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BGH - Entscheidung vom 30.06.2016

V ZB 33/16

Normen:
WÜK Art. 36 Abs. 1 Buchst. b)

BGH, Beschluss vom 30.06.2016 - Aktenzeichen V ZB 33/16

DRsp Nr. 2016/12756

Haftanordnung zur Sicherung der Zurückschiebung eines somalischen Staatsangehörigen; Stützung der Verfahrensrüge auf die unterbliebene Unterrichtung der somalischen Botschaft

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 3. Februar 2016 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

WÜK Art. 36 Abs. 1 Buchst. b);

Gründe

I.

Der Betroffene, ein somalischer Staatsangehöriger, reiste am 2. Dezember 2015 ohne gültige Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland ein. Bei einer polizeilichen Kontrolle wies er sich mit einer auf eine andere Person ausgestellten italienischen Identitätskarte aus. Eine Recherche in dem EURODAC-Register ergab, dass er in Italien einen Asylantrag gestellt hatte.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht am 3. Dezember 2015 Haft zur Sicherung der Zurückschiebung nach Italien bis zum 14. Januar 2016 angeordnet. Dagegen hat sich der Betroffene mit der Beschwerde gewendet. In der Beschwerdebegründung vom 21. Dezember 2015 hat er mitgeteilt, dass er seine Frau mit seinen drei Kindern, von denen eines am 18. Dezember 2015 geboren sei, in Norddeutschland ausfindig gemacht habe. Daraufhin ist er am 23. Dezember 2015 aus der Haft entlassen worden. Mit der Rechtsbeschwerde will er die Rechtswidrigkeit der Haft feststellen lassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Ihre auf die unterbliebene Unterrichtung der somalischen Botschaft gestützte Verfahrensrüge hat im Ergebnis keinen Erfolg.

a) Zutreffend ist allerdings im Ausgangspunkt, dass die somalische Botschaft auf den Wunsch des Betroffenen gemäß Art. 36 Abs. 1 b) WÜK über die Inhaftierung unterrichtet werden musste. Dies ist unterblieben. Das Amtsgericht hat vermerkt, dass es seit dem Jahr 2000 keine somalische Botschaft mehr gebe, was nach den von der Rechtsbeschwerde vorgelegten Unterlagen unzutreffend ist. Zur Rechtswidrigkeit der Haft führt ein Verstoß gegen die in Art. 36 Abs. 1 b) WÜK vorgesehene Unterrichtungspflicht nach der neueren Rechtsprechung des Senats jedoch nur dann, wenn das Verfahren bei pflichtgemäßem Vorgehen zu einem anderen Ergebnis hätten führen können. Das hat der Betroffene darzulegen (Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZB 79/15, NVwZ 2016, 711 Rn. 12).

b) Die Rechtsbeschwerde stützt sich auf die Überlegung, es sei immerhin möglich gewesen, über die somalische Botschaft den Kontakt zu der Ehefrau herzustellen; dann hätte sich schon früher ergeben, dass die Rücküberstellung der Familie nach Italien nicht mehr ohne weiteres in Betracht komme. Die erforderliche Darlegung, dass bei pflichtgemäßem Verhalten ein anderer Ausgang des Verfahrens zumindest möglich gewesen wäre, lässt sich daraus nicht entnehmen.

aa) Sofern der Botschaft nur dieselben Erkenntnisquellen wie Polizei und Gericht zur Verfügung standen, ist auszuschließen, dass infolge ihrer Einschaltung der Aufenthaltsort der Ehefrau früher - also noch während der knapp dreiwöchigen Haft - ermittelt worden wäre. Denn bei der polizeilichen Anhörung nach der Festnahme gab der Betroffene an, seine Ehefrau heiße S. H. , sie sei am 1. März 1980 geboren. Er kenne weder ihren Aufenthaltsort noch eine Telefonnummer. In der Anhörung vor dem Amtsgericht gab er an, seine Frau befinde sich vielleicht in Deutschland. Über Dokumente, die die Identität seiner Frau betreffen, oder eine Heiratsurkunde verfügte der Betroffene nicht. Eine Schwangerschaft der Ehefrau erwähnte er nicht. Die Bundespolizei konnte die Ehefrau anhand der Angaben des Betroffenen nicht ermitteln, und das Amtsgericht wertete diese als Schutzbehauptung. Erst als der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen in der Beschwerdebegründung andere Angaben zu dem Namen und Geburtsdatum der Ehefrau machte (nämlich S. H. A. , geboren 18. August 1980), und eine Adresse in Norddeutschland benannte, konnte ein Kontakt hergestellt werden; dabei wurde erstmals bekannt, dass sie soeben ein Kind geboren hatte. Hierzu hat der Betroffene in der Anhörung vor dem Landgericht erklärt, er habe seine Ehefrau über in Schweden lebende somalische Bekannte ausfindig gemacht.

bb) Dass die Botschaft über bessere Erkenntnisquellen als Polizei und Gericht verfügte, legt der Betroffene nicht dar. Insbesondere trägt er nicht vor, dass er der Botschaft weitergehende Informationen hätte zukommen lassen, oder dass die Ehefrau ihrerseits Kontakt zu der Botschaft aufgenommen hatte, dieser also ihr Aufenthaltsort in Deutschland und die familiäre Verbindung mit dem Betroffenen bekannt war.

2. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.

Vorinstanz: AG Rosenheim, vom 03.12.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 1 XIV 168/15
Vorinstanz: LG Traunstein, vom 03.02.2016 - Vorinstanzaktenzeichen 4 T 4442/15