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BSG - Entscheidung vom 21.04.2016

B 5 R 366/15 B

BSG, Beschluss vom 21.04.2016 - Aktenzeichen B 5 R 366/15 B

DRsp Nr. 2016/10858

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 10. August 2015 wird als unzulässig verworfen.

Die Beteiligten haben einander für das Beschwerdeverfahren keine Kosten zu erstatten.

Gründe:

Mit Urteil vom 10.8.2015 hat das LSG Rheinland-Pfalz einen Anspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt.

Gegen die Nichtzulassung der Revision in dieser Entscheidung hat der Kläger Beschwerde zum BSG eingelegt. Er beruft sich auf einen Verfahrensfehler.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG ),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG ), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht. Gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG kann der geltend gemachte Verfahrensmangel nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 S 1 SGG und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

Der Kläger rügt, das LSG habe sein Fragerecht verletzt. Damit macht er im Kern eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG , Art 103 Abs 1 GG ) geltend, der im Zusammenhang mit der Einholung von Sachverständigengutachten in § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397 , 402 , 411 Abs 4 ZPO eine spezifische Ausprägung erfahren hat ( BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 6, Nr 2 RdNr 4). Die Beschwerdebegründung erfüllt jedoch nicht die Anforderungen an die Bezeichnung eines solchen Verfahrensmangels.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des BSG , dass - unabhängig von der nach § 411 Abs 3 ZPO im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegenden Möglichkeit, zur weiteren Sachaufklärung von Amts wegen das Erscheinen des Sachverständigen zur mündlichen Verhandlung anzuordnen - jedem Beteiligten gemäß § 116 S 2, § 118 Abs 1 S 1 SGG iVm §§ 397 , 402 , 411 Abs 4 ZPO das Recht zusteht, einem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet ( BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7, Nr 2 RdNr 5; Senatsbeschluss vom 17.4.2012 - B 13 R 355/11 B - Juris RdNr 13; jeweils mwN; s auch BVerfG [Kammer] vom 3.2.1998 - 1 BvR 909/94 - Juris RdNr 11 f). Dies gilt auch dann, wenn die Sachverständige - wie hier - ein Gutachten auf Antrag des Beteiligten gemäß § 109 SGG erstellt hat ( BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 5 f; Senatsbeschluss aaO). Sachdienliche Fragen iS von § 116 S 2 SGG liegen dann vor, wenn sie sich im Rahmen des Beweisthemas halten und nicht abwegig oder bereits eindeutig beantwortet sind ( BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 10). Hierbei müssen keine Fragen formuliert werden; es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (vgl Senatsbeschluss aaO RdNr 15; BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1 S 5 f). Hingegen fehlt es an der Sachdienlichkeit, wenn der Antrag auf Anhörung des Sachverständigen rechtsmissbräuchlich gestellt ist, insbesondere wenn die Notwendigkeit einer Erörterung überhaupt nicht begründet wird oder nur beweisunerhebliche Fragen angekündigt werden (vgl BVerfG [Kammer] vom 29.8.1995 - 2 BvR 175/95 - Juris RdNr 29, mwN zur Rspr des BGH). Da das Fragerecht an den Sachverständigen der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs dient, ist weiterhin erforderlich, dass der Beteiligte alles getan hat, um die Anhörung des Sachverständigen zu erreichen. Dieser Obliegenheit ist er jedenfalls dann nachgekommen, wenn er einen darauf gerichteten Antrag rechtzeitig gestellt, dabei schriftlich objektiv sachdienliche Fragen angekündigt und das Begehren bis zuletzt aufrechterhalten hat ( BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1 RdNr 7).

Zur schlüssigen Bezeichnung (§ 160a Abs 2 S 3 SGG ) einer Verletzung des Rechts auf Befragung eines Sachverständigen muss sich hiernach aus der Beschwerdebegründung ergeben, (1) dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf Befragung des Sachverständigen gestellt und bis zum Schluss aufrechterhalten hat; (2) welche einer Erläuterung durch den Sachverständigen bedürftigen Punkte der Beschwerdeführer gegenüber dem LSG benannt hat; (3) aufgrund welcher Umstände die benannten Punkte sachdienlich waren; insbesondere ist bei einem Antrag auf wiederholte Befragung desselben Sachverständigen zu erläutern, weshalb die Punkte noch nicht durch bereits vorliegende Stellungnahmen des Sachverständigen geklärt waren; (4) aufgrund welcher Umstände der Antrag als rechtzeitig zu werten ist; (5) aufgrund welcher Umstände die angefochtene Entscheidung auf der unterlassenen Befragung des Sachverständigen beruhen kann.

Der Vortrag des Klägers entspricht diesen Anforderungen nicht. Der Kläger trägt vor, in der mündlichen Verhandlung vor dem LSG habe er beantragt

"hilfsweise die Einholung einer ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen Dr. B., ob die Bewältigungstendenzen des Klägers nur aufgrund von Hirnleistungsschwächen, schwerwiegenden psychischen Erkrankungen oder Persönlichkeitsstörungen eingeschränkt werden können und in welcher Weise und mit welchem Grad der Schwere dies auch auf die von Dr. B. darüber hinaus genannten Faktoren gestützt werden kann und im Falle des Klägers zu stützen ist".

Soweit dieses Vorbringen satzsemantisch überhaupt verständlich ist, bleibt jedenfalls offen, welche auf der Grundlage der insofern maßgeblichen Rechtsauffassung des Berufungsgerichts relevanten Umstände die begehrte weitere Klärung nach Auffassung des Klägers ergeben hätten und in welcher Weise sich diese jedenfalls im Sinne der Sachdienlichkeit objektiv verfahrensfördernd ausgewirkt hätten. Das Beschwerdevorbringen versäumt es indessen entgegen einer Vielzahl von Hinweisen an die Klägervertreter in gleichgelagerten Fällen bereits, den auf der maßgeblichen Grundlage der Rechtsauffassung des LSG von diesem festgestellten und in dem angestrebten Revisionsverfahren vom BSG grundsätzlich zu beachtenden (§ 163 SGG ) Sachverhalt mitzuteilen, um vor diesem stets unverzichtbaren Hintergrund den potenziellen Einfluss des behaupteten Verfahrensfehlers auf den angegriffenen Subsumtionsschluss schlüssig darzulegen. Die eigene Schilderung tatsächlicher Umstände in der Beschwerdebegründung steht in keinerlei erkennbarem Zusammenhang mit der tatrichterlichen Arbeit des Berufungsgerichts. Soweit der Kläger selbst ohne nähere Angaben immerhin auf die zeitliche Abfolge der während des Berufungsverfahrens eingeholten Gutachten eingeht, fehlen schlüssige Ausführungen, warum es weiterer Fragen an Dr. B. ungeachtet der später erfolgten Zuziehung von Dr. S. noch bedurft haben könnte.

Von einer weiteren Begründung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG ).

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG .

Vorinstanz: LSG Rheinland-Pfalz, vom 10.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 2 R 291/13
Vorinstanz: SG Koblenz, - Vorinstanzaktenzeichen 5 R 236/12