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BGH - Entscheidung vom 13.01.2016

2 StR 347/15

Normen:
StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1
StPO § 349 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 13.01.2016 - Aktenzeichen 2 StR 347/15

DRsp Nr. 2016/3164

Ausschluss des Vorsatzes durch Vorliegen eines Tatbestandsirrtums mangels Absicht rechtswidriger Zueignung bei Wegnahme einer Geldbörse zum Zwecke der Befriedigung offener Lohnforderungen im Rahmen eines schweren Raubes

Sollten der Täter irrtümlich angenommen haben, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen ,hat er sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum hinsichtlich des Raubes befunden.

1. Auf die Revision des Angeklagten P. wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 11. Mai 2015, soweit es ihn betrifft und er verurteilt worden ist, mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben

a) soweit er wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Fall II.2) verurteilt worden ist,

b) im Gesamtstrafenausspruch.

3. Im Umfang der Aufhebungen wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

4. Die weitergehende Revision des Angeklagten S. wird verworfen.

Normenkette:

StGB § 250 Abs. 2 Nr. 1 ; StPO § 349 Abs. 2 ;

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten P. unter Freisprechung im Übrigen wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Den Angeklagten S. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung sowie wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die Revision des Angeklagten P. hat mit der Sachrüge in vollem Umfang Erfolg. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten S. hat in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO .

1. Während die Verurteilung des Angeklagten S. wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung im Fall II.1 der Urteilsgründe - wie vom Generalbundesanwalt ausgeführt - einen Rechtsfehler nicht erkennen lässt, hat die Verurteilung beider Angeklagter im Fall II.2 der Urteilsgründe keinen Bestand.

Nach den Feststellungen hatten beide Angeklagte gegen den Geschädigten Si., einen Bauunternehmer, noch offene Lohnforderungen aus einem vorangegangenen Beschäftigungsverhältnis. Da sie wiederholt vertröstet und hingehalten worden waren, lauerten sie dem Geschädigten auf, forderten unter Drohung mit einem "erhobenen Holzschlagwerkzeug" Bargeld und entnahmen seiner Geldbörse einen Betrag von 200 Euro. Anschließend erhielt der Geschädigte noch einen Schlag mit dem "Stock" gegen die Stirn.

2. Die Verurteilung wegen besonders schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1 , § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Feststellungen belegen nicht ausreichend, dass die Angeklagten in der Absicht rechtswidriger Zueignung handelten, als sie dem verängstigten Geschädigten das Geld aus dessen Börse wegnahmen. Das Landgericht hätte die nicht fernliegende Möglichkeit erörtern müssen, ob die Angeklagten, denen es darum ging, ihnen zustehenden Lohn zu erhalten, irrig von einem Recht auf eigenmächtige Befriedigung ihrer Geldforderungen ausgingen und glaubten, die Übereignung der sich im Besitz des Geschädigten befindlichen Geldscheine beanspruchen zu dürfen. Sollten sie irrtümlich angenommen haben, sich das weggenommene Geld zueignen zu dürfen, hätten sie sich in einem den Vorsatz ausschließenden Tatbestandsirrtum befunden (vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 - 4 StR 346/61, BGHSt 17, 87 , 90 f.; Beschluss vom 11. September 1990 - 5 StR 345/90, StV 1991, 515 ).

Dass das Landgericht hierauf nicht eingegangen ist, begründet einen sachlich-rechtlichen Fehler, der zur Aufhebung zwingt. Die Aufhebung erfasst auch die im Übrigen nicht zu beanstandende Verurteilung wegen tateinheitlich begangener gefährlicher Körperverletzung und bedingt hinsichtlich des Angeklagten S. die Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 11.05.2015