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BGH - Entscheidung vom 13.01.2016

XII ZB 102/13

Normen:
BGB § 1908d Abs. 1
BGB § 1901 Abs. 5
BGB § 242
FamFG § 302 S. 1
BGB §§ 1836 Abs. 1
BGB § 1908i Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 13.01.2016 - Aktenzeichen XII ZB 102/13

DRsp Nr. 2016/3147

Rechtmäßigkeit einer Unterbringungsgenehmigung wegen einer medikamenteninduzierten floriden manischen Psychose sowie Überprüfung eines Vergütungsfestsetzungsantrags des Betreuers im Hinblick auf mangelhafte Amtsführung

Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 16. Januar 2013 - 5 T 555/12 - aufgehoben.

Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Altenburg vom 14. Dezember 2011 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei. Die außergerichtlichen Kosten des weiteren Beteiligten hat die Betroffene zu tragen.

Beschwerdewert: 867 €

Normenkette:

BGB § 1908d Abs. 1 ; BGB § 1901 Abs. 5 ; BGB § 242 ; FamFG § 302 S. 1; BGB §§ 1836 Abs. 1 ; BGB § 1908i Abs. 1 S. 1;

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um Betreuervergütung.

Für die Betroffene wurde mit Beschluss vom 30. Juni 2011 im Wege der einstweiligen Anordnung wegen einer medikamenteninduzierten floriden manischen Psychose eine vorläufige Betreuung eingerichtet. Diese war bis zum 30. Dezember 2011 befristet. Der weitere Beteiligte (im Folgenden: Betreuer) wurde zum Betreuer mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge sowie Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung bestellt. Mit Beschluss vom selben Tag genehmigte das Betreuungsgericht die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung. Am 18. Juli 2011 teilte der behandelnde Stationsarzt dem Betreuungsgericht mit, dass Betreuung und Unterbringung aufgehoben werden könnten, da der psychotische Zustand abgeklungen sei. Die zuständige Betreuungsrichterin telefonierte daraufhin mit dem Betreuer und vermerkte in der Akte, dieser werde nach Prüfung seinerseits "den erforderlichen Antrag" stellen, erst dann könne das Gericht tätig werden. Am 19. Juli 2011 stimmte der Betreuer der Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung zu. Das Betreuungsgericht hob diese am 21. Juli 2011 auf. Am 1. Dezember 2011 teilte der Betreuer mit, dass eine Weiterführung der Betreuung über den 30. Dezember 2011 hinaus nicht erforderlich sei. Die Betroffene habe sich trotz entsprechender Aufforderung nicht mit ihm in Verbindung gesetzt.

