Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 01.03.2016

VIII ZB 57/15

Normen:
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 233 Fc
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 233 (Fc)
ZPO § 233
ZPO § 238 Abs. 2 S. 1
ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 2
ZPO § 522 Abs. 1 S. 4
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
GG Art. 2 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
AUR 2016, 299
FamRZ 2016, 902
MDR 2016, 543
NJW
NVwZ 2016, 8
WM 2016, 1850

BGH, Beschluss vom 01.03.2016 - Aktenzeichen VIII ZB 57/15

DRsp Nr. 2016/6188

Ersatz der unterbliebenen Namensangabe der erkennenden Richter im Rubrum der getroffenen Entscheidung durch die Unterschriften der Richter; Anforderungen an die Ausgangskontrolle bei Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Telefax; Stillschweigende Verweisung auf die Unterschriften; Schadenersatzbegehren nach der Zwangsräumung einer Mietwohnung

Die unterbliebene Namensangabe der erkennenden Richter im Rubrum der getroffenen Entscheidung wird jedenfalls in den Fällen, in denen kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Richter, die die Entscheidung unterzeichnet haben, auch an ihr mitgewirkt haben, durch die Unterschriften der Richter ersetzt; dann kann von einer stillschweigenden Verweisung auf die Unterschriften ausgegangen werden (im Anschluss an BGH, Urteil vom 22. Dezember 1976 - IV ZR 11/76, NJW 1977, 377 unter I 2). Wird ein fristgebundener Schriftsatz per Telefax übermittelt, genügt es für die Ausgangskontrolle, dass ein vom Faxgerät des Absenders ausgedrucktes Sendeprotokoll die ordnungsgemäße Übermittlung an den Adressaten belegt und dieses vor Fristablauf zur Kenntnis genommen wird. Trägt der Sendebericht den Vermerk "OK", kann es einem am Verfahren Beteiligten nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn es bei dem elektronischen Übertragungsvorgang dennoch zu - nicht aus dem Sendeprotokoll ersichtlichen - Fehlern kommt (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 15 mwN; vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, NJW-RR 2014, 316 Rn. 6; vom 14. Oktober 2010 - V ZB 112/10, juris Rn. 8).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 25. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 13. August 2015 aufgehoben.

Der Beklagten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts Darmstadt vom 14. April 2015 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 29. April 2015 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: bis zu 30.000 €

Normenkette:

ZPO § 233 ; ZPO § 238 Abs. 2 S. 1; ZPO § 313 Abs. 1 Nr. 2 ; ZPO § 522 Abs. 1 S. 4; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ; GG Art. 2 Abs. 1 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger macht nach der Zwangsräumung einer Mietwohnung Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend und begehrt zugleich die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, bestimmte Gegenstände einschließlich eines Sparbuchs an die Beklagte herauszugegeben. Die Beklagte verlangt widerklagend die Feststellung, dass eine solche Verpflichtung bestehe.

Das Amtsgericht hat mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 21. April 2015 zugestellten Urteil der Klage im Wesentlichen stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Hiergegen hat die Beklagte rechtzeitig Berufung eingelegt. Die Frist für die Berufungsbegründung ist antragsgemäß bis zum 21. Juli 2015 verlängert worden.

Am 20. Juli 2015 ist beim Landgericht vorab per Telefax ein mit "Berufungsbegründungsschrift" überschriebener Schriftsatz vom selben Tag eingegangen, dessen Übertragung auf der nicht vollständig übermittelten Seite 6 abgebrochen worden ist. Eine Unterschrift ist hierbei nicht übertragen worden. Das Telefax trägt Zeitaufdrucke von 16.25 Uhr bis 16.29 Uhr des Empfangsgeräts und von 16.27 Uhr bis 16.30 Uhr des Sendegeräts. Mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten per Telefax am selben Tag übermittelter Verfügung vom 21. Juli 2015 hat der Vorsitzende der Berufungskammer diesen von der unvollständigen Übermittlung unterrichtet. Am 23. Juli 2015 ist auf dem Postweg die 25-seitige Berufungsbegründung im Original beim Landgericht eingegangen.

