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BGH - Entscheidung vom 08.07.2016

V ZR 261/15

Normen:
WEG § 24
WEG § 24
WEG § 24

Fundstellen:
DStR 2016, 14
MDR 2016, 1441
NJW 2016, 8
NJW 2017, 666
NZM 2017, 95
ZMR 2016, 2
ZMR 2016, 976

BGH, Urteil vom 08.07.2016 - Aktenzeichen V ZR 261/15

DRsp Nr. 2016/17395

Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung; Mandantengespräch zwischen den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümer und ihrem Prozessbevollmächtigten während der Versammlung; Ordnungsmäßige Durchführung der Versammlung; Beschränkung der Revision auf einzelne Beschlussmängelgründe

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung für ein Mandantengespräch zwischen den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümer und ihrem Prozessbevollmächtigten entspricht nur bei Vorliegen besonderer Umstände ordnungsmäßiger Durchführung der Versammlung.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe - Zivilkammer XI - vom 17. November 2015 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Normenkette:

WEG § 24 ;

Tatbestand

Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft.

In der Eigentümerversammlung vom 17. Juli 2013 wurde ein Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin gefasst. Dieser Beschluss wurde auf die Anfechtungsklage der Klägerin und des Klägers hin von dem Amtsgericht für ungültig erklärt. Die Verwalterin hat das Urteil angefochten.

Am 21. März 2014 fand eine Eigentümerversammlung statt, in der unter TOP 4 eine Erörterung und gegebenenfalls Beschlussfassung über das weitere Vorgehen in dem anhängigen Rechtsstreit sowie die Abstimmung über einen Antrag auf einen Zweitbeschluss zur Wiederbestellung der Verwalterin vorgesehen war. An der Versammlung nahm auch der Kläger teil. Nachdem der Geschäftsführer der Verwalterin als Versammlungsleiter über den Stand des gerichtlichen Verfahrens berichtet hatte, rief er den Prozessbevollmächtigten, der - bis auf zwei Wohnungseigentümer - die übrigen Wohnungseigentümer in dem Anfechtungsverfahren vertrat, in den Versammlungsraum, damit dieser ein Mandantengespräch mit den anwesenden Eigentümern führen könne. Der Rechtsanwalt forderte den Kläger und die beiden Wohnungseigentümer, die er im Vorprozess nicht vertrat, zum Verlassen des Versammlungsraumes auf. Daraufhin unterbrach der Versammlungsleiter die Versammlung und verließ den Saal. Auch der Kläger und die beiden anderen Wohnungseigentümer verließen, allerdings unter Protest, den Raum. Später wurde die Versammlung in Anwesenheit der zuvor aus dem Saal geschickten Eigentümer sowie des Versammlungsleiters fortgeführt und nach erneuter Diskussion die Wiederbestellung der Verwalterin beschlossen.

Mit der Begründung, die Wiederbestellung der Verwalterin widerspreche wegen Fehlverhaltens in der Vergangenheit ordnungsmäßiger Verwaltung, haben die Kläger den Beschluss angefochten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Im Berufungsverfahren haben die Kläger aufgrund eines Hinweises des Landgerichts geltend gemacht, der Kläger sei zu Unrecht von der Versammlung ausgeschlossen worden. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

I.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in ZWE 2016, 141 abgedruckt ist, erging der Beschluss formell fehlerhaft. Die Mitwirkungsrechte des Klägers und der beiden anderen Wohnungseigentümer seien in erheblicher Weise verletzt worden, weil sie von dem Willensbildungsprozess der Eigentümer zu dem Tagesordnungspunkt 4 - getarnt als Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengesprächs - ausgeschlossen worden seien. Es sei nicht erkennbar, weshalb inmitten der Diskussion über die Wiederbestellung der Verwalterin ein gesondertes Mandantengespräch erforderlich gewesen sein sollte. Die formale Unterbrechung sei nicht mit einer fairen Versammlungsleitung vereinbar, da die Versammlung tatsächlich im exklusiven Kreis fortgesetzt und der Eindruck erweckt worden sei, die Verwalterin ließe die Wohnungseigentümer auf sich einschwören. Allerdings sei dieser Fehler nicht innerhalb der Anfechtungsfrist gerügt worden und könne daher nicht berücksichtigt werden. Ein Nichtigkeitsgrund liege trotz des böswilligen Teilnahmeausschlusses nicht vor. Bei einer Verletzung von Mitgliedschaftsrechten erfordere die Annahme der Nichtigkeit, dass die betroffenen Mitglieder in besonderer Weise schutzbedürftig und auf die Nichtigkeitsfolge in besonderer Weise angewiesen seien. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.

Die Wiederbestellung der Verwalterin widerspreche nicht den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Die ihr in der Vergangenheit bei der Verwaltung der Wohnungseigentumsanlage unterlaufenen Fehler seien zwar von einigem Gewicht, ließen ihre Wiederbestellung aber nicht als unvertretbar erscheinen.

II.