Das Amtsgericht hat die Vergütung des Betreuers für den Zeitraum vom 1. Juli 2011 bis zum 30. September 2011 antragsgemäß zur Zahlung aus dem Vermögen der Betroffenen festgesetzt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht den amtsgerichtlichen Beschluss abgeändert und den Vergütungsfestsetzungsantrag des Betreuers für die Zeit ab 22. Juli 2011 zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Betreuer die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Betreuer habe zwar Anspruch auf Vergütung für seine Amtsführung. Dieser Anspruch ende erst durch die ausdrückliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB . Auch seien im Vergütungsfestsetzungsverfahren Gegenansprüche der Betroffenen wegen mangelhafter Amtsführung des Betreuers nicht zu prüfen. Die Geltendmachung der Betreuervergütung stelle vorliegend aber eine unzulässige Rechtsausübung gemäß § 242 BGB dar, weshalb ein Vergütungsanspruch nur bis zum Zeitpunkt der Aufhebung des Beschlusses betreffend die Unterbringung in Betracht komme. Den Betreuer treffe aus § 1901 Abs. 5 BGB die Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass die Betreuung nicht unnötig lange bestehe. Angesichts des ärztlichen Schreibens vom 18. Juli 2011, dessentwegen die Betreuung schnellstmöglich habe aufgehoben werden müssen, hätten sowohl das Betreuungsgericht als auch der Betreuer von Amts wegen tätig werden müssen. Der Betreuer habe jedoch - obwohl mit der Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen betraut - keinen Anlass gesehen, das Gericht auf seinen Rechtsirrtum hinzuweisen, wonach es zur Aufhebung der Betreuung eines Antrags des Betreuers bedürfe. Bei derartig eklatantem Fehlverhalten sowohl des Gerichts als auch des Betreuers sei es nicht hinnehmbar, dass der Betreuer eine Vergütung für den gesamten Zeitraum seiner Bestellung beanspruche. Dies könne auch vom Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass der Vergütungsanspruch in dem durch § 5 VBVG pauschal festgelegten Umfang für den gesamten Zeitraum der Betreuung besteht. Eine im Wege der einstweiligen Anordnung erfolgte vorläufige Betreuerbestellung wie die vorliegende tritt gemäß § 302 Satz 1 FamFG mit dem im Beschluss bezeichneten Zeitpunkt, spätestens aber nach sechs Monaten außer Kraft, wenn sie nicht nach § 302 Satz 2 FamFG verlängert wurde. Vor diesem Außerkrafttreten endet die vorläufige Betreuung nur durch eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung gemäß § 1908 d BGB . Die letztgenannte Regelung dient der Klarheit der Rechtsverhältnisse. Denn es ist vielfach zweifelhaft und erst durch gerichtliche Ermittlungen zu klären, ob die Voraussetzungen für eine Betreuung nicht mehr vorliegen (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 508/14 - FamRZ 2015, 1709 Rn. 9 mwN). Auch wenn die Betreuung zu Unrecht angeordnet ist, berührt dies den Vergütungsanspruch nicht (Senatsbeschluss vom 20. August 2014 - XII ZB 479/12 - FamRZ 2014, 1778 Rn. 11; MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1836 Rn. 3 mwN). Dem Rechtspfleger ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren grundsätzlich lediglich die Prüfung übertragen, ob und wann die gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB iVm § 23 c Abs. 2 GVG , § 19 Abs. 1 Satz 1 Ziff. 1 RPflG dem Richter vorbehaltene Aufhebung der Betreuung erfolgt ist, nicht aber, ob die Aufhebung früher hätte erfolgen können (vgl. Senatsbeschluss vom 11. April 2012 - XII ZB 459/10 - FamRZ 2012, 1051 Rn. 25).

b) Im Ausgangspunkt zu Recht hat das Beschwerdegericht weiterhin angenommen, dass der sich aus § 242 BGB ergebende Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Vergütungsfestsetzungsverfahren vom Rechtspfleger zu berücksichtigen ist. Insoweit kann der Grundsatz, dass ein Betreuer nach §§ 1836 Abs. 1 , 1908 i Abs. 1 Satz 1 BGB , 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG eine Vergütung verlangen kann, wenn er wirksam bestellt ist, im Einzelfall eine Modifikation erfahren. Dies bedeutet zwar nicht, dass der Rechtspfleger im Vergütungsfestsetzungsverfahren verpflichtet ist, eigene Ermittlungen anzustellen, ob ein treuwidriges Verhalten vorliegt. Wenn allerdings die tatsächlichen Umstände, die Anknüpfungspunkte für die Annahme treuwidrigen Verhaltens sind, feststehen, muss der Rechtspfleger § 242 BGB im Vergütungsfestsetzungsverfahren zur Anwendung bringen (Senatsbeschlüsse vom 28. Juli 2015 - XII ZB 508/14 - FamRZ 2015, 1709 Rn. 15 und vom 5. November 2014 - XII ZB 186/13 - FamRZ 2015, 248 Rn. 20).

c) Das Beschwerdegericht hat allerdings rechtsfehlerhaft angenommen, dass § 242 BGB der beantragten Festsetzung der Betreuervergütung über den Zeitpunkt der Aufhebung des die Unterbringung genehmigenden Beschlusses des Betreuungsgerichts hinaus entgegenstehe, weil eine unzulässige Rechtsausübung vorliege.