Auf den am selben Tag erfolgten Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer, im Hinblick auf den verspäteten Eingang der vollständigen Berufungsbegründung sei beabsichtigt, das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, hat die Beklagte mit beim Landgericht vorab per Telefax am 24. Juli 2015 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag unter Wiederholung ihrer Berufungsbegründung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.

Sie hat ihr Wiedereinsetzungsbegehren im Wesentlichen damit begründet, dass das Faxgerät der Kanzlei des Prozessbevollmächtigten der Beklagten keine Störung bei der Übermittlung der Berufungsbegründung angezeigt, sondern im Gegenteil eine um 16.55 Uhr erstellte Sendebestätigung mit der Bemerkung "Ergebnis OK" erstellt habe, ausweislich derer um 16.43 Uhr innerhalb von 11 Minuten und einer Sekunde 25 Seiten, also die vollständige Berufungsbegründung, per Telefax an das Landgericht übermittelt worden seien. Zur Glaubhaftmachung hat sie sich auf das auf der ersten Seite der gefaxten Berufungsbegründung aufgedruckte und dem Wiedereinsetzungsantrag beigefügte Sendeprotokoll sowie auf die anwaltliche Versicherung ihres Prozessbevollmächtigten berufen.

Eine daraufhin angestellte Rückfrage des Vorsitzenden der Berufungskammer beim Leiter der Wachtmeisterei hat ergeben, dass am 20. Juli 2015 beim Landgericht zwei von dem Faxgerät des Prozessbevollmächtigten der Beklagten übermittelte Sendungen eingegangen sind, nämlich beginnend um 16.24 Uhr sechs Seiten mit einer Übertragungszeit von 4 Minuten und 21 Sekunden und beginnend um 16.41 Uhr 20 Seiten mit einer Übertragungsdauer von 11 Minuten und 9 Sekunden. Der zweite Schriftsatz ist nicht zu den Akten gelangt. Sein Verbleib ist trotz Rückfragen innerhalb des Landgerichts ungeklärt geblieben.

Auf den Hinweis des Vorsitzenden der Berufungskammer, es scheine sich bei der 20 Seiten umfassenden Übertragung in Anbetracht der Seitenzahl wohl nicht um die 25 Seiten umfassende Berufungsbegründung gehandelt zu haben, hat die Beklagte ergänzend vorgetragen und von ihrem Prozessbevollmächtigen bestätigen lassen, dieser habe an diesem Tag nur einen Schriftsatz, nämlich die streitgegenständliche Berufungsbegründung, an das Landgericht gefaxt.

Das Landgericht hat mit Beschluss vom 13. August 2015 den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Zur Begründung hat es - soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse - ausgeführt:

Eine Berufungsbegründung sei nicht innerhalb der Frist nach § 520 Abs. 2 ZPO beim Landgericht eingegangen. Der Beklagten sei auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Die Berufungskammer glaube der Darstellung der Beklagten nicht, dass die Übermittlung des am 20. Juli 2015 nach der Zeitangabe des Sendegeräts zwischen 16.27 Uhr und 16.30 Uhr übermittelten Telefaxes von diesem Gerät (unzutreffend) als fehlerfrei signalisiert worden sei. Denn dem stünden die vom Sendegerät ausgewiesenen Übertragungszeiten entgegen. Danach sei die um 16.27 Uhr begonnene Übermittlung nach einer Übertragungsdauer von elf Minuten und einer Sekunde um 16.43 Uhr erfolgreich abgeschlossen gewesen. Bei einer Übermittlungsdauer von elf Minuten und einer Sekunde hätte die Übertragung aber erst um 16.32 Uhr beginnen dürfen. Unter diesen Umständen könne es sich bei der unvollständig bei Gericht eingegangenen Übertragung und der behaupteten, als vollständig signalisierten Übermittlung nicht um denselben Vorgang gehandelt haben.

