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BSG - Entscheidung vom 18.01.2016

B 12 KR 90/15 B

BSG, Beschluss vom 18.01.2016 - Aktenzeichen B 12 KR 90/15 B

DRsp Nr. 2016/3237

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts für das Saarland vom 14. Juli 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

In dem der Nichtzulassungsbeschwerde zugrunde liegenden Rechtsstreit streiten die Beteiligten darüber, ob eine Einmalzahlung aus einer Direktversicherung der Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung unterliegt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG für das Saarland vom 14.7.2015 ist in entsprechender Anwendung von § 169 S 2 und 3 SGG als unzulässig zu verwerfen. Der Kläger hat in der Begründung seines Rechtsmittels entgegen § 160a Abs 2 S 3 SGG keinen der in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe hinreichend dargelegt oder bezeichnet.

Das BSG darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision gegen eine Entscheidung des LSG nur dann zulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1) oder

- das angefochtene Urteil von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abweicht (Nr 2) oder

- bestimmte Verfahrensmängel geltend gemacht werden (Nr 3).

Allein die Behauptung, das Berufungsurteil sei inhaltlich unrichtig, kann demgegenüber nicht zur Zulassung der Revision führen (vgl BSG SozR 1500 § 160a Nr 7).

Der Kläger beruft sich in seiner Beschwerdebegründung vom 28.9.2015 auf die Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) und der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

1. Bei Geltendmachung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) muss die Beschwerdebegründung ausführen, welche Rechtsfrage sich ernsthaft stellt, deren Klärung über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Rechtsfortbildung im allgemeinen Interesse erforderlich (Klärungsbedürftigkeit) und deren Klärung durch das Revisionsgericht zu erwarten (Klärungsfähigkeit) ist ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 60 und 65; BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 16 mwN - stRspr; vgl auch BVerwG NJW 1999, 304 und BVerfG SozR 3-1500 § 160a Nr 7). Die Beschwerdebegründung hat deshalb auszuführen, inwiefern die Rechtsfrage nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre nicht ohne Weiteres zu beantworten ist, und den Schritt darzustellen, den das Revisionsgericht zur Klärung der Rechtsfrage im allgemeinen Interesse vornehmen soll ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 31).

Der Kläger hält die folgende Frage für grundsätzlich bedeutsam:

"Führt das im Handelsregister eingetragene Erlöschen der die Versicherungsnehmereigenschaft innehabenden juristischen Person zwangsläufig zu einer Lösung der Direktversicherung aus ihrem 'betrieblichen Bezug' und zum Wegfall der Beitragspflicht desjenigen Teils der Kapitalauszahlung, der auf den nach Erlöschen ausschließlich vom Arbeitnehmer gezahlten Versicherungsbeiträge beruht?"

Der Kläger trägt dazu vor, die Beantwortung der Rechtsfrage ergebe sich nicht bereits unmittelbar aus dem Gesetz. Schon die Differenzierung zwischen Beitragszeiten, in denen mit betrieblichem Bezug beitragspflichtiges Kapital gebildet werde und solchen Beitragszeiten, in denen der Arbeitnehmer als eingerückter Versicherungsnehmer in die Direktversicherung einzahlt, sei von der Rechtsprechung entwickelt worden. Die Rechtsfrage sei auch klärungsfähig. Sie betreffe die Auslegung der einschlägigen krankenversicherungsrechtlichen Vorschriften zur Beitragspflicht von Zahlungen aus Direktversicherungen, insbesondere § 226 Abs 1 S 1 Nr 3 SGB V .

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger eine abstrakt-generelle Rechtsfrage - zur Auslegung, zum Anwendungsbereich oder zur Vereinbarkeit von konkreten revisiblen Normen des Bundesrechts (vgl § 162 SGG ) mit höherrangigem Recht - formuliert hat (vgl allgemein BSG Beschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - Juris = BeckRS 2010, 68786, RdNr 10; BSG Beschluss vom 21.7.2010 - B 5 R 154/10 B - Juris = BeckRS 2010, 72088, RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - Juris = BeckRS 2009, 50073, RdNr 7). Jedenfalls legt er die Klärungsbedürftigkeit der von ihm formulierten Frage - ihre Qualität als Rechtsfrage unterstellt - nicht in der gebotenen Weise dar. Insbesondere genügt die Beschwerdebegründung bereits deshalb nicht den oben genannten Anforderungen, weil sie zur Darlegung der Klärungsbedürftigkeit nicht hinreichend die zugrunde liegenden Rechtsvorschriften und die dazu schon ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung in den Blick nimmt. Dies wäre aber erforderlich gewesen, um darzulegen, dass die vermeintliche Rechtsfrage nicht bereits nach dem aktuellen Stand von Rechtsprechung und Lehre oder unmittelbar aus dem Gesetz heraus beantwortet werden kann bzw darzutun, dass - obwohl eine konkret bezeichnete Frage noch nicht höchstrichterlich entschieden wurde - sich auch aus der bisherigen Rechtsprechung des BSG keine hinreichenden Anhaltspunkte zur Beurteilung der von dem Kläger als grundsätzlich bedeutsam herausgestellten Frage ergeben. Zur Beitragspflicht von Kapitalleistungen aus Direktversicherungen existiert indessen bereits eine umfangreiche Rechtsprechung des BVerfG und des BSG (vgl grundlegend BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 5; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 15; ferner BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Der Kläger hat sich schon mit dem Inhalt dieser Rechtsprechung nicht ausreichend befasst. Entscheidungen des BSG werden - mit Ausnahme von zwei Urteilen (BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12 und BSG SozR 4-2500 § 229 Nr 13) - und die Rechtsprechung des BVerfG überhaupt nicht zitiert. Zur Klärungsbedürftigkeit hätte der Kläger insbesondere im Hinblick darauf Ausführungen machen müssen, dass das BVerfG die in der Rechtsprechung des BSG entwickelte institutionelle Unterscheidung von beitragspflichtigen Versorgungsbezügen und beitragsfreien privaten Lebensversicherungen grundsätzlich gebilligt und nur für Kapitalleistungen, die auf Beiträgen beruhen, die für einen Arbeitnehmer nach Beendigung seiner Erwerbstätigkeit auf den Lebensversicherungsvertrag unter "Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers" eingezahlt wurden - was vorliegend nach den ausdrücklichen Feststellungen des LSG gerade nicht der Fall war -, eine Ausnahme gemacht hat (vgl BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 11 RdNr 15). Werden Beiträge nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Eigenleistungen des versicherten Arbeitnehmers finanziert, so gilt, dass typisierend auch solche Beiträge als noch betrieblich veranlasst eingestuft werden dürfen, solange der institutionelle Rahmen des Betriebsrentenrechts genutzt wird (BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr 10 RdNr 16-18). Der Kläger macht dazu lediglich geltend, seine frühere Arbeitgeberin sei als GmbH gelöscht worden und habe deshalb nicht mehr Versicherungsnehmerin sein können; dabei nimmt er aber in Bezug auf die Versicherungsnehmerstellung weder die Rechtslage nach dem Versicherungsvertragsrecht noch die Feststellungen des LSG zu den Regelungen des Versicherungsscheins in den Blick. Ein weiterer Vortrag zu der vom BVerfG vorgenommenen Differenzierung erfolgt nicht.

