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BSG - Entscheidung vom 04.02.2016

B 9 V 65/15 B

BSG, Beschluss vom 04.02.2016 - Aktenzeichen B 9 V 65/15 B

DRsp Nr. 2016/6056

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. August 2015 wird als unzulässig verworfen.

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwalt S. aus H. beizuordnen, wird abgelehnt.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Mit Urteil vom 27.8.2015 hat das LSG Baden-Württemberg einen Anspruch des Klägers auf Gewährung von Versorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz ab dem 1.4.2010 nach einem höheren Grad der Schädigungsfolgen (GdS) als 30 verneint, weil die beim Kläger bestehende psychische Störung mit einer psychoreaktiven Störung ausreichend erfasst sei. Diese habe sicherlich Anteil an dem Ausmaß der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), könne aber dieser nicht im vollen Umfange zugerechnet werden, wie dies insbesondere der Sachverständige Prof. Dr. Dr. B. getan habe. Demgegenüber habe der Sozialmediziner Dr. S. zu Recht darauf hingewiesen, dass bei dem Kläger noch eine Vielzahl anderer mehrfach bestätigter Diagnosen vorlägen, die jeweils nachweislich eine schädigungsfremde Ursache hätten. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat der Kläger beim BSG Beschwerde eingelegt und die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung des ihn vertretenden Rechtsanwalts beantragt. Die Rechtssache leide an Verfahrensmängeln (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG ) und sei daher unter Aufhebung der LSG-Entscheidung dorthin zurückzuverweisen zur Durchführung einer ergänzenden Beweisaufnahme.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist unzulässig. Die Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil kein Zulassungsgrund ordnungsgemäß dargetan worden ist (vgl § 160a Abs 2 S 3 SGG ).

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie vorliegend - darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel dabei auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Will die Beschwerde demnach einen Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht rügen (§ 103 SGG ), so muss sie einen für das Revisionsgericht ohne Weiteres auffindbaren Beweisantrag bezeichnen, dem das LSG nicht gefolgt ist. Daran fehlt es hier.

Der Kläger legt bereits nicht alle Tatsachen substantiiert dar, die einen vermeintlichen Verfahrensmangel begründen könnten. Darüber hinaus behauptet der anwaltlich vertretene Kläger aber auch selbst nicht, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 27.8.2015 einen Beweisantrag gestellt bzw aufrechterhalten zu haben. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Behauptung, mit Schriftsatz vom 28.7.2015 beantragt zu haben, dem Kläger Einsicht in die beizuziehenden Einsatztagebücher zu gewähren oder zu verschaffen und weitere benannte Zeugen (ehemalige Kameraden und Vorgesetzte des Klägers in A.) anzuhören. Wird ein zuvor schriftsätzlich gestellter Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt und aufrechterhalten, so gilt er zumindest bei einem rechtskundig vertretenen Beteiligten - wie dem Kläger - als erledigt (vgl BSG Beschluss vom 5.8.2014 - B 9 SB 36/14 B - sowie BSG SozR 1500 § 160 Nr 67; BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 20). Dem Beweisantrag soll eine Warnfunktion zukommen, die er nicht mehr erfüllt, wenn er zwar in einem früheren Verfahrensstadium schriftsätzlich gestellt wurde, im Entscheidungszeitpunkt selbst aber nicht mehr erkennbar weiter verfolgt wird.

Soweit sich die Beschwerde im Übrigen gegen die Würdigung der widerstreitenden Gutachten durch das LSG wendet, übersieht der Kläger, dass gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung von § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann. Unabhängig davon gibt es keinen Grundsatz, dass ein bestimmtes Beweismittel wegen seines höheren Werts bei der Beweiswürdigung generell stärker zu berücksichtigen ist (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 128 RdNr 4a mwN). Die Tatsachengerichte haben lediglich zu beachten, dass nicht als gerichtliche Sachverständigengutachten erstellte ärztliche Gutachten bzw gutachterliche Stellungnahmen grundsätzlich einen anderen Beweiswert und eine andere Beweiskraft besitzen als gerichtliche Gutachten ( BSG SozR 1500 § 128 Nr 24 mwN). Dies hindert das Gericht aber nicht, im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung, die diesen Unterschieden Rechnung trägt, gleichwohl aus bestimmten Gründen zB auch einem Verwaltungsgutachten zu folgen (vgl BSG Beschluss vom 26.5.2000 - B 2 U 90/00 B - Juris). Schließlich sehen die Prozessordnungen - so auch das SGG - einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" nicht vor (vgl BSG Beschluss vom 17.11.2003 - B 3 P 23/03 B - Juris; Beschluss vom 1.4.2014 - B 9 V 54/13 B - Juris RdNr 10). Bei widersprechenden Gutachten bzw gutachterlichen Stellungnahmen ist das Gericht lediglich gehalten, sich mit dem Gutachten, dem es nicht folgt, auseinanderzusetzen ( BSG Beschluss vom 23.5.2006 - B 13 RJ 272/05 B - Juris RdNr 5). Auch insoweit zeigt die Beschwerde nicht auf, warum das LSG diesen Vorgaben nicht genügt haben sollte.

Soweit der Kläger (auch) eine Verletzung seines rechtlichen Gehörs darin sieht, dass das Berufungsgericht seine Beweisanträge im Schriftsatz vom 28.7.2015 nicht beachtet habe, so liegt hierin keine Gehörs-, sondern allenfalls eine Sachaufklärungsrüge. Deren Darlegungsanforderungen erfüllt die Beschwerdebegründung - wie oben bereits aufgezeigt - nicht. Die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Sachaufklärungsrüge können nicht dadurch umgangen werden, dass der Vorhalt unzureichender Sachaufklärung in der Gestalt einer Gehörsrüge geltend gemacht wird ( BSG Beschluss vom 5.2.2015 - B 13 R 372/14 B - Juris RdNr 15; BSG Beschluss vom 3.12.2012 - B 13 R 351/12 B - Juris RdNr 12). Dass der Kläger mit der Auswertung und Würdigung der Sachverständigengutachten durch das LSG nicht einverstanden ist, ist für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren unerheblich. Denn insoweit wendet er sich gegen die Beweiswürdigung (§ 128 Abs 1 S 1 SGG ) des Berufungsgerichts. Hierauf kann allerdings, wie oben ebenfalls bereits ausgeführt, eine Verfahrensrüge nicht gestützt werden. Darüber hinaus hat der Kläger nicht dargelegt, alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen und was daraus zu folgern gewesen wäre. Art 103 GG verpflichtet die Gerichte nicht, dem Tatsachenvortrag oder der Rechtsansicht der Verfahrensbeteiligten zu folgen.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Da nach alledem die Nichtzulassungsbeschwerde keinen Erfolg hat, ist der Antrag des Klägers auf PKH unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten mangels einer hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtsmittels abzulehnen (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO ).

Die Verwerfung der Beschwerde erfolgt ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter (§ 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 27.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 6 VS 4569/14
Vorinstanz: SG Heilbronn, - Vorinstanzaktenzeichen S 2 VS 1982/12