Der dieser Deutung widersprechende Vortrag der Beklagten, wonach am 20. Juli 2015 vom Büro ihres Prozessbevollmächtigten nur ein Telefax an das Landgericht versandt worden sei, sei nicht glaubhaft. Nahe liege es vielmehr, dass nach der zunächst nicht erfolgreich durchgeführten Übertragung von nur sechs Seiten der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung zwei Minuten später erneut per Telefax übersandt habe. Hierfür spreche auch das Empfangsprotokoll des Telefaxgerätes des Landgerichts, wonach ab 16.41 Uhr während eines Zeitraums von elf Minuten und neun Sekunden ein Telefax vom Anschluss des Prozessbevollmächtigten empfangen worden sein solle. Da ausweislich des Empfangsprotokolls des Landgerichts bei dieser zweiten Übertragung jedoch nur 20 - nicht zu den Akten gelangte - Seiten eingegangen seien, gehe die Kammer nicht davon aus, dass bei dieser zweiten Übermittlung die vollständige 25 Seiten umfassende Berufungsbegründung einschließlich der Unterschrift des Prozessbevollmächtigten der Beklagten übermittelt worden sei. Aus welchen Gründen das von der Beklagten vorgelegte Sendeprotokoll gleichwohl den Versand von 25 Seiten ausweise, lasse sich nicht nachvollziehen. Die sich hieraus ergebenden Zweifel gingen zu Lasten der Beklagten. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsbegründungsfrist (§ 233 ZPO ).

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung gefordert ist (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ). Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte der Beklagten auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) und auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG ). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. BVerfG, AnwBl 2015, 976 f. mwN; BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6 mwN; vom 4. November 2014 - VIII ZB 38/14, NJW 2015, 253 Rn. 6).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Der Beklagten ist auf ihren rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellten Antrag (§ 234 Abs. 1 Satz 2, § 236 Abs. 2 ZPO ) hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, weil sie ohne ihr Verschulden daran gehindert war, die Frist zur Begründung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO ). Bei seiner abweichenden Würdigung hat das Berufungsgericht die Anforderungen an eine Glaubhaftmachung im Sinne von § 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, § 294 ZPO überspannt und wesentliche tatsächliche Umstände nicht oder nicht ausreichend gewürdigt (§ 286 ZPO ).

a) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der angefochtene Beschluss allerdings nicht schon deswegen aufzuheben, weil die entscheidenden Richter nicht im Rubrum des angefochtenen Beschlusses aufgeführt sind. Dabei kann dahin stehen, ob die für die Abfassung von Urteilen geltende Vorschrift des § 313 Abs. 1 Nr. 2 ZPO , die neben den in § 315 ZPO verlangten Unterschriften der erkennenden Richter deren namentliche Angabe im Rubrum vorsieht, auf Beschlüsse entsprechend anwendbar ist. Denn die Unterschriften der Richter ersetzen die zusätzliche Namensangabe im Kopf des Urteils jedenfalls in den Fällen, in denen kein Zweifel bestehen kann, dass die Richter, die die Entscheidung unterzeichnet haben, auch an der Entscheidung mitgewirkt haben; dann kann von einer stillschweigenden Verweisung auf die Unterschriften ausgegangen werden (BGH, Urteil vom 22. Dezember 1976 - IV ZR 11/76, NJW 1977, 377 unter I 2, insoweit in BGHZ 68, 43 nicht abgedruckt, mwN). So liegen die Dinge hier. Dass die unterzeichnenden Richter dabei nur mit ihrem Namen und nicht auch mit ihrer Funktionsbezeichnung angegeben sind, ist unschädlich. Die Rechtsbeschwerde macht nicht geltend, dass es sich bei ihnen nicht um die zur Entscheidung berufenen Mitglieder der 25. Zivilkammer handelt, sondern rügt nur, dass sich dies nicht aus dem Beschluss selbst erschließt.

