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BSG - Entscheidung vom 06.01.2016

B 1 KR 28/15 B

BSG, Beschluss vom 06.01.2016 - Aktenzeichen B 1 KR 28/15 B

DRsp Nr. 2016/1684

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landesozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 2015 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen, wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Februar 2015 wird als unzulässig verworfen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der bei der beklagten Krankenkasse versicherte, an Epilepsie, akuter intermittierender Prophyrie und spastischer Tetraparese leidende Kläger erhielt vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Erlaubnis, sich nach ärztlicher Verordnung über eine bestimmte Apotheke Medizinal-Cannabisblüten zur Behandlung seiner Epilepsie zu beschaffen. Er ist mit seinem Begehren auf Erstattung von 4524,27 Euro Kosten für derart beschaffte Medizinal-Cannabisblüten und die zukünftige Versorgung mit ihnen bei der Beklagten und in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Versorgung mit Medizinal-Cannabisblüten, weil diese nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gehöre. Soweit man Medizinal-Cannabisblüten als Fertigarzneimittel ansehe, fehle es an einer arzneimittelrechtlichen Zulassung, soweit es sich um ein Rezepturarzneimittel handele, an der nach § 135 Abs 1 S 1 SGB V erforderlichen positiven Empfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses. Auch liege weder ein Fall des Systemversagens vor noch greife § 2 Abs 1a SGB V ein. Zur Behandlung der Epilepsie des Klägers stehe aufgrund der Angaben der Leitenden Oberärztin Dr. W. (Universitätsklinikum T.) fest, dass das im Inland zugelassene Fertigarzneimittel Levetiracetam als eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlungsmöglichkeit zur Verfügung stehe und es auch nicht wegen der Prophyrie des Klägers kontraindiziert sei. Danach sei auch ein Kostenerstattungsanspruch, der nicht weiter als der Naturalleistungsanspruch reichen könne, ausgeschlossen (Urteil vom 27.2.2015).

Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil und begehrt, ihm für die Begründung der von seinen früheren Prozessbevollmächtigten eingelegten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwaltes ist abzulehnen (dazu 1.), seine Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (dazu 2.).

1. Nach § 73a Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 114 , 121 ZPO kann einem bedürftigen Beteiligten für das Beschwerdeverfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden, wenn - ua - die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Daran fehlt es. Der Kläger kann aller Voraussicht nach mit seinem Begehren auf Zulassung der Revision nicht durchdringen, weil es keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Nach Durchsicht der Akten fehlen - auch unter Würdigung des Vorbringens des Klägers - Anhaltspunkte dafür, dass er einen der in § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe darlegen könnte.

Die Sache bietet keine Hinweise für eine über den Einzelfall des Klägers hinausgehende grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ). Wer sich - wie hier der Kläger - auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) berufen will, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren entscheidungserheblich sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 21 S 38; BSG SozR 3-4100 § 111 Nr 1 S 2 f; s auch BSG SozR 3-2500 § 240 Nr 33 S 151 f mwN). Es liegt fern, dass der Kläger nach diesem Maßstab in der Lage sein wird, eine zulässige Rechtsfrage zu formulieren, die die Einbeziehung von Medizinal-Cannabisblüten in den GKV-Leistungskatalog zum Gegenstand hat. Der Kläger wird aller Voraussicht nach nicht die Entscheidungserheblichkeit einer derartigen Rechtsfrage darlegen können. Denn das LSG hat festgestellt, dass in Gestalt des Fertigarzneimittels Levetiracetam eine dem Kläger zumutbare, dem Qualitätsgebot des § 2 Abs 1 S 3 SGB V entsprechende Behandlungsmöglichkeit innerhalb des GKV-Leistungskatalogs zur Verfügung steht.

Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das LSG entscheidungstragend von Rechtsprechung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abgewichen sein könnte (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 2 SGG ) oder dass der Kläger einen Verfahrensfehler des LSG dartun könnte, auf dem die Entscheidung des LSG beruhen kann (Zulassungsgrund gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ). Der Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung von § 109 SGG und § 128 Abs 1 S 1 SGG (Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Amtsermittlungsgrundsatz) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Um einen Verfahrensmangel in diesem Sinne geltend zu machen, müssen die Umstände bezeichnet werden (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ), die den entscheidungserheblichen Mangel ergeben sollen (vgl zB BSG SozR 1500 § 160a Nr 14, 24, 36). Selbst wenn der in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG aufgrund vorheriger Mandatsniederlegung nicht mehr anwaltlich vertretene Kläger nicht in gleicher Weise wie rechtskundig vertretene Kläger darlegen müsste, dass er in der mündlichen Verhandlung einen Beweisantrag gestellt oder aufrechterhalten hat, ist nicht zu erwarten, dass der Kläger die sonstigen Voraussetzungen einer auf die Verletzung des § 103 SGG gestützten Verfahrensrüge wird zulässig darlegen können. Denn hierzu müsste er jedenfalls (1) die Rechtsauffassung des LSG wiedergeben, auf deren Grundlage bestimmte Tatfragen klärungsbedürftig hätten erscheinen müssen, (2) die von dem Beweisantrag betroffenen tatsächlichen Umstände aufzeigen, die zu weiterer Sachaufklärung Anlass gegeben hätten, (3) das voraussichtliche Ergebnis der unterbliebenen Beweisaufnahme angeben und (4) erläutern, weshalb die Entscheidung des LSG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 13 RdNr 11; BSG SozR 4-1500 § 160a Nr 21 RdNr 5; BSG SozR 4-1500 § 160 Nr 18 RdNr 8). Aller Voraussicht nach wird der Kläger tatsächliche Umstände nicht aufzeigen können, die trotz der Ausführungen der als sachverständige Zeugin befragten Privatdozentin Dr. W. (Leitende Oberärztin der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Epileptologie der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums T.) vom 8.3.2012 dem LSG zu weiterer Sachaufklärung unter dem rechtlichen Gesichtspunkt des Systemversagens oder des § 2 Abs 1a SGB V Anlass gegeben hätten.

2. Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 S 3 SGG zu verwerfen. Der Kläger hat sie gar nicht, erst recht nicht innerhalb der Begründungsfrist durch einen beim BSG zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG ) begründet (zum Erfordernis vgl § 160a Abs 2 S 1 und 2 SGG ). Dies gilt auch dann, wenn man aufgrund des Antrags seiner früheren Prozessbevollmächtigten vom 13.4.2015 zu seinen Gunsten von einer um einen Monat verlängerten Begründungsfrist (§ 160a Abs 2 S 2 SGG ) auszugehen hat und für den Lauf dieser Frist auf die am 26.6.2015 erfolgte Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses des Senats (19.6.2015) abstellt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Baden-Württemberg, vom 27.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen L 4 KR 3786/13
Vorinstanz: SG Reutlingen, - Vorinstanzaktenzeichen S 9 KR 82/11