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BSG - Entscheidung vom 27.04.2016

B 5 R 52/16 B

BSG, Beschluss vom 27.04.2016 - Aktenzeichen B 5 R 52/16 B

DRsp Nr. 2016/11335

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom 15. Dezember 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Urteil vom 15.12.2015 hat das LSG Sachsen-Anhalt einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung ihrer Regelaltersrente ohne Verrechnung von rückständigen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen nebst Säumniszuschlägen, Kosten und Gebühren verneint.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache iS von § 160 Abs 2 Nr 1 SGG und sinngemäß auf einen Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG .

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Eine Rechtssache hat nur dann grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Der Beschwerdeführer muss daher anhand des anwendbaren Rechts und unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeben, welche Fragen sich stellen, dass diese noch nicht geklärt sind, weshalb eine Klärung dieser Rechtsfragen aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts erforderlich ist, und dass das angestrebte Revisionsverfahren eine Klärung erwarten lässt. Ein Beschwerdeführer muss mithin, um seiner Darlegungspflicht zu genügen, eine Rechtsfrage, ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der von ihm angestrebten Entscheidung (so genannte Breitenwirkung) darlegen (zum Ganzen vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN; Fichte in Breitkreuz/Fichte, SGG , 2. Aufl 2014, § 160a RdNr 32 ff).

Die Klägerin misst insbesondere den Fragen grundsätzliche Bedeutung bei,

1. "ob für rechtskräftige Bescheide, denen eine Forderung zugrunde liegt, die letztendlich mit den Rentenansprüchen verrechnet wird",

2. "ob der Umstandsmoment der Verwirkung aufgrund der Tatsache, dass seit langer Zeit die Forderung, auf die der Berechtigte dringend angewiesen ist, nicht geltend gemacht wurde und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen - trotz Möglichkeit - nicht eingeleitet wurden, begründet ist",

3. "ob Krankenkassen im Hinblick auf die gesetzlich geregelten Säumniszuschläge, die zu sehr hohen Rückständen und zur Existenzgefährdung führen können, über Jahre zuwarten können, bis sich letztendlich mit der gesetzlichen Regelung der Verrechnung - die ausschließlich dem Sozialrecht vorbehalten ist - eine Verrechnungsmöglichkeit mit der durch jahrelange Arbeit verdienten Rente ergibt",

4. "ob im Bescheid, mit dem festgestellt wird, dass geschuldete Beiträge aus einer Beitragsschuld verrechnet werden, die Forderungen genau zu bezeichnen, zu beziffern und aufzulisten sind, so dass die Verpflichtete nachvollziehen kann, ob die Forderungsbeträge richtig berechnet wurden und die Verrechnung somit zulässig ist", und

5. "ob auch Nachzahlungsbeträge unter laufende Geldleistungen im Sinne des § 51 Abs. 2 SGB I zu subsumieren sind".

Hinsichtlich der Fragen 1. bis 4. wird die Klägerin bereits dem ersten Erfordernis nicht gerecht. Sie hat insoweit keine abstrakt-generellen Rechtsfragen zum Inhalt oder Anwendungsbereich einer revisiblen Norm (vgl § 162 SGG ) gestellt (vgl Senatsbeschluss vom 6.4.2010 - B 5 R 8/10 B - BeckRS 2010, 68786 RdNr 10; BSG Beschluss vom 5.11.2008 - B 6 KA 24/07 B - BeckRS 2009, 50073 RdNr 7). Die Formulierung einer abstrakten, aus sich heraus verständlichen Rechtsfrage ist jedoch unverzichtbar, damit das Beschwerdegericht an ihr die weiteren Voraussetzungen der Grundsatzrüge prüfen kann (Becker, SGb 2007, 261, 265; Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 6. Aufl 2011, Kap IX RdNr 181). Es gehört nicht zu den Aufgaben des BSG , den Vortrag der Klägerin darauf zu analysieren, ob sich ihm evtl eine entsprechende Rechtsfrage entnehmen ließe (vgl BSG SozR 3-1500 § 160a Nr 26 S 48).