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO ) kein vollständiger, vom Prozessbevollmächtigten der Beklagten unterzeichneter Schriftsatz beim Gericht eingegangen. Jedoch hat das Berufungsgericht, das die Einhaltung der Begründungsfrist gemäß § 522 Abs. 1 Satz 1 ZPO von Amts wegen zu prüfen hat, seine Ermittlungen allein darauf beschränkt, ob ein ausweislich des Empfangsprotokolls des Telefaxgeräts des Berufungsgerichts am 20. Juli 2015 ab 16.41 Uhr eingegangener 20-seitiger Schriftsatz ausgedruckt wurde und zu den Akten oder in den Geschäftsgang gelangt ist. Dagegen hat es sich nicht mit der Frage befasst, ob eingegangene Daten im Empfangsgerät gespeichert worden und noch abrufbar vorhanden gewesen sind (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, VersR 2002, 1045 unter II 1; vgl. ferner Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 112/10, juris Rn. 5). Letztlich kann die Frage, ob das Berufungsgericht alle naheliegenden Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat, dahin stehen. Denn die Rechtsbeschwerde nimmt die getroffenen Feststellungen hin und der Beklagten ist gegen die festgestellte Versäumung der Berufungsbegründungsfrist jedenfalls Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

c) Die Beklagte hat hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass sie ohne ein eigenes oder ihr gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechenbares Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten an der Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist gehindert gewesen ist.

aa) Ein Prozessbevollmächtigter hat nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dafür zu sorgen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt und innerhalb der Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Bedient er sich für die Übersendung eines Telefaxgeräts, hat er das seinerseits Erforderliche getan, wenn er bei Verwendung eines funktionsfähigen Sendegeräts und korrekter Eingabe der Empfängernummer so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit dem Abschluss der Übertragung bei Fristende zu rechnen ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Februar 2011 - V ZB 33/00, NJW-RR 2001, 916 unter II 2; vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, NJW-RR 2014, 316 Rn. 5; vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13, NJW 2014, 2047 Rn. 8; jeweils mwN).

Außerdem hat er sicherzustellen, dass vor Streichung der Frist im Fristenkalender eine Ausgangskontrolle erfolgt. Hierfür genügt es im Falle der Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes per Fax aber, wenn ein vom Faxgerät des Absenders ausgedrucktes Sendeprotokoll die ordnungsgemäße Übermittlung an den Adressaten belegt und dieses vor Fristablauf zur Kenntnis genommen wird. Trägt der Sendebericht den Vermerk "OK", kann es einem am Verfahren Beteiligten nicht als schuldhaftes Verhalten angelastet werden, wenn es bei dem elektronischen Übertragungsvorgang dennoch zu - nicht aus dem Sendeprotokoll ersichtlichen - Fehlern kommt (BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2006 - XI ZB 4/05, NJW 2006, 1518 Rn. 15 mwN; vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, aaO Rn. 6; vom 14. Oktober 2010 - V ZB 112/10, aaO Rn. 8). Denn die Wahrscheinlichkeit, dass ein Schriftstück trotz eines mit einem "OK"Vermerk versehenen Sendeberichts den Empfänger nicht erreicht, ist so gering, dass sich der Rechtsanwalt auf den "OK"-Vermerk verlassen darf (BGH, Beschlüsse vom 28. März 2001 - XII ZB 100/00, aaO unter II 2; vom 11. Dezember 2013 - XII ZB 229/13, aaO). Bestätigt das Sendeprotokoll des verwendeten Telefaxgerätes durch den Vermerk "OK", gibt es für den Absender regelmäßig keine tragfähigen Anhaltspunkte, dass die Übermittlung dennoch fehlgeschlagen sein könnte, noch hat er Anlass, sich beim Berufungsgericht über den Eingang des Telefaxes zu erkundigen (BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2010 - V ZB 112/10, aaO mwN).

bb) Den danach einzuhaltenden Anforderungen haben der Prozessbevollmächtigte der Beklagten beziehungsweise seine mit dem Faxvorgang und der Ausgangskontrolle befassten Mitarbeiter entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts in vollem Umfang genügt.