2. Divergenz iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG bedeutet Widerspruch im Rechtssatz, nämlich das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die zwei Urteilen zugrunde gelegt sind. Eine Abweichung liegt nicht schon dann vor, wenn das LSG eine höchstrichterliche Entscheidung nur unrichtig ausgelegt oder das Recht unrichtig angewandt hat, sondern erst, wenn das LSG Kriterien, die ein in der Norm genanntes Gericht aufgestellt hat, widersprochen, also andere Maßstäbe entwickelt hat. Das LSG weicht damit nur dann iS von § 160 Abs 2 Nr 2 SGG von einer Entscheidung ua des BSG ab, wenn es einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der einer zu demselben Gegenstand gemachten und fortbestehenden aktuellen abstrakten Aussage des BSG entgegensteht und dem Berufungsurteil tragend zugrunde liegt. Die Beschwerdebegründung muss deshalb aufzeigen, welcher abstrakte Rechtssatz in den genannten höchstrichterlichen Urteilen enthalten ist, und welcher in der instanzabschließenden Entscheidung des LSG enthaltene Rechtssatz dazu im Widerspruch steht, und darlegen, dass die Entscheidung hierauf beruhen kann ( BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 21, 29 und 67; SozR 3-1500 § 160 Nr 26 mwN). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung ebenfalls nicht.

Der Kläger macht eine Divergenz des angegriffenen Urteils zum Urteil des BSG vom 30.3.2011 (BSGE 108, 63 = SozR 4-2500 § 229 Nr 12) geltend.

Als darin enthaltenen Rechtssatz führt der Kläger an:

"Einmalzahlungen aus einer Direktversicherung dürfen dann nicht zur Beitragszahlung in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung herangezogen werden, wenn die Kapitalleistungen auf Beträgen beruhen, die ein Arbeitnehmer nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses auf den Lebensversicherungsvertrag unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers eingezahlt hat."

Das LSG formuliere dagegen den "Rechtssatz":

"Versicherungspflichtig i.S.d. § 226 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGG , § 237 S. 1 Nr. 2, S. 2 SGB V , § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V sind auch solche Kapitalleistungen aus Direktversicherungen, die auf nach dem Erlöschen der die Versicherungsnehmereigenschaft zunächst innehabenden juristischen Person, vom Arbeitnehmer privat gezahlten Beiträgen beruhen, solange nicht das policierende Versicherungsunternehmen die Versicherungsnehmereigenschaft auf den Arbeitnehmer überträgt."

Soweit der Kläger dazu vorträgt, mit dem Erlöschen der Arbeitgeberin als juristische Person und ursprüngliche Versicherungsnehmerin müsse von einem "automatischen Einrücken" des Arbeitnehmers in die Stellung des Versicherungsnehmers ausgegangen werden, ein solches Einrücken des Klägers als Versicherungsnehmer erscheine "zwangsläufig" und das LSG habe entgegen der zitierten Entscheidung des BSG eine Beitragspflicht angenommen, beachtet der Kläger nicht hinreichend, dass eine zulässige Rüge der Divergenz die Darlegung eines Widerspruchs im Grundsätzlichen voraussetzt. Dies erfordert den Vortrag, dass das LSG den mit der Rechtsprechung zB des BSG nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt, im Ergebnis also der abweichenden Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen hat. Dagegen genügt nicht ein (behaupteter) Rechtsirrtum im Einzelfall, also zB fehlerhafte Subsumtion, unzutreffende Beurteilung oder Übersehen einer Rechtsfrage (vgl zum Ganzen Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG , 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 14 mwN). Im Kern seines Vorbringens rügt der Kläger insoweit nur eine seiner Ansicht nach unrichtige Rechtsanwendung durch das LSG (im Hinblick auf einen "zwangsläufig" anzunehmenden Versicherungsnehmerwechsel). Hierauf kann er sich aber im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde nicht berufen.

3. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet ist, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Saarland, vom 14.07.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 2 KR 173/14
Vorinstanz: SG Saarbrücken, - Vorinstanzaktenzeichen S 1 KR 961/11