Das hält rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Revision ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Annahme des Berufungsgerichts wendet, die Wiederbestellung der Verwalterin entspreche trotz Fehler bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ordnungsmäßiger Verwaltung. Dieser von den Klägern geltend gemachte Beschlussmangelgrund ist von der Zulassungsentscheidung des Berufungsgerichts nicht erfasst.

a) Die Zulassung der Revision kann auf einen tatsächlich und rechtlich selbständigen und damit abtrennbaren Teil des Gesamtstreitstoffs beschränkt werden, auf den auch die Partei selbst ihre Revision beschränken könnte. Dafür reicht es aus, dass der von der Zulassungsbeschränkung betroffene Teil des Streits in tatsächlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden kann und nach einer Zurückverweisung eine Änderung des von der beschränkten Zulassung erfassten Teils nicht in die Gefahr eines Widerspruchs zu dem nicht anfechtbaren Teil gerät. Solche abtrennbaren Teile des Streitstoffs können auch einzelne Beschlussmängelgründe sein (Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 198/14, ZWE 2015, 410 Rn. 7).

b) Gemessen daran hat das Berufungsgericht die Zulassung der Revision wirksam auf die Frage beschränkt, ob der Beschluss über die Wiederbestellung der Verwalterin wegen einer Verletzung der Mitgliedschaftsrechte des Klägers nichtig ist. Die Frage, ob die Vorgänge in der Eigentümerversammlung zur Nichtigkeit des anschließend gefassten Beschlusses führen, und die Frage, ob die Wahl der Verwalterin wegen ihr bei der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums unterlaufener Fehler ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, können angesichts der unterschiedlichen, nicht in einem Zusammenhang stehenden zugrundeliegenden Lebenssachverhalte voneinander unabhängig beantwortet werden.

2. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft über die Wiederbestellung der Verwalterin ist nicht nichtig.

a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist die während der Dauer der Unterbrechung der Wohnungseigentümerversammlung geführte Unterredung der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten nicht als Teil der Eigentümerversammlung zu qualifizieren. Durch den Ausschluss des Klägers und zweier weiterer Wohnungseigentümer von diesem Gespräch sind diese daher nicht in ihrem Recht auf Teilnahme an der Wohnungseigentümerversammlung (vgl. dazu Senat, Urteil vom 10. Dezember 2010 - V ZR 60/10, NJW 2011, 679 Rn. 8) beschnitten worden.

aa) Wird eine Eigentümerversammlung von dem Versammlungsleiter unterbrochen, sind die während der Unterbrechung geführten Unterredungen zwischen den Eigentümern untereinander oder mit einem externen Dritten nicht Bestandteil der Eigentümerversammlung. Ein Ausschluss einzelner Wohnungseigentümer von einem während der Unterbrechung geführten Gespräch einer Gruppe von Wohnungseigentümern stellt daher keinen Ausschluss von der Wohnungseigentümerversammlung dar. Unterredungen der Wohnungseigentümer während einer Unterbrechung sind auch dann nicht als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu qualifizieren, wenn kein sachlicher Grund für eine Unterbrechung bestand. Das Fehlen eines sachlichen Grundes für die Vornahme einer Unterbrechung kann dazu führen, dass die Entscheidung über die Unterbrechung ermessensfehlerhaft ist, ändert aber nichts daran, dass während der Unterbrechung gerade keine Eigentümerversammlung stattfindet. Ebenso wenig werden während der Unterbrechung geführte Gespräche der Wohnungseigentümer dadurch zu solchen der Eigentümerversammlung, dass sie einen sachlichen Bezug zu den Themen der Eigentümerversammlung aufweisen, was nicht selten bei einer Unterbrechung der Fall ist.

bb) Danach ist durch den Ausschluss des Klägers von dem Mandantengespräch dessen Recht auf Teilnahme an der Eigentümerversammlung nicht beschränkt worden. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte der Versammlungsleiter die Eigentümerversammlung formal unterbrochen, bevor die Wohnungseigentümer - unter Abwesenheit des Versammlungsleiters - das Gespräch mit ihrem Rechtsanwalt aufnahmen. Soweit das Berufungsgericht darauf abstellt, es sei weder ersichtlich, dass das Gespräch auf einem Wunsch der Eigentümer beruht habe, noch erkennbar, weshalb inmitten der Diskussion über die Wiederbestellung der Verwalterin ein gesondertes Mandantengespräch erforderlich gewesen sei, betrifft dies die Frage, ob die Entscheidung über die Unterbrechung ermessensfehlerhaft war, führt aber nicht dazu, dass die während der Unterbrechung geführte Unterredung eines Teils der Wohnungseigentümer mit ihrem Prozessbevollmächtigten als Fortsetzung der Eigentümerversammlung zu bewerten ist.

b) Die Entscheidung des Versammlungsleiters über die Vornahme einer Unterbrechung war jedoch ermessensfehlerhaft.

aa) Der Versammlungsleiter hat die Befugnis, die Eigentümerversammlung zu unterbrechen, wenn dies ordnungsmäßiger Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung entspricht (Bärmann/Merle, WEG , 13. Aufl., § 24 Rn. 115; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 24 WEG Rn. 103). Er entscheidet über die Vornahme einer - auf ein angemessenes zeitliches Maß beschränkten - Unterbrechung nach pflichtgemäßem Ermessen (Schmidt, AnwZert MietR 6/2012 Anm.1).