(1) Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat den Begründungsschriftsatz bereits einen Tag vor Fristablauf gefertigt. Für die Übermittlung dieses Schriftstücks ist ein Telefaxgerät benutzt worden, das keine Fehlermeldungen ausgewiesen, sondern um 16.55 Uhr eine Sendebestätigung erstellt hat, ausweislich derer um 16.43 Uhr während einer Dauer von elf Minuten und einer Sekunde erfolgreich 25 Seiten an das Faxgerät des Berufungsgerichts übermittelt worden sind. Diese Umstände, die den Schluss zulassen, dass die Störung mit großer Wahrscheinlichkeit nicht in dem Bereich eingetreten ist, für den die Partei - auch über § 85 Abs. 2 ZPO - verantwortlich ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Februar 2010 - VIII ZB 76/09, NJW 2010, 1378 Rn. 7; vom 19. Juni 2013 - V ZB 226/12, juris Rn. 12; jeweils mwN), hat der Prozessbevollmächtigte der Beklagten durch Vorlage des Sendeprotokolls mit "OK"-Vermerk, das zudem die erste Seite der Berufungsbegründung vollständig abbildet, und durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht. Aufgrund dieses glaubhaft gemachten Sachverhalts durfte er ohne Weiteres davon ausgehen, dass der gesamte Berufungsbegründungsschriftsatz erfolgreich übertragen worden ist.

(2) Das Berufungsgericht, das dies verkannt und die Anforderungen an eine Glaubhaftmachung überspannt hat, meint dagegen, aus - sich vermeintlich widersprechenden - Angaben auf der Sendebestätigung und den vom Sendegerät auf den sechs Seiten des Berufungsbegründungsschriftsatzes aufgedruckten Übermittlungszeiten sowie aus einem Vergleich der abweichenden Daten zwischen den Protokollen des Sendegeräts und des Empfangsgeräts ableiten zu können, dass die Darstellung der Beklagten nicht glaubhaft sei, sondern einiges dafür spreche, dass das Sendeprotokoll anlässlich eines zweiten Übertragungsversuchs, bei dem (nur) 20 Seiten übermittelt worden seien, erstellt worden sei.

Dabei verkennt das Berufungsgericht bereits, dass in einem solchen Fall der Prozessbevollmächtigte der Beklagten angesichts des "OK"-Vermerks auf dem Sendebericht davon hätte ausgehen dürfen, dass jedenfalls der zweite Übertragungsversuch erfolgreich gewesen ist. Denn aus dem Sendebericht hätte sich kein Hinweis ergeben, dass bei dem zweiten Übertragungsversuch nicht alle 25 Seiten beim Empfangsgerät eingegangen sind.

Außerdem hält das Berufungsgericht der Darstellung der Beklagten einen Geschehensablauf entgegen, der mit dem Inhalt des Sendeprotokolls, das die erfolgreiche Übertragung von 25 Seiten bestätigt hat, unter keinen Umständen in Einklang zu bringen ist. Demgegenüber lässt sich die Schilderung der Beklagten bei verständiger Würdigung durchaus mit den Angaben in den Protokollen der für den Übertragungsvorgang eingesetzten Sende- und Empfangsgeräte vereinbaren. Das Berufungsgericht hat bei seiner gegenteiligen Beurteilung unter Verstoß gegen § 286 ZPO nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte erfasst und insbesondere verkannt, dass es für die vermeintlichen Widersprüche in den Zeitangaben plausible Erklärungen gibt, die sich aus den Protokollen und dem übrigen Akteninhalt ableiten lassen.

(a) Das Berufungsgericht hat nicht erkannt, dass die auf der Sendebestätigung unter der Rubrik "Zeit" angegebene Uhrzeit 16.43 Uhr bei richtigem Verständnis nicht den Abschluss der elf Minuten und einer Sekunde andauernden Übertragungsdauer, sondern den Beginn der Übertragung kennzeichnet. Dies ergibt sich zum einen aus dem mit 16.55 Uhr angegebenen Zeitpunkt der Erstellung der Sendebestätigung. Zum anderen lässt sich dies bei verständiger Würdigung aus einem Abgleich der Protokolle von Sende- und Empfangsgerät herleiten. Wie der Aufdruck der Zeitangaben auf den zu den Akten gelangten sechs Seiten der Berufungsbegründung zeigt, hat die Übertragung dieser Seiten ausweislich der Zeitangaben des Sendegeräts um 16.27 Uhr und nach den Zeitangaben des Empfangsgeräts um 16.25 Uhr begonnen. Berücksichtigt man die sich daraus ergebende Zeitabweichung von (etwa) zwei Minuten zwischen den beiden Geräten und stellt man weiter in Rechnung, dass nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 20. Juli 2015 nur der Berufungsbegründungsschriftsatz - und zwar nur einmal - an das Berufungsgericht gefaxt worden ist, dann korrespondieren die weiteren Daten im Empfangsprotokoll, wonach zu der Startzeit von 16.41 Uhr eine elf Minuten und neun Sekunden andauernde Übertragung von 20 Seiten erfolgt ist, durchaus mit den im Sendeprotokoll enthaltenen Angaben, nach denen um 16.43 Uhr für die Dauer von elf Minuten und einer Sekunde eine Übermittlung erfolgt ist, wenn man die Zeitangabe 16.43 Uhr im Sendeprotokoll ebenfalls als Startzeit auffasst.