Hinsichtlich der Frage 5. hat die Klägerin deren Klärungsbedürftigkeit nicht schlüssig dargetan.

Eine Rechtsfrage ist dann nicht klärungsbedürftig, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, sich zB unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder bereits höchstrichterlich geklärt ist. Als höchstrichterlich geklärt ist eine Rechtsfrage auch dann anzusehen, wenn das Revisionsgericht bzw das BVerfG diese zwar noch nicht ausdrücklich entschieden hat, jedoch schon eine oder mehrere höchstrichterliche Entscheidungen ergangen sind, die ausreichende Anhaltspunkte zur Beurteilung der von der Beschwerde als grundsätzlich herausgestellten Rechtsfrage geben (vgl BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 8 S 17). Im Hinblick hierauf muss in der Beschwerdebegründung unter Auswertung der Rechtsprechung des BSG zu dem Problemkreis substantiiert vorgetragen werden, dass das BSG zu diesem Fragenbereich noch keine Entscheidung gefällt oder durch die schon vorliegenden Urteile die hier maßgebende Frage von grundsätzlicher Bedeutung noch nicht beantwortet hat (Krasney/Udsching, aaO, Kap IX RdNr 183 mwN).

Hieran fehlt es. Die Beschwerdebegründung geht insbesondere nicht auf die Entscheidung des BSG vom 27.3.1996 ( 14 REg 10/95 - BSGE 78, 132 , 135 f = SozR 3-1200 § 51 Nr 5 S 17) ein, nach der zu den Ansprüchen auf laufende Geldleistungen iS von § 51 Abs 2 SGB I auch Nachzahlungen regelmäßig wiederkehrender Leistungen für bestimmte Zeitabschnitte gehören. Ebenso wenig setzt sich die Klägerin mit dem Urteil des BSG vom 16.12.2009 ( B 7 AL 43/07 R - Juris RdNr 17, 18) auseinander, in dem ausgeführt wird, dass ein Anspruch auf laufende Leistungen iS von § 51 Abs 2 SGB I auch dann vorliegt, wenn die Leistungen nachgezahlt werden. Die grundsätzliche Bedeutung ist auch ansonsten nicht zulässig dargelegt.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Die Klägerin rügt sinngemäß einen Verstoß gegen § 103 SGG .

Hierzu trägt sie vor: Das LSG habe in seiner Entscheidung zum Tatbestand der Verwirkung weder das Zeitmoment, noch ausgiebig das Umstandsmoment geprüft, sondern den Tatbestand der Verwirkung lediglich mit der Begründung abgelehnt, ein Umstandsmoment werde weder beschrieben noch sei ein Verwirkungsverhalten der Beigeladenen ersichtlich. Damit habe das Berufungsgericht gegen den ihm obliegenden Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Die Begründung zur Ablehnung der Verwirkung sei unzureichend.

Der Senat versteht das Vorbringen der Klägerin dahin, dass sie rügen will, das LSG habe keine ausreichenden Ermittlungen zum Vorliegen eines Verwirkungsverhaltens der Beigeladenen angestellt.

Mit dem so verstandenen Vorbringen der Klägerin ist ein Verstoß gegen die tatrichterliche Sachaufklärungspflicht iS von § 103 SGG nicht schlüssig dargetan. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde - wie bereits oben ausgeführt - auf eine Verletzung von § 103 SGG nur gestützt werden, wenn der Beschwerdeführer einen Beweisantrag gestellt hat, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Der Beschwerdebegründung ist nicht zu entnehmen, dass die Klägerin einen Beweisantrag zur Aufklärung bestimmter Verhaltensweisen der Beigeladenen gestellt hat.

Mit ihrem übrigen Vorbringen macht die Klägerin die sachliche Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung geltend. Hierauf kann indes nach § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gestützt werden.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG .

Vorinstanz: LSG Sachsen-Anhalt, vom 15.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 R 93/14
Vorinstanz: SG Halle, - Vorinstanzaktenzeichen 4 R 1293/11