Die Unterbrechung einer Wohnungseigentümerversammlung zu dem Zweck, den von einem Beschlussanfechtungsverfahren betroffenen Wohnungseigentümern ein Informationsgespräch mit ihrem Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen, entspricht regelmäßig nicht einer ordnungsmäßigen Durchführung der Wohnungseigentümerversammlung. Zwar liegt es im Interesse der Wohnungseigentümer, sich durch ihren Prozessbevollmächtigten über einen laufenden Anfechtungsprozess, dessen Ausgang, mögliche Konsequenzen und die weitere Vorgehensweise zu informieren und rechtlich beraten zu lassen. Eine sachgerechte Beratung hierzu erfordert es aber nicht, das Mandantengespräch auf den Zeitpunkt einer bereits laufenden Eigentümerversammlung zu legen. Vielmehr ist es den Wohnungseigentümern zumutbar, Informationsgespräche mit ihrem Prozessbevollmächtigten zeitlich so zu legen, dass die Eigentümerversammlung hiervon unberührt bleibt (vgl. Drasdo, NZM 2016, 174, 176; Dötsch, jurisPR-MietR 12/2016 Anm. 5). Nur bei Vorliegen besonderer Umstände, etwa wenn ein Beratungsbedarf erst aufgrund der in der Eigentümerversammlung geführten Diskussion zu einem bestimmten Tagesordnungspunkt entsteht, kann eine Unterbrechung zum Zwecke eines Mandantengespräches in Betracht kommen.

bb) Besondere Umstände, die eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung für ein Gespräch von Wohnungseigentümern mit ihrem Prozessbevollmächtigten sachlich geboten hätten, liegen hier nicht vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Versammlungsleiter die Eigentümerversammlung unmittelbar nach Aufruf von TOP 4 und dem anschließenden Bericht über den Stand des gerichtlichen Verfahrens unterbrochen, damit der Prozessbevollmächtigte mit den von ihm vertretenen Wohnungseigentümern ein Mandantengespräch führen könne. Das Berufungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass eine Notwendigkeit für ein gesondertes Mandantengespräch inmitten der Eigentümerversammlung nicht erkennbar sei. Das Versammlungsprotokoll enthält keinen Hinweis darauf, dass sich ein Gesprächsbedarf während einer Diskussion zu einem Tagesordnungspunkt ergeben hatte und deshalb aus den Reihen der Wohnungseigentümer der Wunsch nach einem Beratungsgespräch mit ihrem Rechtsanwalt geäußert worden war. Vielmehr hat der Geschäftsführer der Verwalterin ohne erkennbaren Anlass den Rechtsanwalt in den Versammlungsraum gebeten und sodann die Eigentümerversammlung zum Zwecke eines Mandantengespräches unterbrochen. Damit fehlte es nicht nur an dem erforderlichen sachlichen Grund für eine Unterbrechung; vielmehr war die Vorgehensweise des Versammlungsleiters auch geeignet, bei den ausgeschlossenen Wohnungseigentümern den Anschein zu erwecken, dass die Verwalterin einseitig die Interessen einer Eigentümergruppe wahrnimmt und damit gegen ihre Neutralitätspflicht verstößt.

Hinzukommt, dass der Versammlungsleiter die Unterbrechung, die sich nach den Angaben der Kläger auf eine Stunde erstreckt haben soll, nicht auf einen vorher bestimmten Zeitraum begrenzt hatte, sondern die von dem Mandantengespräch ausgeschlossenen Wohnungseigentümer über den Zeitpunkt der Fortsetzung der Wohnungseigentümerversammlung völlig im Ungewissen ließ. Eine Unterbrechung der Eigentümerversammlung ohne eine zumindest ungefähre vorhergehende Festlegung der Unterbrechungsdauer ist mit einer ordnungsmäßigen Versammlungsführung nicht vereinbar.

c) Ob die ermessensfehlerhafte Unterbrechung der Eigentümerversammlung hier die Anfechtbarkeit des im Anschluss an die Unterbrechung gefassten Beschlusses zur Folge hat, muss nicht geklärt werden, da die Kläger den Fehler nicht innerhalb der Anfechtungsbegründungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gerügt haben. Die Klage könnte nur Erfolg haben, wenn der Beschluss nach § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nichtig ist (vgl. Senat, Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08, BGHZ 182, 307 Rn. 19). Dies ist aber nicht der Fall, da auch eine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung formaler Gestaltungsmöglichkeiten nicht ausreichen würde, um die Nichtigkeit eines Beschlusses zu begründen (vgl. Bärmann/Merle, WEG , 13. Aufl., § 23 Rn. 138).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Verkündet am: 8. Juli 2016

Vorinstanz: AG Karlsruhe, vom 25.02.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 9 C 152/14
Vorinstanz: LG Karlsruhe, vom 17.11.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 11 S 46/15
Fundstellen
DStR 2016, 14
MDR 2016, 1441
NJW 2016, 8
NJW 2017, 666
NZM 2017, 95
ZMR 2016, 2
ZMR 2016, 976