(b) Damit bleibt nur noch zu klären, weshalb die Sendebestätigung nicht - wie das Journal des Empfangsgeräts - eine Übertragung von nur 20 Seiten ausweist, sondern die Übertragung von 25 Seiten bestätigt. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich aber dadurch, dass das Empfangsgerät des Berufungsgerichts - aus welchen Gründen auch immer - eine in unmittelbarer Folge übermittelte Sendung in mehrere Tranchen aufgespaltet zu unterschiedlichen Zeiten empfangen und dies so auch dokumentiert hat, während das Sendegerät nach Abschluss der Sendung offenbar eine einheitliche Bestätigung ausgestellt hat.

(aa) Entsprechende Abläufe lassen sich besonders deutlich aus dem vollständig zu den Akten gelangten Wiedereinsetzungsantrag, der am 24. Juli 2015 per Fax an das Berufungsgericht übermittelt worden ist, ersehen. Dieser einschließlich der beigefügten Anlagen 31 Seiten umfassende Antrag ist ausweislich der auf dem Schriftsatz aufgedruckten Angaben des Sendegeräts in der Zeit von 10.04 Uhr bis 10.26 Uhr an das Berufungsgericht übertragen worden. Die vollständige Sendung ist aber in drei Phasen empfangen worden, wobei laut dem Journal des Empfangsgeräts insgesamt 33 Seiten eingegangen sind. Zunächst sind laut Empfangsprotokoll um 10.01 Uhr vierzehn Seiten eingegangen, die vom Empfangsgerät mit dem Aufdruck "P.001/014" versehen worden sind und deren Übermittlung ausweislich des Empfangsprotokolls neun Minuten in Anspruch genommen hat. Daran anschließend ist ab 10.10 Uhr (so der Aufdruck des Empfangsgeräts auf dem Schriftsatz) oder um 10.11 Uhr (so die Angaben im Empfangsprotokoll) mit einer Übertragungsdauer von vier Minuten und dreiundvierzig Sekunden ein weiterer Teil des Schriftsatzes eingegangen, der die aufgedruckte Bezeichnung "P.001/006" erhalten hat. Bei dieser zweiten Tranche ist die bei der ersten Übertragung zuletzt übermittelte Seite, nämlich die Seite 8 der nochmals beigefügten Berufungsbegründungsschrift, erneut empfangen worden.

Schließlich ist beginnend ab 10.17 Uhr der dritte Teil der übermittelten Sendung eingegangen, der 13 Seiten - darunter erneut die zuletzt übersandte Seite der zweiten Tranche (Seite 13 der Berufungsbegründungsschrift) - umfasste und die aufgedruckte Kennzeichnung "P.001/013" erhalten hat. Auf diese Weise hat das Telefaxgerät des Berufungsgerichts nicht die tatsächlich übermittelten 31 Seiten, sondern insgesamt 33 Seiten empfangen, aufgespalten in drei Phasen, wobei zwischen der zweiten und dritten Übermittlungsphase zehn Sendungen anderer Absender zwischengeschaltet worden sind.

