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BGH - Entscheidung vom 13.12.2016

3 StR 354/16

Normen:
StPO § 349 Abs. 4
StPO § 357
StGB § 223 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 13.12.2016 - Aktenzeichen 3 StR 354/16

DRsp Nr. 2017/2876

Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung

Der Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung in der Variante der körperlichen Misshandlung ist nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird. Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar, vielmehr muss es erwiesenermaßen durch den festgestellten Schlag zu einer körperlichen Beeinträchtigung des Geschädigten gekommen sein.

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten D. wird das Urteil des Landgerichts Aurich vom 12. Februar 2016 - auch soweit es den Angeklagten De. betrifft - mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Normenkette:

StPO § 349 Abs. 4 ; StPO § 357 ; StGB § 223 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten D. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten De. hat es wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung die Freiheitsstrafe von acht Monaten verhängt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten D. hat Erfolg.

I. Nach den Feststellungen beschlossen die Angeklagten, den Geschädigten, die ihnen als Drogenhändler bekannt waren, die in ihrem Besitz befindlichen Drogen wegzunehmen. Während der Angeklagte D. diese zum eigenen Konsum bzw. Weiterverkauf an sich bringen wollte, beabsichtigte der Mitangeklagte De. , die Betäubungsmittel zu vernichten, weil die Geschädigten seiner minderjährigen Nichte Marihuana überlassen hatten und deshalb bestraft werden sollten. Unter dem Vorwand, eine größere Menge Marihuana erwerben zu wollen, verschafften sich die Angeklagten durch Vermittlung der gesondert verfolgten Lebensgefährtin des Angeklagten D. Zugang zur Wohnung des Geschädigten T. , wo nach einiger Zeit der Geschädigte H. erschien, der rund 300 Gramm Marihuana mitbrachte, das er den angeblichen Käufern zur Ansicht übergab. Spätestens zu diesem Zeitpunkt waren die Angeklagten sich einig, das Rauschgift, das zu diesem Zeitpunkt der Angeklagte D. in der Hand hielt, notfalls mit Gewalt oder Drohungen an sich zu bringen. In der Folge ergriff der Nichtrevident eine auf dem Wohnzimmertisch liegende, dem Geschädigten T. gehörende Schreckschusspistole, die - was sowohl dieser als auch der Nichtrevident, nicht aber der Geschädigte H. wussten - funktionsunfähig war. Die gesondert Verfolgte nahm einen in der Wohnung befindlichen schwarzen Teleskopschlagstock in die Hand. Außerdem stieß der Mitangeklagte den Geschädigten T. , der aufstehen wollte, so kräftig "im Bereich der Brust oder des Halses", dass er auf das Sofa zurück fiel, fortan dort sitzen blieb und unter dem Eindruck des Geschehens nichts mehr unternahm. Nunmehr steckte der Angeklagte die Tüte mit dem Marihuana ein und verließ mit den beiden Mittätern die Wohnung.

II. Der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Die Annahme einer Körperverletzungshandlung wird von den getroffenen Feststellungen nicht getragen.

Das Landgericht sieht die Körperverletzung in dem vom Mitangeklagten De. geführten Schlag gegen die Brust oder gegen den Hals des Geschädigten T. . Der Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB in der Variante der vorliegend allein in Betracht kommenden körperlichen Misshandlung ist indes nur dann erfüllt, wenn die Schwelle zu einer üblen und unangemessenen Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht nur unerheblich beeinträchtigt, überschritten wird (vgl. Lackner/Kühl, StGB , 28. Aufl., § 223 Rn. 4 mwN). Nicht jeder vorsätzliche Schlag oder Stoß, der das Opfer trifft, stellt eine tatbestandliche Körperverletzungshandlung dar (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juni 2001 - 4 StR 174/01, StV 2001, 680 mwN). Dazu, ob es vorliegend durch den festgestellten Schlag zu einer körperlichen Beeinträchtigung des Geschädigten gekommen ist, verhält sich das angefochtene Urteil nicht. Zwar ergibt sich aus der Beweiswürdigung, dass der Geschädigte T. angegeben hat, einen Augenblick nur schwer Luft bekommen zu haben, als er auf das Sofa zurückfiel. Dies enthält aber schon nicht die Feststellung, dass der Geschädigte tatsächlich wegen der körperlichen Einwirkung durch den Schlag nur schwer atmen konnte. Darüber hinaus ist eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung damit nicht belegt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2013 - 3 StR 323/13, NStZ-RR 2014, 11 ).

Mit der Aufhebung des Schuldspruchs wegen gefährlicher Körperverletzung entfällt bei dem Angeklagten D. auch die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen schweren Raubes. Der Senat hat die Feststellungen insgesamt aufgehoben, um der neu zur Entscheidung berufenen Strafkammer eine in sich stimmige Sachverhaltsaufklärung zu ermöglichen. Nach § 357 Satz 1 StPO ist die Aufhebung des Urteils auf den Mitangeklagten De. zu erstrecken, der gegen das Urteil keine Revision eingelegt hat. Der Rechtsfehler im Schuldspruch betrifft ihn gleichermaßen.

III. Für die neu zu treffende Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:

1. Sollte in der neuen Hauptverhandlung eine Körperverletzung zum Nachteil des Geschädigten T. festgestellt werden, wird sich das Landgericht eingehender, als dies in dem angefochtenen Urteil geschehen ist, mit der Frage zu beschäftigen haben, ob die Angeklagten insoweit gemeinschaftlich im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB handelten. Durch die bisherigen Feststellungen ist dies nicht hinreichend belegt.

2. Dem aufgehobenen Urteil kann nicht zweifelsfrei entnommen werden, welche Einzelstrafen aus früheren Verurteilungen in die gegen den Angeklagten D. verhängte Gesamtstrafe einbezogen worden sind und ob diese rechtsfehlerfrei gebildet worden ist. Das Landgericht hat in die verhängte Gesamtstrafe mehrere Freiheitsstrafen aus einer "Verurteilung durch das Landgericht Aurich", von der im Tenor lediglich das Aktenzeichen mitgeteilt wird, einbezogen. Welche Straftaten mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Aurich abgeurteilt worden sind und welche Einzelstrafen der dort ausgesprochenen Gesamtstrafe zugrunde liegen, ergeben die Feststellungen nicht.

Vorinstanz: LG Aurich, vom 12.02.2016