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BGH - Entscheidung vom 09.03.2016

VII ZB 68/13

Normen:
ZPO § 829
EStG § 76 S. 1
ZPO § 829
EStG § 76 S. 1
ZPO § 829
EStG § 76 S. 1
StGB § 263

Fundstellen:
FamRB 2016, 314
FamRZ
FuR 2016, 529
MDR 2016, 671
NJW-RR 2016, 575
WM 2016, 791
ZInsO 2016, 967

BGH, Beschluss vom 09.03.2016 - Aktenzeichen VII ZB 68/13

DRsp Nr. 2016/7711

Pfändung von Ansprüchen des Schuldners auf Zahlung von Kindergeld aus einem Titel über einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung; Antrag des Gläubigers auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses

Aus einem Titel über einen Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung (§ 263 StGB ) im Zusammenhang mit dem Kauf von Kinderschuhen können Ansprüche der Schuldnerin auf Zahlung von Kindergeld nicht gepfändet werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Verden vom 28. November 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 829 ; EStG § 76 S. 1; StGB § 263 ;

Gründe

I.

Die Gläubigerin betreibt die Zwangsvollstreckung aus einem Versäumnisurteil, durch das die Schuldnerin zur Zahlung von 49,95 € zuzüglich Zinsen und außergerichtlicher Rechtsverfolgungskosten an die Gläubigerin verurteilt worden ist. Ferner ist festgestellt worden, dass die Schuldnerin die Forderungen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung gemäß § 263 StGB schuldet. Der Verurteilung liegt ein Kauf von Kinderschuhen der Größe 25 für ein Kind der Schuldnerin bei der Gläubigerin zugrunde.

Auf Antrag der Gläubigerin hat das Amtsgericht - Vollstreckungsgericht am 18. Oktober 2012 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss erlassen, durch den der Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des fälligen und künftigen Kindergeldes gegenüber der Drittschuldnerin, das Kind betreffend, gepfändet worden ist. Auf die sofortige Beschwerde der Drittschuldnerin hat das Beschwerdegericht den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgehoben.

Mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Gläubigerin ihren Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses weiter.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat angenommen, dass die Gläubigerin den Anspruch der Schuldnerin auf Auszahlung des Kindergeldes gegen die Drittschuldnerin nach § 76 EStG nicht pfänden könne. In § 76 Satz 1 EStG sei festgelegt, dass der Anspruch auf Kindergeld nur wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche eines Kindes, das bei der Festsetzung des Kindergeldes berücksichtigt wird, gepfändet werden könne. Daraus folge auch, dass wegen der Forderung eines Dritten selbst aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung des Vollstreckungsschuldners die Pfändung ausgeschlossen sei.

Diese eindeutige gesetzliche Regelung lasse eine andere Auslegung und Entscheidung nicht zu. Der Gläubigerin sei zuzugestehen, dass es unbillig erscheine, dass die Schuldnerin das Kindergeld ungekürzt einziehe, eine notwendige Besorgung für das Kind (hier der Kauf von Kinderschuhen) aber durch betrügerische Handlung unter Nichtzahlung des Kaufpreises vornehme, ohne das erhaltene Kindergeld hierfür einzusetzen.

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts hält der rechtlichen Überprüfung stand.

a) Die Beschwerde zieht zu Recht nicht in Zweifel, dass die Voraussetzungen des § 76 Satz 1 EStG , unter denen der Anspruch auf Kindergeld ausnahmsweise der Pfändung unterliegt, nicht vorliegen. Die Zwangsvollstreckung erfolgt nicht wegen gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes.

b) Die von der Beschwerde gewünschte teleologische Erweiterung der Vorschrift auf Fälle, in denen die Pfändung des Anspruchs auf Kindergeld wegen solcher Ansprüche erfolgt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen, ist nicht möglich.

In Betracht zu ziehen wäre allenfalls eine entsprechende Anwendung des § 76 Satz 1 EStG für Fälle der vorliegenden Art. Die Voraussetzungen einer Analogie zu der dort genannten Ausnahme werden von der Beschwerde weder dargelegt noch liegen sie vor. Soweit ersichtlich wird auch von niemandem vertreten, dass die Vorschrift auf derartige Ansprüche analog anzuwenden wäre (vgl. etwa OVG Magdeburg, NvWZ-RR 2000, 326, [...] Rn. 49 m.w.N.; Zöller/Stöber, ZPO , 31. Aufl., § 829 Rn. 35; Wendl in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand: Dezember 2015, § 76 EStG Rn. 6).

aa) Es spricht schon nichts dafür, dass das Gesetz eine planwidrige Lücke aufweist. Es erscheint ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber übersehen haben könnte, dass es Ansprüche Dritter gibt, die mit dem Unterhalt des Kindes in einem inneren Zusammenhang stehen. Denn solche Ansprüche entstehen regelmäßig in großer Zahl bei der Versorgung eines Kindes.

bb) Es fehlt außerdem aus mehreren Gründen an einer vergleichbarenInteressenlage.

Die grundsätzliche Unpfändbarkeit des Anspruchs auf Kindergeld dient dazu sicherzustellen, dass dem Kindergeldberechtigten das Geld auch tatsächlich zufließt, damit er ungehindert hierüber zu Gunsten des Kindes verfügen kann; mittelbar wird damit auch das Kind geschützt, dem das Kindergeld zu Gute kommen soll (vgl. Felix in Kirchhof, EStG , 14. Aufl., § 76 Rn. 1). Diese Unpfändbarkeit würde sich jedoch ihrem Sinn zuwider nachteilig für das begünstigte Kind auswirken, wenn dessen gesetzliche Unterhaltsansprüche nicht erfüllt werden und im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden sollen. Deshalb ist wegen dieser Ansprüche die Pfändung möglich, wodurch im Ergebnis das Kindergeld direkt dem Kind zufließen kann.

Eine Erweiterung dieser Ausnahme von der Unpfändbarkeit des Kindergeldanspruchs zugunsten von Ansprüchen, die in einem inneren Zusammenhang mit dem Unterhalt des Kindes stehen, kann mit diesen Erwägungen nicht begründet werden. Sie ist nicht geboten, um zu verhindern, dass das Kind durch die Unpfändbarkeit Nachteile erleidet.

Schließlich ist es außerdem nicht in gleicher Weise wie bei der Qualifizierung als gesetzlicher Unterhaltsanspruch möglich, mit hinreichender Klarheit für das Vollstreckungsverfahren zu bestimmen, wegen welcher sonstigen Ansprüche eine Pfändung zulässig sein sollte.

cc) Die Auffassung der Gläubigerin, sie habe dem Kind durch die Lieferung der Schuhe eine Unterhaltssachleistung erbracht, trifft nicht zu. Selbst in einem solchen Fall wäre sie nicht Inhaberin gesetzlicher Unterhaltsansprüche des Kindes. Solche sind dementsprechend auch nicht zu ihren Gunsten tituliert.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: AG Nieburg, vom 18.10.2012 - Vorinstanzaktenzeichen M 1395/12
Vorinstanz: LG Verden, vom 28.11.2013 - Vorinstanzaktenzeichen 6 T 128/13
Fundstellen
FamRB 2016, 314
FamRZ
FuR 2016, 529
MDR 2016, 671
NJW-RR 2016, 575
WM 2016, 791
ZInsO 2016, 967