(bb) Entsprechende Vorgänge lassen sich - soweit aktenkundig gemacht - bei der am 20. Juli 2015 per Fax übermittelten Berufungsbegründung feststellen. Die ersten sechs Seiten, die zu den Akten gelangt sind, tragen die Kennzeichnung "P.001/006" und sind ausweislich der vom Empfangsgerät auf den Schriftsatz aufgedruckten Zeitangabe ab 16.25 Uhr und ausweislich des Empfangsprotokolls beginnend ab 16.24 Uhr bei Gericht eingegangen. Um 16.41 Uhr sind nach den Angaben im Journal des Empfangsgeräts weitere nicht zu den Akten gelangte - 20 Seiten vom Telefaxgerät des Prozessbevollmächtigten der Beklagten eingegangen. Wenn man berücksichtigt, dass dieses Telefaxgerät - zumindest in einigen Fällen - längere Sendungen offenbar in mehreren Teilschritten empfängt und weiter in Rechnung stellt, dass es dabei die zuletzt empfangene Seite der vorangehenden Tranche nochmals als empfangen ausweist, dann lassen sich die zwei am 20. Juli 2015 als eingegangen dokumentierten Sendungen von insgesamt 26 Seiten ohne Weiteres der vom Sendegerät bestätigten einmaligen Übermittlung von 25 Seiten zuordnen. Das Empfangsgerät hat offenbar die (zunächst nicht vollständig) übermittelte Seite 6 der Berufungsbegründung beim zweiten Teil der Sendung nochmals erhalten. Dies erklärt, warum statt des Zugangs von 25 Seiten der Empfang von 26 Seiten protokolliert worden ist.

(cc) Damit bleibt als Diskrepanz zwischen den beiden Protokollen nur der Umstand, dass der Sendebericht als Übertragungsbeginn 16.43 Uhr ausweist, während nach den Angaben im Empfangsprotokoll und nach dem Sendeaufdruck auf den zu den Akten gelangten sechs Seiten der Berufungsbegründung die erste Phase der Übermittlung schon um 16.24 Uhr beziehungsweise um 16.27 Uhr begonnen hat. Auch dieser scheinbare Widerspruch lässt sich aber auflösen, wenn man in Betracht zieht, dass die Sendebestätigung den Beginn der erfolgreichen Übertragung der (gesamten) Sendung auf den Zeitpunkt gelegt hat, ab dem das Empfangsgerät den Beginn des Eingangs der noch fehlenden Seiten der Berufungsbegründung (also nach den Angaben im Empfangsprotokoll ab 16.41 Uhr und nach der zwei Minuten hiervon abweichenden Zeiterfassung des Sendegeräts ab 16.43 Uhr) signalisiert hat.

c) Das Berufungsgericht hätte nach alledem die von ihm angesprochenen Ungereimtheiten nicht zum Anlass nehmen dürfen, an der Schlüssigkeit und der Glaubhaftmachung der Darstellung der Beklagten zu zweifeln, sondern hätte die beschriebenen Besonderheiten des Faxgeräts des Berufungsgerichts, die eine technische Fehlfunktion dieses Kommunikationsmittels oder jedenfalls eine Fehleranfälligkeit bei der Zuordnung eingehender Schriftsatzteile nahelegt, in Betracht ziehen müssen. Danach ist der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

d) Soweit die Rechtsbeschwerde weiter geltend macht, das Berufungsgericht habe seine Fürsorgepflicht verletzt, weil es den Prozessbevollmächtigten der Beklagten am 21. Juli 2015 erst um 17.33 Uhr und damit nach Büroschluss von dem unvollständig eingegangenen Schriftsatz unterrichtet habe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine Partei kann im Hinblick auf den Geschäftsanfall bei Gericht nicht erwarten, dass dieses die Einhaltung der für eine Berufungsbegründungsschrift geltenden Frist- und Formvorschriften zeitnah nach Eingang des Schriftsatzes prüft (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 15. Juni 2004 - VI ZB 9/04, NJW-RR 2004, 1364 unter II 2 a). Letztlich kommt es auf diesen Gesichtspunkt aber nicht an, weil der Beklagten schon aus anderen Gründen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist.

Vorinstanz: AG Darmstadt, vom 14.04.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 309 C 74/12
Vorinstanz: LG Darmstadt, vom 13.08.2015 - Vorinstanzaktenzeichen 25 S 86/15
Fundstellen
AUR 2016, 299
FamRZ 2016, 902
MDR 2016, 543
NJW
NVwZ 2016, 8
WM 2016, 1850