kann. Die Revision wäre nur zuzulassen, wenn mit dieser Beschwerde einer der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG genannten Zulassungsgründe in der gemäß § 160a Abs 2 S 3 SGG vorgeschriebenen Weise dargelegt wäre und (voraussichtlich) tatsächlich vorläge. Eine Erfolgsaussicht besteht vorliegend aber nicht, weil die Beschwerde unzulässig ist (dazu unten 2.).

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist daher abzulehnen. Damit entfällt zugleich die Möglichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO ).

2. Die unabhängig vom Antrag auf Bewilligung von PKH bereits eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Die Klägerin hat in der Begründung des Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen Zulassungsgrund hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder - bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Die Klägerin beruft sich in der Beschwerdebegründung vom 25.11.2015, die sie innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist mit Schriftsatz vom 29.12.2015 ergänzt hat, auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und macht das Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) geltend.

a) Die Klägerin führt den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) an. Ihre Beschwerdebegründung erfüllt jedoch die Darlegungsvoraussetzungen für eine Grundsatzrüge schon im Ansatz nicht (vgl hierzu exemplarisch BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN). Denn die Klägerin formuliert darin schon keine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit einer konkreten revisiblen Norm des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - (vgl allgemein BSG vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - BeckRS 2010, 72088 RdNr 10; BSG vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Bezeichnung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 181). Stattdessen enthält die Beschwerdebegründung umfangreiche Ausführungen zum Gesundheitszustand der Klägerin, was mit diversen Hinweisen auf ärztliche Atteste untermauert wird. Hierdurch macht die Klägerin aber nur eine vermeintliche Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils geltend. Hierauf kann aber eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie dargelegt - nicht gestützt werden.

b) Auch einen Verfahrensmangel iS des § 160 Abs 2 Nr 3 SGG bezeichnet die Klägerin nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Form (zu den Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels s exemplarisch BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 4; Nr 21 RdNr 4 - jeweils mwN; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX, RdNr 202 ff).

aa) Die Klägerin macht ausdrücklich auf Seite 2 und 5 der Beschwerdebegründung einen Verstoß gegen § 103 SGG (Amtsermittlungspflicht) geltend, ohne Ausführungen zu den in § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG hierfür genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen zu machen. Danach kann eine Nichtzulassungsbeschwerde wegen vermeintlicher Verletzung von § 103 SGG nur darauf gestützt werden, dass das LSG einem Beweisantrag ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. In der Beschwerdebegründung wurde nicht aufgezeigt, dass im Berufungsverfahren ein entsprechender Beweisantrag gestellt und in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem LSG ausdrücklich aufrechterhalten worden ist (zu diesem Erfordernis aber: stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11 mwN; ferner Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 18c mwN). Zwar behauptet die Klägerin auf Seite 5 der Beschwerdebegründung, der Beweisantrag sei "stets aufrechterhalten" worden. Der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem LSG am 20.10.2015 kann jedoch ein entsprechender Antrag nicht entnommen werden.

bb) Unabhängig davon bezeichnet die Klägerin eine von ihr behauptete unzureichende Sachaufklärung durch das LSG nicht in einer Weise, dass sich der geltend gemachte Verfahrensmangel bei Zugrundelegung der Angaben der Beschwerdebegründung allein aus dieser schlüssig ergibt. Eine solche Rüge muss folgende Punkte enthalten: (1) Bezeichnung eines für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrags, dem das LSG nicht gefolgt ist, (2) Wiedergabe der Rechtsauffassung des LSG, aufgrund derer bestimmte Tatfragen als klärungsbedürftig hätten erscheinen und zu weiterer Sachaufklärung drängen müssen, (3) Angabe des voraussichtlichen Ergebnisses der unterbliebenen Beweisaufnahme und (4) Schilderung, dass und warum die Entscheidung des LSG auf der angeblich fehlerhaft unterlassenen Beweisaufnahme beruhen kann, das LSG mithin bei Kenntnis des behaupteten Ergebnisses der Beweisaufnahme von seinem Rechtsstandpunkt aus zu einem anderen, dem Beschwerdeführer günstigen Ergebnis hätte gelangen können (stRspr, vgl BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 3 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 6 mwN).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Die Klägerin beschränkt sich insbesondere auf die Wiedergabe einer Einschätzung von Dr. H. in einem Bericht vom 30.6.2010, den das LSG in seinem Urteil ausdrücklich berücksichtigt hat (vgl Seite 9 des LSG-Urteils), wonach bei der Klägerin schon 1996 von einer "beginnenden Erwerbsunfähigkeit" ausgegangen werden müsse. Es kann dahinstehen, ob diese Ausführungen nicht nur eine verdeckte, nach § 160 Abs 2 Nr 3 Teils 2 SGG unzulässige Rüge der Verletzung des Grundsatzes freier richterlicher Überzeugungsbildung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG ) enthalten. Jedenfalls versäumt es die Klägerin entsprechend den og Anforderungen an die Rüge der Verletzung der Amtsermittlungspflicht schlüssig darzulegen, dass die Wertung der Einschätzung von Dr. H. im von ihr geltend gemachten Sinne unter Berücksichtigung aller entscheidungserheblichen Tatbestandsmerkmale des § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V zu einem für sie (die Klägerin) günstigen Ergebnis hätte führen müssen. Hierfür hätte sie insbesondere darlegen müssen, dass ihr Studium und ihre Krankenversicherung als Studentin in der Zeit vom 19.2.2003 bis 31.3.2011 dem Fortbestand der Familienversicherung nach § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V nicht entgegenstehen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 20.10.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 11 KR 2216/14
Vorinstanz: SG Stuttgart, - Vorinstanzaktenzeichen S 19 KR 1220/11