Beruft sich ein Berechtigter auf eine formale Rechtsposition, die er durch ein gesetz-, sitten- oder vertragswidriges Verhalten erlangt hat, kann ihm der Verpflichtete nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB ) den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten (Senatsbeschluss vom 20. März 2013 - XII ZB 81/11 - FamRZ 2013, 1022 Rn. 18 mwN).

aa) Dem Betreuer kann eine in diesem Sinne unzulässige Rechtsausübung nicht unter dem Gesichtspunkt vorgeworfen werden, er sei nach § 1901 Abs. 5 BGB verpflichtet gewesen, dafür Sorge zu tragen, dass die Betreuung nicht unnötig lange aufrechterhalten bleibt. Eine solche Pflicht kann § 1901 Abs. 5 BGB nicht entnommen werden. Nach § 1901 Abs. 5 Satz 1 BGB hat der Betreuer, dem Umstände bekannt werden, die eine Aufhebung der Betreuung ermöglichen, diese dem Betreuungsgericht mitzuteilen. Damit wird lediglich eine nach ihrem Inhalt klar umrissene Mitteilungspflicht des Betreuers gegenüber dem Betreuungsgericht normiert, nicht jedoch eine allgemeine Pflicht des vom Beschwerdegericht angenommenen Inhalts. Eine Mitteilung nach § 1901 Abs. 5 Satz 1 BGB durch den Betreuer war, worauf auch die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist, vorliegend jedoch nicht veranlasst, da das Betreuungsgericht bereits durch das ärztliche Schreiben vom 18. Juli 2011 hinreichend darüber informiert war, dass die Umstände, deretwegen die Betreuung angeordnet worden war, weggefallen waren.

bb) Der Einwand unzulässiger Rechtsausübung kann dem Betreuer auch nicht deshalb entgegengehalten werden, weil er verpflichtet gewesen wäre, das Betreuungsgericht auf dessen fehlerhafte Rechtsauffassung hinzuweisen, dass es zur Aufhebung der Betreuung eines Antrags des Betreuers bedürfe. Insoweit hat das Beschwerdegericht bereits nicht festgestellt, dass der Betreuer von dieser Rechtsauffassung überhaupt Kenntnis hatte bzw. davon, dass diese fehlerhafte Rechtsauffassung des Betreuungsgerichts der Grund für die Aufrechterhaltung der Betreuung war. Aus dem Vermerk der zuständigen Betreuungsrichterin lässt sich dies jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen. Aber auch unabhängig davon liegt der Schwerpunkt des Fehlverhaltens, an das für § 242 BGB angeknüpft werden könnte, insoweit beim Betreuungsgericht, so dass bereits deshalb nicht davon ausgegangen werden kann, der Betreuer habe mit seinem Vergütungsfestsetzungsantrag seine formale Rechtsstellung in unzulässiger Weise ausgenutzt.

cc) Eine unzulässige Rechtsausübung kommt schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass der Vermerk der zuständigen Betreuungsrichterin möglicherweise dahingehend verstanden werden kann, der Betreuer habe dem Betreuungsgericht eine Prüfung zugesagt, ob die Voraussetzungen der Betreuung weggefallen waren, die er sodann abredewidrig nicht durchgeführt hat. Abgesehen davon, dass der Betreuer geltend gemacht hat, er habe die Betroffene nach der Aufhebung der Unterbringungsgenehmigung - allerdings erfolglos - kontaktiert, hätte dem Betreuungsgericht auf der Grundlage des ärztlichen Schreibens vom 18. Juli 2011 klar sein müssen, dass die Gründe, deretwegen die Betreuung angeordnet worden war, sämtlich weggefallen waren, so dass es bereits deshalb keinen Grund für eine weitere Prüfung durch den Betreuer und damit auch keinen Anlass zu weiterem Zuwarten des Betreuungsgerichts gab.

Vorinstanz: LG Gera, vom 16.01.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 555/12
Vorinstanz: AG Altenburg, vom 14.12.2011 - Vorinstanzaktenzeichen XVII 242/11